Im Rahmen der 23. Tschechisch-Deutschen Kulturtage wird heute Abend in der Galerie Neuropa die Ausstellung „Štěpán Bartoš – Unsichtbare Synagogen“ eröffnet. Der in Pardubice tätige Fotograf Štěpán Bartoš hat über 150 ehemalige Synagogenstandorte in Böhmen aufgesucht. Er versucht die Lücken, die im 20. Jahrhundert durch Abriss, Umnutzung und Zerstörung der jüdischen Gotteshäuser entstanden sind, fotografisch festzuhalten.
Bei den Ausstellungsobjekten wird die Oberfläche der Fotografien mechanisch oder thermisch bearbeitet, um so die Umrisse der zuvor dort gestandenen Synagogen anzudeuten. Der Fotograf wird zur Eröffnung persönlich anwesend sein.
Aus der Veranstaltungsankündigung:
Auf dem Territorium, dass sich heute in der Tschechischen Republik befindet, herrschten während letzten Jahrhunderts zwei verbrecherische Regime, die unermessliche persönliche und materielle Schäden verursachten. Seit 1938 war es der deutsche Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit der aus der Sowjetunion importierte Kommunismus. Beide totalitären Systeme hatten mehrere Gemeinsamkeiten. Eine davon war der Antisemitismus – ob lautstark vulgär deklariert in Deutschland oder teilweise getarnt als Kampf gegen den Zionismus in der stalinistischen Tschechoslowakei.
Seit dem Mittelalter stehen Synagogen im Zentrum des religiösen, erzieherischen und sozialen Lebens der jüdischen Gemeinden. Vor allem das 19. Jahrhundert brachte eine erhebliche Emanzipation mit sich, die sich nach außen hin in bemerkenswerten architektonischen Leistungen manifestierte, die oft von den vielfältigen Baustilen der Vergangenheit inspiriert waren.
Die Synagoge wurde so zu einem unübersehbaren Bestandteil der Stadtgestaltung vieler tschechischer Städte und Dörfer. Manchmal als stattliche Tempel an einer prestigeträchtigen Adresse, anderswo und öfter als bescheideneres Gebäude im jüdischen Viertel des Dorfes.
Bereits die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte einen gewissen Niedergang. Einige jüdische Gemeinden verschwanden, das religiöse Leben konzentrierte sich in größeren Gemeinden, und viele Synagogen dienten nicht mehr religiösen Zwecken oder wurden nur noch sporadisch genutzt. Ein entscheidender Wendepunkt war das als „Kristallnacht“ bezeichnete Nazi-Pogrom im November 1938, das in einem Augenblick irreparable Schäden an den Gebäuden und vor allem an der Inneneinrichtung verursachte, die in dem damals bereits abgetrennten Gebiet der Tschechoslowakei geschändet und zerstört wurde.
Die ganze Folgezeit – das Protektorat Böhmen und Mähren, die Nachkriegszeit 1945-1948 und die lange Periode des kommunistischen Totalitarismus bis 1989 vollendeten das Werk der Zerstörung. Die Synagogen ohne ihre meist ermordeten Besucher verfielen, wurden umgebaut und entwertet. Das Regime hat ohne Rücksicht auf die Geschichte und ohne Sinn für Schönheit ganze Stadtteile für den Bau von seelenlosen Wohnsiedlungen, überdimensionierten Parkplätzen oder protzige kommunistischen Palästen saniert.
Auf den Fotos sind Orte zu sehen, an denen früher Synagogen standen. Die meisten von ihnen verschwanden zwischen 1938 und 1989. Manchmal ist es offensichtlich, dass auf dem Bild “etwas fehlt” – nur die Synagoge ist verschwunden und andere Gebäude im ähnlichem Baustil sind geblieben. Dies gilt insbesondere für die Folgen der Kristallnacht im Sudetenland. Meistens ist es jedoch schwierig, sich die ursprüngliche städtebauliche Situation eines Ortes vorzustellen, durch den der sogenannte Aufbau des Sozialismus fegte. Es war manchmal recht schwierig für den Autor, den richtigen Ort für die Erstellung des Bildes zu finden…
Štěpán Bartoš – Unsichtbare Synagogen
- Ausstellungsdauer: 15. Oktober bis 1. Dezember 2021, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 16Uhr,
- Vernissage, 15. Oktober, 20 Uhr
- Kultur Aktiv e.V., Galerie Neuropa, Bautzner Straße 49, 01099 Dresden
- Weitere Informationen: unsichtbaresynagogen.eu, kulturaktiv.org
Die Beziehungen der Dresdner Jüdischen Gemeinde nach Böhmen waren ganz besondere – auch durch den Umstand, dass Juden bis 1751 keinen eigenen Friedhof in Sachsen hatten und ihre Toten auf der alten Poststraße über Falkenhain und Altenberg im Osterzgebirge bis nach Soborten (heute Sobedruhy) nahe Teplitz (Teplice) bringen mussten. Erst August der Starke genehmigte die Anlage des Jüdischen Friedhofs (außerhalb) der Stadt Dresden an der heutigen Pulsnitzer Straße.
Von der Synagoge in Soborten ist heute m.E. nichts mehr zu finden. Der romantische Friedhof mit kunstvollen Grabsteinen ist von Brombeeren überwuchert, da die kleine Jüdische Gemeinde mit dem Erhalt überfordert ist.
An die Synagoge in Teplitz erinnert auf dem freien Platz eine stilisierte Kuppel auf einem Rund aus Betonsäulen in der Nähe des heutigen, gut gesicherten Jüdischen Gemeindehauses.