Elektronisch-träge Rhythmen, eine melancholische Trompete und vor der Kulisse des verwaisten Ostpols die Frage, ob andere genauso wie man selbst vom Gefühl der Einsamkeit heimgesucht werden. Das neue Musikvideo der Big Bullet Allstars fängt erbarmungslos, aber humorvoll die Tristesse des Corona-Alltags ein.
Mehr als grauer Alltag
Derselben mit Tee und Bier unterm Weihnachtsstern entfliehend, plaudern Gitarrist Bernd und Sängerin Kristin über den Bandalltag und die Entstehung ihres jüngsten Werks „Sunday“. „Das Lied hatte ich schon vor längerer Zeit geschrieben, eigentlich für eine andere Band“, verrät Bernd, der mit der hiesigen Kreativ-Szene vielfältig verbandelt ist. „Diesen Frühling fand ich dann, dass die Thematik gut zum Lockdown passt und habe das Material fürs Video gedreht.“
Es handelt von Menschen und Orten der Neustadt in unterschiedlichen Zuständen der Lethargie und der Schwierig- bis Unmöglichkeit, sich ihrer privat, geschweige denn in Gastronomie, Handel oder Kultur zu erwehren. Immerhin – am Ende der in passenden Grautönen hinterlegten Einsamkeitsszenen gibt’s dann doch ein Lächeln, das nur ein Minimum an Wohlwollen erfordert, um wenig zynisch, mehr als hoffnungsvolle Gelassenheit interpretiert werden zu können.
Bis aus diesen Bildern dann aber das fertige Video wurde, dauerte es noch mal eine Weile, folgten dann doch einige unbeschwertere Monate, in denen das Projekt allerdings nicht flach-, sondern weiterer Entwicklung unterlag. Zu der hat auch Kristin als jüngstes Bandmitglied nicht unwesentlich beigetragen. Seit etwa anderthalb Jahren stellt sie ihre Stimme und ihre Ideen neben der musikalischen Bildung mehr oder minder ambitionierter Schüler*innen auch den Big Bullet Allstars zur Verfügung.
Ein etwas anderer Kegelverein
„Ich brauche das einfach, Musik zu machen. Dabei alles mögliche auszuprobieren und weiterzuentwickeln“, erklärt sie ihre Herangehensweise, mit der sie sich in der Band gut aufgehoben fühlt. Denn die ist weit entfernt davon, nach einem starren Schema zu musizieren, wenngleich sie sich genremäßig eindeutig im Reggae verortet. „Dass wir so viel experimentieren können, liegt aber auch daran, dass wir alle noch andere, und ganz verschiedene Berufe haben“, meint Bernd. Da sei kein Druck da, kommerziell erfolgreich zu sein, es gehe einfach ums Musikmachen.
„Andere treffen sich einmal die Woche im Kegelverein, wir eben im Proberaum“, grinsen die beiden. Ein bisschen aber richtet sich die Musik natürlich auch ans Publikum, das bestenfalls irritiert, immer jedoch begeistert werden soll auf den Konzerten, die vor allem in Dresden stattfinden, regelmäßig zum Beispiel auf der BRN, in der Groovestation oder in der Chemiefabrik. Zumindest in Zeiten, in denen es Konzerte geben kann.
In froher Erwartung
Weil das gerade eher heikel ist, wird seit einer ganzen Weile die Veröffentlichung des zweiten Albums herausgeschoben. Fix und fertig wartet es auf auf release-würdige Umstände, während nebenbei schon wieder ganz neue Titel entstehen. Von der wahren Lethargie sind die insgesamt acht Musizierenden also noch ein ganzes Stück entfernt. Blasen auf Trompeten und Posaunen der winterlichen Wehmut jamaikanischen Schwung entgegen.
Darin sind sie ganz gut geübt, ist es schließlich mittlerweile über 15 Jahre her, dass sich Bernd und ein paar Freunden in zarter Jugendzeit beim konspirativen Müßiggang vor der Scheune der Einfall aufdrängte, fortan gemeinsam der Liebe zur Musik zu frönen. Seitdem wechselten Namen und Teile der Besetzung, die Idee jedoch blieb dieselbe. Wie schön für alle Fans des lokalen Reggae, die die Vorfreude auf das neue Album und die nächsten Auftritte nun einstweilen mit dem Erscheinen von „Sunday“ überbrücken und davon gleichermaßen getröstet werden mögen.