Zu schon fortgeschrittener Stunde behandelte der Stadtbezirksbeirat Dresden Neustadt am Montag ein Antrag der AfD, der schließlich fast einstimmig abgelehnt wurde.
Die Partei hatte einen Antrag eingereicht, das Wandfries am Körnerweg zwischen Waldschlößchenbrücke und Wasserwerk Saloppe zu sanieren. Von ihren Parteikollegen etwas alleingelassen wurde die AfD-Stadtbezirksbeirätin Karin Wilke. Sie erfuhr nur kurz vor knapp von dem Antrag und sollte ihn dann auch noch präsentieren. Kurz referierte sie über den Dichter, vor allem mit Wikipedia-Wissen. Sie selbst kenne zwar kein Gedicht, aber der Dichter habe schon große Bekanntheit erlangt und an dem Wandfries sei sie schon häufig vorbei gelaufen.
Stadtbezirksamtsleiter André Barth schilderte die Sicht der Stadtverwaltung. Eine Renovierung sei wünschenswert, das Leben und Wirken von Theodor Körner sei von besonderer Brisanz, er wurde zur patriotischen Heldengestalt verklärt und zu DDR-Zeiten, wie auch im 3. Reich vereinnahmt. Das alles geschah lange nach Körners Tod im Jahr 1813.
Aus den Reihen der Stadtbezirksbeiräte kam Widerspruch. Christian Demuth (SPD), der auch selbst nie1 Körner gelesen hat, sagt: „Das Fries bräuchte einen Kontext“. Der Grüne Oliver Mehl lehnte den Antrag ab, da Körner eine Figur des Militarismus sei. Auch Jutta Wieding (Grüne) lehnte die Sanierung mit dem Hinweis auf den Militarismus ab.
Felix Göhler (SPD) sagte, dass er nur Anträgen von demokratischen Fraktionen zustimmen würde. CDU-Mann Gunter Thiele hob den finanziellen Aspekt hervor, der sei nicht geklärt, daher sei der Antrag abzulehnen. Marcel Ritschel stellte fest, dass man am Bestern gar nicht mehr darüber diskutieren müsse, sondern einfach mal ablehnen. Eine Würdigung für einen solch kriegsgeilen Menschen wolle er nicht haben.
Schließlich wurde der Antrag abgelehnt.
Körnerfries
Das Körnerfries ist ein Werk des Bildhauers Gustav Reißmann. Wie der Ortsverein Loschwitz-Wachwitz auf seiner Website schreibt, schuf er 1936 den aus drei Tafeln bestehenden Sandstein-Fries, der eine Kampfszene mit Theodor Körner zeigt, der als Lützower Jäger 1813 bei Gadebusch den Tod fand. Zu dessen 125. Todestag am 26. August 1938 wurde das Monument, durch zwei Schrifttafeln ergänzt, „der Öffentlichkeit übergeben“. Vor dem Fries war ein kleines Schutzgebäude mit Bänken entstanden. 2005 wurde das Denkmal, zumindest teilweise, wiederhergestellt.
Aktuell ist es teilweise mit Tags beschmiert. Weitere Infos zur Instandsetzung auf der Seite des Ortsvereins Loschwitz-Wachwitz.
1 Christian Demuth betont, dass er sehr wohl Körner gelesen hat. Ich bitte, den Fehler zu entschuldigen, in der hinteren Reihe bei mir kam das akustisch so an, dass er obwohl Literaturwissenschaft studiert, nie Körner gelesen habe.
Nachträgliche Ergänzung
- Der Antrag der AfD im Ratsinfo-System der Stadt Dresden unter dresden.de
- Umfangreicher Artikel zum Leben und Wirken Körners auf zeit.de
Egal ob der Antrag von der AfD oder einem Marsmännchen kam, die Reaktionen zeigen Kulturlosigkeit, mangelndes Geschichtsverständnis und, mit Verlaub, Dummheit.
Die Meinung verstösst bestimmt gegen die allgemein gewollte Mainstreametikette, aber reagieren muss man mal….
Abgesehen vom Gurkenantrag und ohne einstigen Militärismus verharmlosen zu wollen, ist es doch ziemlich wohlfeil, wenn Vertreter der weiten Vergangenheit lediglich aus heutiger Perspektive sowie mangelndes Kenntnis der historischen Zustände in heute diffamierende Narrative gesteckt werden.
Dabei waren zu anderen Zeiten und innert deren Umständen so etliche Dinge grundverschieden zu heute. Berichte selbst noch zum 1.Weltkrieg bezeugen, wie Begriffe wie „Krieg“ u.dgl. einst gedeutet wurden. So zogen die Männer frenetisch jubelnd in den „ehrvollen Kampf“, es war reines Abenteuer, mann lebte höchste Kameradschaft und man kam „wie auf Reise gehen“ mal raus aus seinem Kaff, etc.pp. Der Wandel zum maschinisierten Krieg war den Naivlingen natürlich unbekannt, wie auch Etliches sonst. Das Wertegerüst diesbezüglich wird noch früher wohl noch
furcht- und zweifelloser gewesen sein – man lese nur nach, wie Kampfhandungen bzw. Krieg einst abliefen und wann überhaupt.
Im Grunde ist es heute kaum anders, auch jetzt befinden sich nahezu alle Zeitgenoss(inn)en in zeittypischer Domestizierung/Umnachtung, denken wir nur an die Taten- und Folgenlosigkeit der Einzelnen bei nun menschheitsbedrohlichen Problemlagen, das weitere Mitschwimmen im Zerstörungswahn etc.pp. Chapeau!
Unsere Nachfahren werden mutmaßlich ebenso über uns und unsere selbst grünlichen Laienspieler (z.B. im Bezirksrat) urteilen, mit gleichartiger Verve grandioser Empathie- und Kenntnislosigkeit. Wie sollte es auch anders sein…
Wer gern mal ein Körner- Gedicht lesen will – hier das „Lied von der Rache“.
Zitate:
Und wenn sie winselnd auf den Knien liegen
Und zitternd Gnade schrei’n
Laßt nicht des Mitleids feige Stimme siegen,
Stoßt ohn‘ Erbarmen drein!
[…]
Ha, welche Lust, wenn an dem Lanzenknopfe
Ein Schurkenherz zerbebt
Und das Gehirn aus dem gespalt’nen Kopfe
Am blut’gen Schwerte klebt!
[…]
Die Nazis mochten ihn, in der DDR war er sehr geschätzt. Auch heute noch hat er seine Fans.
@guardian, vor allem ist es Meinung ohne konstruktiven Mehrwert. Schade. Eigentlich sollte ich das nicht freischalten.
Ich würde mich freuen, wenn an dieser Stelle auch für die, die keine Hobby-Historiker sind, kurz erwähnt würde, wer Körner eigentlich war. Er ist immerhin hier geboren. Was hat er getan, dass er ein Militarist genannt wird? Was hat er geschrieben, dass er ein Dichter genannt wir? Die Beschränkung auf „Lützows wilde, verwegene Jagd“ würde sicher zu kurz greifen.
@Anton:
Ich bin gerade in London und sehe zum Vergleich den Umgang hier mit der eigenen Vergangenheit (am 11.11. ist Poppy Day bzw. Remembrance Day).
Überall rote Mohnblüten.
Und zu Körner: Es wirkt offensichtlich bis heute nach, das Goebbels ihm falsche Zitate untergeschoben hat.
So wird an einem Freiwilligen der Befreiungs(!)kriegen schnell der Halbnazi.
Passt gut, zumal es ein AfD Antrag war.
…wenn man die Diskussion im Beirat so nachliest, ist es nicht mehr weit, die Texte des Herren in einem Akt der Befreiung am Fries zu verbrennen…
Wer war von den Beiräten mit Goethe und vielen weiteren bekannt? Sicher
sind auch die Beräte nur Kinder ihrer Zeit… jedoch weit weniger gebildet.
Ihn wird es nicht mehr kümmern…;-)
Ideologie birgt immer Gefahren… auch die Gefahr, die Umwelt und die Geschichte nicht neutral betrachten zu können, um die richtigen Schlüsse und Konsequenzen für die Gegenwart zu ziehen… macht euch mal locker…
In Loschwitz haben wir den Antrag – ohne allzu lange Diskussion – ebenfalls abgelehnt. Mal vom Antragsteller abgesehen: So einen handwerklich schlechten Antrag hatten wir noch nie auf dem Tisch. Der Ortsverein Loschwitz-Wachwitz wurde noch nichtmal gefragt, ob er ein Interesse an dem Projekt hätte. Ich würde mir wünschen, die CDUler in Loschwitz wäre etwas mehr wie Gunther Thiele. Bei uns haben sie einhellig mit der AfD gestimmt.
@Martin: Kurz gefasst. Er war Student, Dichter und Dramaturg. Dann zog er als Freiwilliger in den Krieg gegen Napoleon, starb im Kampf kurz vor seinem 22. Geburtstag.
Er verfasste getreu dem damaligen Zeitgeist viele patriotische und kämpferische (aus heutiger Sicht würde man wohl kriegsverherrlichende) Werke. Seine Berühmtheit rührt vor allem daher, dass einige seiner Werke von bekannten Komponisten vertont wurden, so z.B. das von Dir erwähnte. Hier vom Dresdner Bergsteigerchor vorgetragen.
Danke für Deine Anmerkung, ich habe oben mal einen, aus meiner Sicht, ziemlich gut recherchierten Artikel der Zeit verlinkt.
„…wenn man die Diskussion im Beirat so nachliest, ist es nicht mehr weit, die Texte des Herren in einem Akt der Befreiung am Fries zu verbrennen…“
Hier wird ja Kritik an den Werken Theodor Körners (wie berechtigt oder unberechtigt auch immer) in die Nähe der nationalsozialistischen Bücherverbrennung gerückt. Zählt das schon als Nazivergleich? Godwin’s law ist erfüllt?
Der erste Satz ist fehlerhaft
Danke. Korrigiert.
naja, fast :)
jetze aber
„Der Grüne Oliver Mehl lehnte den Antrag ab, dass Körner eine Figur des Militarismus sei“ Hat jemand beantragt festzustellen, dass Körner eine Figur des Militarismus ist – oder wie ist dieser Satz zu verstehen?!
Danke für den Hinweis, da haben sich zwei Buchstaben zu viel in den Artikel gemengt. Jetzt ist’s korrigiert.
@Guardian
Und was fällt Dir auf bzw. zu welchen Ergebnissen kommst Du beim Vergleichen? Ich persönlich finde diesen in der englischen Mehrheitsgesellschaft weitgehend unkritischen Umgang sowie die politische Instrumentalisierung (Cameron und Irakkrieg) des Poppy Day ein wenig befremdlich.
Zu Körner stimme ich zu. Er wird bis heute vor allen in völkisch nationalistischen Kreisen verklärt. Da finden regelrechte Wallfahrten statt (z.B. Rosenow, Wöbbelin, Breslau, Rogau, …). Oder bei PEGIDA, wo ihm allerdings erneut falsche Zitate untergeschoben werden („Noch sitzt ihr da oben, ihr…).
@Spatz:: Poppy Day wird zur Erinnerungan an die Opfer des 1.Weltkrieg (gegen Kriegsbeginner Deutsches Kaiserreich) und 2 Weltkrieg (gegen Kriegsbeginner Nazideutschland) begangen.
Die Körnerverehrung entstand wegen seines frühen Todes und Eintreten für die Befreiung von Fremdherrschaft und die Einheit Deutschlands.
Ob es da oder dort falsche Vereinnahmungen gibt, ändert nichts am Ursprung der Bewegtheit.
Was sauer aufstösst ist die Tatsache, dass manche Personen der Meinung sind, wer oder was vom politischen Gegner instrumentalisiert wird ist per se zu bekämpfen und abzulehnen.
Differenzieren und hinterfragen ist was von gestern.
Aber in meinem Stammpub trägt der junge Barkeeper stolz die rote Mohnblüte am Revers. Da interessiert kein Camaron. Der ist längst vergessen.
Ist doch auch egal, Anträge von der AFD sind generell abzulehnen, egal welchen Hintergrund sie haben. Dass sie es selber nicht so ernst nehmen, sieht man auch an der Qualität der Antragstellung, die nach den Kommentaren scheinbar sehr dilettantisch ist.
Und wenn jemand mit Demokratie kommt: ich erwarte von den demokratischen Parteien, dass sie demokratiefeindliche Parteien ignoriert.
@Daniel: Und wenn die AfD Anträge zur Mietensenkung, zur autofreien Innenstadt, zur Verdoppelung von Hartz4 usw. einbringt?
Dann sind sie prinzipell abzulehnen?
Weil das die Polital Correctness so verlangt?
Oder wird ein Komma verändert und der Antrag als eigener ausgegeben und neu eingebracht? So wie es eine gewisse Frau Merkel immer gemacht hat?
@Guardian
Nice, danke für die Antwort. Ich sehe zwar einen Unterschied zwischen der Erinnerung an „alle“ und der (zeitliche sehr viel späteren) Projektion auf einen Einzelnen, kann Deinem Standpunkt aber nachvollziehen. Es darf jedoch nicht nur das Tun beurteilt werden, sondern auch die Gründe dafür. Und der gesellschaftliche Wirkaspekt kommt mir da etwas kurz. Dafür war meine Frage aber auch viel zu unkonkret.
Dass das Instrumentalisieren grundsätzlich kritisch zu bewerten ist, sind wir uns einig. Hinterfragen und Differenzieren kommt häufig zu kurz. Dass das früher bedeutend anders war, ist ne steile These ;-)
Na ja. Und so. Falls ich mich nicht irre, kämpfte das Lützowsche Freikorps auch gegen so nen Franzosen, der ganz Europa mit Krieg überzog. Dem wiederum eilte wohl nicht der Ruf voraus, überaus zärtlich zu den Feinden zu sein. Ist schon ne Sauerei, dass die Überfallenen ihm nicht entgegenriefen: „Üsch abe düsch lübe“. Sauerei.
Aber wie schon angedeutet. Unnötige Anstrengung und Verantwortung sollte man so oft wie möglich und tunlichst vermeiden. Und immer wenn sich’s Ego meldet, muss man halt über andere herziehen und diese nieder machen, um sich selbst geiler zu fühlen. Was stört’s, dass das eigentlich billig ist. Nur, mit Lebenden sollte man das nicht tun, die könnten sich wehren. Über Verstorbene soll man nicht schlecht reden. Also blickt man Jahrhunderte zurück, und urteilt die damalig Lebenden „auf’s Entschiedenste“ ab. Und wehe irgendeiner sagt, dass die vom Thema so viel Ahnung haben wie 3-Jährige vom Winterreifenwechseln (was ja aber eh nur hindern würde). Dann geht’s Geheule los.
Na ja, nur eine kurze Ergänzung. Und danke Daniel, dass du den Anderen verdonnerst, was die zu tun haben. Quarkdenker gibt’s aus allen Richtungen. ;-)
@Guardian:
Es geht nicht darum, was sie einreichen. Man muss nicht mit Argumenten kommen, dass der Kontext fehlt oder Körner ein Kriegstreibler ist. Antrag abgelehnt „weil von der AFD“ reicht völlig. Ist wie auf dem Schulhof: man spielt nicht mit Nazis.
Und sollten sie mal einen sinnvollen Antrag haben, habe ich nix dagegen, wenn er von einer demokratischen Partei nochmal eingereicht wird, da muss noch nicht mal ein Komma geändert werden.
Das hat nix mit PC zu tun. Die sind mir einfach komplett zuwider. Und ich bin kein linksgrün Versiffter. Wenn Du gerade in London wegen der Arbeit weilst, arbeiten wir vielleicht sogar in derselben Branche.
@ GUARDIAN
Recherchiere mal: Kriegsbeginn 1. Weltkrieg
Hallo @Heino, ist das Satire oder soll das ne Polemik sein? Ich peil’s nicht. Würde es gern verstehen, will Dir aber nicht Unrecht tun, nur weil ich’s nicht check.
An Daniel volle Zustimmung. An manch einer Stelle für mich zu absolut formuliert. Nur der Schulhofaussage würde ich widersprechen.
@Stephan:
Ohne die Zusage Deutschlands mitzumachen, hätte sich Österreich-Ungarn nicht getraut Serbien den Krieg zu erklären.
@Daniel:
Deine Aussagen haben was von Buddelkasten. „Der muss böse sein, der hat rote Haare“ Und nein, ich muss in London nicht arbeiten, ich verbringe hier immer mal wieder eine paar schöne Wochen.
„Klischees oder Stereotypen‘ erlauben im täglichen Leben die schnelle
und keine Begründung erfordernde Abwehr dessen, was dem eigenen
Lebensrahmen gegenüber fremd erscheint. Dabei wird die eigene
Lebenswirklichkeit als Norm gesetzt; was davon abweicht, ist demzu-
folge abnorm und unterliegt gestaffelten Abwehrformen vom Belä-
cheln bis zur nackten Gewaltanwendung“.
Auszug aus;
Brigitte Sändig,
Die Macht des Klischees.
@Spatz: Lieben Dank, dass du mir kein Unrecht tust, nur weil du irgendwas nicht „checkst“.
Vielleicht nimm das Nicht-checken zum Anlass für etwas Mühe, um es irgendwann doch noch zu checken. Nur so lernt man im Leben dazu und der Geist bleibt flink und rege.
Nebenbei, ich check nicht was du nicht checkst.
Hier noch ein kurzer und interessanter Historikerartikel zum Thema, schon etwas älter aber just die Tage neu veröffentlicht, daher fand ich ihn gerade:
https://www.welt.de/geschichte/article119663943/Befreiungskriege-Frauen-kaempften-ganz-vorn-gegen-Napoleon.html
„Lieben Dank, dass du mir kein Unrecht tust, nur weil du irgendwas nicht „checkst“.“ Da scheinen wir uns in mindestens einem Punkt zu unterscheiden. Aber hab Dank, Deine Antwort war völlig ausreichend ;-)
Bei Interesse hätte ich noch Platz in meiner Dunning-Kruger-Selbsthilfegruppe.