Eine wiederkehrende Frage als französische Mutter in Deutschland betrifft Kinderfeiern und -rituale. Was macht man da, hält man sich an die lokalen Bräuche, oder importiert man auch die aus der Heimat?
Laternen
Als ich eines Tages meine Kinder bei der Tagesmutter abholte, fragte ich ganz nebenbei eine Mutter, was man bei diesem winterlichen Mistwetter mit den Kindern bloß machen könnte. „Na, Laternen basteln!“, antwortete sie mir.
Laternen? Wie kam sie denn bloß darauf?
In den darauffolgenden Tagen sah ich aber auf einmal viele Kinder auf der Straße mit prächtigen selbstgebastelten Laternen in allen Formen und Farben. Was für ein komischer Zufall …
Ich fragte also die Tagesmutti, welche mir erwiderte: „Na, heute ist doch der 11. November!“. Ja, das wusste ich, Endes des Ersten Weltkrieges, in Frankreich ist es auch ein Feiertag. Aber was hatte das denn mit Laternen zu tun? Sie erzählte mir von Sankt Martin und den Laternenumzügen, die am Abend stattfinden würden. Oje! Davon hatte ich in Frankreich noch nie gehört. Ob ich es zum nächsten Bastelladen vor dem Treffen am Martin-Luther-Platz noch rechtzeitig schaffen würde?
Nikolaus
Auch von einem anderen unvermeidbaren Fest hätte ich meine Kinder fast ausgeschlossen, wieder wegen eines Heiligen, den man in Frankreich nicht kennt. Und zwar: Sankt Nikolaus.
So war ich sehr überrascht, als ich meine Kinder am Nikolaustag vom Kindergarten abholte und auf der Tafel mit dem Tagesablauf las: „Was wir heute gemacht haben: Schuhe geputzt!“. Es war Winter und ihre Stiefel waren schon schlammig gewesen, aber trotzdem: „Was für eine seltsame Aktivität“, dachte ich. Zum Glück konnten mich die Erzieher noch rechtzeitig aufklären, sodass der Nikolaus es noch schaffte, kleine Überraschungen in die Schuhe meiner Kinder zu stecken.
Milchzähne
Was soll aus der französischen „petite souris“ („kleine Maus“) werden? Wenn ein französisches Kind einen Milchzahn verliert, dann versteckt ihm nämlich eine kleine Maus ein Geschenk unter dem Kopfkissen, nicht die Zahnfee. Behalte ich also dieses niedliche Ritual bei, mit dem Risiko, dass meine Kinder von ihren Freunden ausgelacht werden? Füge ich holprige Erklärungen dazu („Doch Schatzi, die kleine Maus kommt extra aus Frankreich für französische Kinder … Na klar kann sie tausend Kilometer laufen!“)? Oder soll ich mich einfach mit der deutschen Zahnfee abfinden?
Und was ist, wenn ein Milchzahn herausfällt, wenn wir gerade in Frankreich sind? Da muss doch die Maus kommen, oder?
Ich gebe zu, mir fällt es schwer, mich von der petite souris meiner Kindheit zu verabschieden.
„Galette des rois“
Dieser „Dreikönigskuchen“ ist eine Art Mandelkuchen, den man in Frankreich traditionell am 6. Januar vom Bäcker holt und mit der Familie zum Gedenken an die Heiligen Drei Könige isst. Dazu gehören viele lustige Rituale, wie das Verstecken einer „fève“ (früher eine Bohne, heutzutage eine kleine Keramikfigur) in dem Kuchen: Derjenige, der die fève in seinem Kuchenstück findet, wird König (oder Königin). Er bekommt eine Krone, und darf seine Königin (oder König) auswählen, die ebenfalls eine Krone bekommt. Manchmal trifft man zufällig auf die Figur, wenn man den Kuchen schneidet. Deswegen soll der jüngste Gast sich unter den Tisch setzen und ankündigen, wer welches Stück Kuchen bekommt, ohne zu sehen, wie der Kuchen geschnitten wird. Die „Galette“ isst man nicht nur an dem Tag, sondern den ganzen Januar über: mit der Familie, mit Freunden, in der Schule, auf der Arbeit. So hat man jedes Jahr eine Chance, mal König zu werden!
Ich freue mich sehr, dass im émoi auf Bestellung „galederoy“ (wie Deutsche es so schön aussprechen) für unsere kleine Gemeinschaft zubereitet werden. Wie viele Franzosen in Deutschland habe ich auch inzwischen gelernt, meine eigenen galettes zu backen. Ich brauche dann nur noch ein paar fèves und typische goldfarbige Kronen aus Frankreich zu importieren. Und los geht’s mit den vielen Januar galette Einladungen.
Aber jetzt erstmal schnell zum Bastelladen, um das Sankt-Martin-Fest dieses Jahr nicht zu verpassen. Denn das beginnt, wie in jedem Jahr um 16.30 Uhr vor der Kirche am Martin-Luther-Platz. Ab 17 Uhr ziehen die Kinder dann mit ihren Laternen zur St.-Martin-Kirche oberhalb vom Alaunplatz.
Ein Gastbeitrag von Peps, der Französin in der Neustadt. Aus der Reihe „C’est la vie! – Chroniken einer Französin in der Neustadt“. Illustrationen: Jean-Pierre Deruelles. Fortsetzung im Dezember.
PEPS is back………. Juchhu…….. ;-)
Aber warum steht der große Meister in der Überschrift?
Weil er offenbar ein Meister an Schludrigkeit ist. :-( Danke. Korrigiert.
Coronabedingt dieses Jahr offenbar kein Umzug, sondern je eine Veranstaltung in/an jeder Kirche, siehe hier:
https://kirchspiel-dresden-neustadt.de/aktuelles-kinder-familien/martinsfest.html
Danke für den Hinweis.