Wir schreiben das Jahr 1754. In Nordamerika kämpfen Frankreich und Großbritannien um die Vorherrschaft, Kaiserin Maria Theresia gründet in Wien die Akademie für Orientalische Sprachen, während Papst Benedikt XIV. stirnrunzelnd per Konzil den argen Faux-Pas auszumerzen sucht, brave Katholik*innen auf muslimische Namen zu taufen. Und in Dresden wird das Haus gebaut, das heute als ältestes der Äußeren Neustadt erhalten geblieben ist.
Die „Drei Kronen“ und ihre Gäste
Wie viele gute Geschichten ging alles mit Bier los. Das heißt, mit dem Ehrgeiz eines gewissen Christian Rensch, auf seinem frisch erworbenen Grundstück auf der heutigen Bautzner Straße 60 eine Schankstätte zu eröffnen. Obwohl in ziemlicher Nähe bereits eine solche existierte und der König zudem „allerhand Unordnung in Aufenthalt und Beherbergung von allerhand liederlichen Gesindels“ fürchtete, erhielt Rensch dank der richtigen Beziehungen schließlich seine Konzession und das bis dahin längst fertiggestellte Haus wurde offiziell zum Gasthof „Drei Kronen“.
Als solcher beherbergte und verköstigte er über ein Jahrhundert lang unter wechselnden Eigentümerinnen und Wirten allerlei durstige Münder. Wie berechtigt die königlichen Befürchtungen betreffs des Klientels auch immer waren, die Kultur war sich jedenfalls nicht zu schade, hier ein- und auszugehen. Schauspieltruppen, Musikerinnen und Schriftsteller logierten in den „Drei Kronen“, darunter auch Richard Wagner, der zur 1820 Zeit seines Aufenthalts zwar erst sieben Jahre zählte, aber dennoch heute mit einer Bronzetafel an der Häuserwand gewürdigt wird.
Turbulente Zeiten
1888 war dann schließlich Schluss mit dem Gastbetrieb. Das Dachgeschoss und die beiden Obergeschosse (1860 war das Haus um eine Etage aufgestockt worden) dienten weiterhin als Wohnraum, im Erdgeschoss quartierten sich fortan verschiedene Läden ein, zwischendurch beherbergte es jahrzehntelang eine Tischlerwerkstatt. Mit der gemeinsam überstand die Bautzner Straße 60 auch den Bombenangriff im zweiten Weltkrieg, im Gegensatz zu großen Teilen der Nachbarschaft vollkommen unbeschädigt.
Was der Krieg nicht geschafft hatte, bewirkten dann der natürliche Verfall und 1980 ein missglückter Sanierungsversuch, der aufgrund der schwierigen ökonomischen Lage der Tischlerfamilie mit Geldern aus der DDR-Staatskasse bestritten wurde. Für die Erneuerung des Fassadenputzes verwendete man die falschen Materialien, sodass die Wohnungen von Schimmel befallen wurden und schließlich gesperrt werden mussten. Einige Jahre später gab die Eigentümerin das Gebäude an die nebenanliegende Diakonissenanstalt ab, die es sanierte und 2018 wiederum in andere Hände legte.
Ein neues Kapitel
Und zwar in die von Dr. Matthias Wiegleb, seines Zeichens Wahl-Neustädter, Neurochirurg und Denkmalliebhaber. An einem kalten Januarmorgen treffen wir uns vor dem Schmuckstück, das seit letztem Frühjahr in alter neuer Pracht erstrahlt. Viel Arbeit und Sorgfalt (nicht zuletzt vom Architekturbüro Andreas Schwarzenberger) steckt drin, sollte es doch möglichst getreu an seine Ursprünge zurückgeführt und bauliche Details erhalten werden. Dabei wusste Matthias am Anfang gar nicht um die ganze historische Bedeutung, die er erst mit seiner Neugier und der Hilfe von Zeitzeuginnen und Geschichtsversierten nach und nach zutage förderte.
Mit der Faszination darüber wuchs auch das Bedürfnis, sie zu teilen. Deswegen die Richard-Wagner-Tafel, deswegen sogar ein Buch, das sehr anschaulich die Vergangenheit des Hauses aufarbeitet. „Es ist kein Schloss, aber hier haben viele Menschen gelebt; es ist ein Stück Bürgergeschichte“, begeistert sich Matthias und erzählt mir, wie bei den Bauarbeiten eine Flaschenpost aus dem Jahre 1888 gefunden wurde, in denen Maurer ihre Liebe zum Bier bekunden.
Währenddessen wird im Erdgeschoss fleißig gewerkelt. Im Gegensatz zu den drei Wohnungen, die sofort vermietet waren, war es gar nicht so leicht, auch die beiden Geschäftsräume wieder mit Leben zu füllen. Denn es sollte etwas besonderes sein, irgendwie zum Haus passen.
Dieser Aufgabe nimmt sich nun Björn an, indem er sich in dem einen Raum ein Studio für seine anspruchsvollen Tattoos einrichtet. Auch den anderen Raum, in dem momentan ein Corona-Testzentrum Zwischenstation macht, möchte er später mitnutzen, als Galerie und Kunstort.
Die Geschichte des ältesten Hauses der Neustadt ist also noch lange nicht zu Ende geschrieben.
Wer sie noch detaillierter nachlesen, mehr auch über die unmittelbare Nachbarschaft und ihre Entwicklung lernen möchte, kann das auf den 104 Seiten des im Sanierungsprozess entstandenen Buches tun. „Zwischen Bautzner Straße und Holzhofgasse. Entdeckungen in Dresdens Äußerer Neustadt“ von Romy und Matthias Donath und Andreas Schwarzenberger ist 2021 im Donatus-Verlag erschienen und für 39,95 Euro zu haben.
Im Shop des Verlags wird das hier beworbene Buch nicht für 34,95 € angeboten, sondern mit 39,95 € bepreist – plus Porto&Verpackung. Das ist eine ganze Menge Holz für gerademal 104 Seiten, oder?
Hörte 2021 schon vom Erscheinen und freute mich sehr, daß über ein einzelnes Gebäude der Äußeren Neustadt und seine Umgebung ein Buch verfasst wurde. Nehme vom Kauf ob dieses Apothekenpreises aber besser Abstand – und warte lieber, bis es in zwei, drei Jahren in der Bücherkiste des (z.B.) Thalia zu finden sein wird.
Schade!
Danke für den Hinweis. Ist korrigiert.
Sehr geehrter Herr Tomski,
das von Ihnen erwähnte Buch hat eine hochwertige bibliophile Ausstattung mit Schutzumschlag, Hardcover und stabilem Papier. Es ist großformatig und enthält viele historische Fotos, Ansichten und Pläne aus dem Stadtviertel vor dem Schwarzen Tor. Schon das ist einzigartig. In diese Ausstattung hat ein Verlag investiert, der sich durch den Verkauf der nicht sehr großen Auflage refinanzieren muss. So errechnen sich eben Buchpreise. Was ich definitiv ausschließen kann, ist, dass dieses Buch über Thalia & Co. verramscht wird. So etwas machen Kleinverlage mit Herz (!) und Anspruch nicht…
@ Matthias Donath:
Lieber Herr Donath,
als ich meine Kommentar schrieb, war ich – das muss ich eingestehen – ob des aufgerufenen Preises schon etwas konsterniert. 40€ für reichlich 100 Seiten mag ich mir nur selten leisten. Über die Preisgestaltung bei Kleinverlagen mache ich mir dabei nur wenig Illusionen, da bleibt in aller Regel beim Verfasser nur wenig „hängen“. Trotz des Umstandes, daß in solchen Publikationen zu Spezialthemen allermeist jahrelange Recherche und ungezählte Stunden Arbeit stecken.
Nicht wenige Bücher aus solchen Kleinverlagen wie dem Ihren füllen meine Regale: sehr viel Regionalia ist darunter, viele auch mit gutem Preis-Leistungsverhältnis. So manches Werk, was mir ursprünglich zu teuer war, fand ich dann Jahre später im Neuzustand für einen Bruchteil des Preises – daher auch meine Bemerkung mit Thalia&Co. Mögen Sie mir diese bitte verzeihen.
Ich stelle mir den Prozess der Preisfindung für eine solches, Pardon!, Nischenwerk wirklich nicht leicht vor: der Kreis der potentiellen Käufer dürfte ein sehr überschaubarer sein, kann man von diesen wenigen Interessenten wirklich einen solchen Preis verlangen, oder läuft man damit Gefahr, auf dem größeren Teil der Auflage „sitzen zu bleiben“?
Gewiss nicht einfach!
Was ich Ihnen aber gern versprechen kann: sobald ich das Buch in die Finger bekomme, werde ich es genau studieren – und erst danach abwägen, ob mir die Investition gerechtfertigt erscheint. Denn schamesrot gestehe ich, daß ich mich hier ja zu etwas äußere, was ich noch nicht einmal gesehen habe…
Und da ich Sie hier gerade „an der Strippe“ habe:
Ihr Name wurde mir zuerst durch dieses wunderbare Publikatiönchen zur Architektur der Zeit 1933-1945 in Dresden bekannt. Das war sehr erhellend, und hat so manchen Baustein zu meinem Wissen über die Topographie der Stadt geliefert. Wundervoll, vielen Dank dafür! Es hätte sehr gern umfangreicher ausfallen dürfen!
Auch die Reihe zu den Schlössern und Herrenhäusern in Sachsen hat mir einigen Wissenszuwachs und so manche interessante Wanderung zu den beschriebenen Orten bescheert – auch hierfür meinen wärmsten Dank!
Mit ganz freundlichen Grüßen!
Der Tomski.
Hallo Tomski, vielleicht kann ich helfen, wir haben ein Exemplar in der Redaktion, kann ich Dir ja leihen.