Scheune-Vorplatz im Sommer 2019: Zwei oder drei Männer streiten sich, dann wurde es handgreiflich. Eine Polizeistreife fährt vorbei, dann beginnt die Rauferei erneut, verlagert sich auf die Straße, die Fäuste fliegen. Schließlich zieht einer der Männer ein Messer, ein anderer bricht blutend zusammen. So sind die ersten Zeugenaussagen, noch ist viel unklar. Das Gericht hat vorerst sieben Verhandlungstage angesetzt.
Am Landgericht Dresden hat gestern der Prozess gegen Chadi S. begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im Sommer 2019 einen Mann auf der Alaunstraße in Höhe der Katharinenstraße tätlich angegriffen und mit einem Messer lebensgefährlich verletzt zu haben, versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Das Opfer erlitt zwei Stichverletzungen in Bauch und Brust.
Dabei wurde die Schlagader im Brustkorb und ein Herzbeutel verletzt, wegen des akuten Blutverlustes brach der Mann zusammen, er musste reanimiert und in ein künstliches Koma versetzt werden. Der Mann wurde im Uniklinikum behandelt.
Keine Aussage zur Tat
Zum Prozessauftakt machte der Angeklagte einige Aussagen zur Person, zum Sachverhalt selbst wollte er sich nicht äußern. Auch bei den persönlichen Angaben muss der Vorsitzende Richter Herbert Pröls intensiv nachfragen. Chadi S. ist 33 Jahre alt, nach Schule und Ausbildung in Tunis kam er 2011 nach Italien, wurde dann aber wieder abgeschoben. In Tunesien landet er wegen Drogendelikten im Gefängnis, nach der einjährigen Haftstrafe versuchte er erneut sein Glück in Europa. „Ich wollte einfach ein besseres Leben“, übersetzt der Dolmetscher. Über Italien kam er dann 2017 nach Deutschland, hier beantragte er Asyl und er wird nach Dresden geschickt, lebt hier in einer Unterkunft auf der Großenhainer Straße.
Er kommt aus armen Verhältnissen, erzählt er, sein Vater sei Automechaniker gewesen, inzwischen aber verstorben. Mit Alkohol und Chrystal habe er so seine Probleme gehabt. Die Drogen will er von dem Geld, was ihm das Sozialamt gebe, bezahlt haben. Drogen waren auch im Spiel als er schon einmal einen Zusammenstoß mit einem anderen Mann auf der Alaunstraße hatte, mehrere Cliptütchen mit Marihuana wurden damals beschlagnahmt.
Am Abend des 8. August 2019 kam es dann zu dem Vorfall vor der Scheue, seit dem 10. August ist Chadi S. in Haft. Für den anderen Delikt wurde er bereits verurteilt und hat die Strafe schon abgesessen, aktuell befindet er sich in Untersuchungshaft.
Urteil im Januar
Erster Zeuge zum Prozessauftakt ist ein Kriminaloberkomissar. Er berichtet von dem Einsatz an der Kreuzung Alaun-, Katharinenstraße. Vier Zeugen habe die Polizei vor Ort vernommen. Ein Hinweis auf den Täter sei von einem Imbiss-Besitzer gekommen, von einem Spätshop-Besitzer kam ein Hinweis auf zwei weitere Tatverdächtige, die wurden dann vorläufig festgenommen, hatten aber mit der Tat dann doch nichts zu tun.
Das Gericht wird nun weitere Zeugen hören, unter anderem die Personen, die am Tatort dabei waren. Das Gericht muss auch klären, ob Chadi S. überhaupt der Täter ist und wenn, ob er sich des versuchten Totschlags (§ 212 StGB) schuldig gemacht hat oder ob es nur ein minder schwerer Fall ist (§ 213 StGB). Mit einem Urteil ist im Januar zu rechnen.