Robert E. Smith präsentiert „I‘m your Stalker“ als Quartett und mit „Hollow“ eine erste Scheibe auf Vinyl.
Robert Schmidt ist Neustädter und Musikfreak. Er ist stadtbekannt, weil er neben seiner kleinen Ein-Mann-Agentur „Blood Service“, die sich vor allem mit seiner Leib- und Magenmusik im Ostpol einnistet, mit Starclub, Aust-Konzerte und Groovestation drei Konzerttempel der Landeshauptstadt in der Arbeitsbiographie stehen hat.
Doch der Start des gebürtigen Riesaers als Konzertmanager war schon im Alter von 16 Jahren im heimischen Jugendhaus erfolgreich: „Hund am Strand“ kamen 2004 mit ihrem frischen Hit „Alle Jungen, alle Mädchen“ – auf seine Einladung und sein belohntes Risiko. Denn der Laden war mit 150 Leuten voll, eine Berufung entdeckt. Nach Abi und Zivildienst zog er mit 19 nach Dresden, wo mehr oder minder nebenberuflich noch diverse Studien an der TU (Anglistik, Soziologie und Geschichte) wagte. Doch der eigentliche Nebenjob, eigentlich zum Überleben gedacht und mit Hilfsarbeiten wie Kistenschleppen gestartet, ward immer aufwendiger.
Smith: 2007 geboren
Über Robert E. Smith und sein Projekt „I’m Your Stalker“ zu sprechen, bedeutet allerdings eine kleine Zeitreise, rund anderthalb Dekaden zurück – ins Jahr 2007, wo das erste Iphone die Ära der smarten Wanzen einläutet, Spotify in Schweden programmiert wird, Myspace heißer Scheiß und Facebook noch ein Insider-Tipp ist. So beschreibt Schmidt die Grundlage von Smith, die nun im Herbst 2021 in der Erscheinung der EP „Hollow“ gipfelte und eigentlich am 16. November vor hundert Leuten im Ostpol erstmals live präsentiert werden sollte. Es kam was dazwischen.
Schmidt kann perfekt schreiben, auch über sein Alter ego: „Robert E. Smith ist da 23 Jahre alt und ernährt sich derweil von Toastbrot mit Salz, arbeitet als Barkeeper, kleiner Konzertveranstalter oder DJ – und startet sein Projekt I’m Your Stalker. Der sperrige Name als künstlerische Spiegelung des infantilen Gefühls des Außenseiterseins, der inneren Einsamkeit und der eigenen dystopischen Gedanken in Bezug auf die Wirklichkeit.“ Da auch Zitieren eine Abart des Stalkens ist, fällt beides unter die humane Gabe der Beobachtung – und die ist Smith alias Schmidt (oder umgekehrt?) durchaus gut gegeben.
Denn: „Bereits einige Jahre zuvor sortierte Robert in Live-Venues wie dem Starclub (heutiger Beatpol) Leergut oder schleppte Backline. Dabei kam er in den Genuss Künstler wie Death Cab For Cutie, Howie Gelb, Grandaddy, Joanna Newsom, Mclusky, The Fall, Evan Dando, Calvin Johnson oder American Analog Set live zu sehen. Von vielen Geschichten und Gesprächen mit all jenen getrieben, verschrieb er sich mehr und mehr dem DIY-Musik-produzieren.“
Booker in der Groovetation
Wichtiger war dabei der Berufsakademie-Abschluss als Betriebswirt, den er in seiner Zeit bei Rodney Aust absolvierte. So erlebte er AC/DC in der Flutrinne und den Start der Sommerkonzerte in der Jungen Garde live wie aktiv mit: „Wir waren wenige Leute, aber ich glaube doch saugut in dem, was wir taten.“ Irgendwann begann die Arbeit allerdings so zu schlauchen, dass gesundheitlich eine Auszeit zwingend nottat. 2017 war das, ein halbes Jahr später nahm er eine halbe Stelle als Booker in der Groovestation an.
Diese endete in der Corona-Zeit vor reichlich einem Jahr, jetzt arbeitet er zeitlich befristet im Societaetstheater und fühlt sich ob des angenehmen menschlichen Umgangs sehr wohl. Und hat zudem die Luft für den Nebenjob als sich eigenständig selbstausbeutenden Agentur- wie Labelbetreiber. Und – seit dem ersten Shutdown – auch wieder für eigene Musik.
Vom Soloprojekt zum Netzwerk
Dieses Faible begann schon mit 14, um als Schülerband Songs von Oasis oder Tocotronic zu covern. Robert spielte erst Bass-, dann Leadgitarre in verschiedenen Konstellationen. Dazu kam die Beliebtheit als DJ-Trio namens Star Sheriffs, die finanziell eine gewisse Unbefangenheit ermöglichte. In Dresden folgte der Einstieg in ein Studententrio namens Theodor Angst, man war durchaus eine Zeitlang gut unterwegs. In Zeiten von Paul Simang in der Scheune war er zudem drei Jahre monatlich für die Freitagsdisco im Foyer zuständig. Eine Tradition, die sich mit der Eröffnung vom Ostpol – hier unter dem neuen Label Culture Club – fortsetzte.
Dazwischen folgten Phasen der einsamen Musikkreation, der jetzige Bandname, einige Solokonzerte sowie etliche Titel stammen aus jener Zeit. „Ich habe den Kram zu Hause aufgenommen, immer mal ein paar Demo-CDs von der Spindel selbst gebrannt und dann verkauft oder verschenkt – eine echte Veröffentlichung gab es nie“, erzählt er von jener Ära mit rund 20 Auftritten. Ab 2010 blieb dann fürs Liebäugeln mit einer etwas ernsthafteren Musikkarriere keine Zeit mehr. Plattenauflegen und Konzertveranstalten – „Kleinkram aus Liebe zur Musik“, wie er sagt – behielt er hingegen en passant bei. Dresdner Musikfreunden dürften die Dresdner Konzerte von King Gizzard & The Lizard Wizard, The Oh Sees, Isolation Berlin und Gurr bekannt sein, die seinem Antrieb entstammten.
Wiedergeburt des Stalkers
Die nunmehrige Wiedergeburt des Stalkers – auch auf Drängen seines Ex-Angst-Schlagzeugers – war dabei recht einfach. Denn schon seit 2012 leistet er sich permanent einen eigenen Probenraum. Nun war im gemeinen Kulturkoma mehrfach Zeit, die alten Sachen aufzupeppen und ins Netz zu stellen. Andererseits konnte die Band richtig proben. Boy John, Bernd van den Broederikken und Darké Fux Sake Bell sind sein Stalker-Grand mit vier Buben. John an Synthesizer und Bass kennt er noch aus Riesaer Zeiten und legt mit ihm gemeinsam als DJ auf. Bernd an Keyboard und Gitarre ist stadtbekannter Lichttechniker und Simon jener Schlagzeuger, der sich als IT-ler die Arbeitszeit relativ frei einteilen kann.
Wichtig ist Schmidt noch etwas: Das gestrickte Netzwerk gipfelt in Artwork, Merch und Bandfoto. Im Boot sind die Dresdner Künstlerin Claudia Kleiner, Michael „Spacke“ Kremer und die Musikerin, Radiomacherin und Fotografin Susann Bürger. Und auch das geplatzte „Hollow“-Release-Konzert mit Spezialgast & Party im Ostpol, das überhaupt zweite in neuer Bandbesetzung, hat schon einen neuen Termin am Horizont: 29. März 2022.
Einige der edlen Vinyl-Scheiben mit sieben Titeln sind im Eigenvertrieb als haptisches Ergebnis über die eigene Netzpräsenz oder als elektronische Datei via Bandcamp bestellbar. Dort sollten sie noch exklusiv zu haben sein. Wer es nicht erwarten kann und Netzkäufe gern meidet, kann es auch in Echtzeit in der Neustadt erwerben. Die Fachgeschäfte „Zentralohrgan“, „Fat Fenders“ oder im „Drop out“ freuen sich über die Nachfrage.
I’m Your Stalker
- Weitere Infos unter: blood-service.com/artists/im-your-stalker
Hut ab für den Werdegang. Was alles so passiert, während man weg ist. :-)
Viel Erfolg mit dem Projekt!