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Kloake am Albertplatz

Es stank, wenn die Sonne schien, es stank, wenn der kalte Winter sich aus dem Elbtal verzog und es stank, wenn nach einem Regenguss tags darauf die Erde trocknete. Und im Sommer war hier ein wahres Paradies für Mücken und Frösche. Nun ja, man war schon daran gewöhnt. Zum Glück gewöhnt sich unser Riechorgan schnell an die unterschiedlichen Düfte, die eine Stadt heimsuchen können. Zumal in einer Zeit, als die Beseitigung der Abfälle und Abwässer noch ein Problem darstellte.

Mit diesem Gestank befinden wir uns zeitlich in den frühen fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts an der nordöstlichen Ecke des heutigen Albertplatzes und zwar vor dem 1812 abgerissenen Schwarze oder Bautzner Tor, welches man aus Richtung Königsbrück oder Bautzen passieren musste, wenn man über die Hauptstraße und die Friedrich-August-Brücke in die Residenz wollte.

Karte von Dresden, um 1750 - die Innere Neustadt liegt hier im Innern der später geschleiften Festungsmauer
Karte von Dresden, um 1750 – die Innere Neustadt liegt hier im Innern der später geschleiften Festungsmauer

Ein kleines Eckchen und ein großer Streit

Nach dem Schleifen der Festungsanlagen begann 1817 die Gestaltung dieses freien Platzes vor dem Tor. Und 1829 erhielt diese Fläche den Namen Bautzener Platz. 1871, nach der Gründung des Deutschen Reiches, benannte man ihn nach dem Kronprinzen Albert, der zwei Jahre später seinem Vater, dem König Johann, auf den sächsischen Thron folgte.

Aber wo sollte da eine Kloake sein? In den gängigen Geschichtsbüchern ist diesbezüglich nichts zu finden. Aber es gab diffuse Erinnerungen. Nichts Genaues wusste man auch an einem Stammtisch im Albert-Café am Albertplatz Nr. 8. Die Meinungen dazu wogten hin und her an diesem Abend Anfang Januar 1912. Ihre Exzellenzen Generalleutnant von Larisch und Generalleutnant von Hennig, beide wohnten gegenüber des Platzes am Eingang zur Königstraße, verneinten kategorisch die Anwesenheit einer Kloake am Orte des Königlichen Schauspielhauses, dem Alberttheater, und versahen die Behauptung mit dem Etikett der Blasphemie.

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Demgegenüber war der Pfarrer der Katholischen Kirche am Eingang zur Hauptstraße, Konsistorialrat Alexander Hartmann, der Ansicht, schon einmal etwas von einem Teich gehört zu haben. „Wohl in einer Beichte von einem Schäferstündchen“, meinte spöttisch der protestantische General von Larisch. Entnervt schüttelte der Pfarrer sein Haupt. Augenarzt Dr. Treutler winkte ab und warf dem General einen bösen Blick zu. Privatier Konrad Reichel fand dann den Vorschlag zur Güte, um die Stimmung nicht zu verderben. Man solle sich doch an die Zeitung wenden, hier fände sich neutraler Rat. Dem stimmte auch das Militär zu. Gesagt, getan.

Es kam Licht ins Dunkel

Es meldeten sich doch tatsächlich zwei alteingesessene Dresdner aus der Äußeren Neustadt, die sich an einen stinkenden Tümpel auf dem Gelände des ehrwürdigen Alberttheaters erinnern konnten. Und von der Zeit her mussten diese ziemlich alt gewesen sein. Bevor die Zeitzeugen zu Wort kamen, bestätigte der Redakteur der Dresdner Nachrichten am 22. Januar 1912 die Vermutung vom Konsistorialrat Hartmann. „Dem gemütlichen Stammtisch vom Albertplatz möchte ich zur Beruhigung mitteilen, dass sich Mitte der fünfziger Jahre (des 19. Jahrhunderts) in der Tat ein kleiner Teich auf dem Areal des Schauspielhauses sich befunden hat.“ Den Beweis blieb er in besagter Veröffentlichung schuldig.

Dresdner Nachrichten von 1912
Dresdner Nachrichten von 1912

Der erste, der sich in einem für damalige Verhältnisse gesegnetem Alter von über 70 befindlichen Zeitzeugen, erinnerte sich unter dem Kürzel O.S. an folgendes: „Am Westende (des Teiches) befand sich eine kleine Brücke zur Verbindung des Promenadenrundweges1 mit der Alaunstraße. Der Teich war meist mit grünem Schleim überzogen.“ Daher wohl auch eine der Ursachen des Gestanks und der Mückenplage mit all den Folgen für die Gesundheit im Umfeld. „Ob im Winter Schlittschuh darauf gelaufen worden ist, dessen kann ich mich nicht entsinnen, aber die Kinderwelt tummelte sich gern darauf, um zu rutscheln.“ (Letzteres Wort war kein Schreibfehler, sondern wurde so von unserem älteren Mitbürger geschrieben.)

Dann ließ das Erinnerungsvermögen nach und O.S. begab sich auf das Feld der Spekulation. „Vielleicht war der Teich ein Rest vom alten Festungswallgraben oder, was wahrscheinlicher, ein Ablauf des 1836 erbohrten Artesischen Brunnens.“2 Beide Annahmen lassen sich heute nicht mehr herausfinden.

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Aber wir haben noch einen zweiten Zeugen mit dem Kürzel R.K.. Er brachte eine neue Sichtweise ins Spiel. „In den fünfziger Jahren (des 19. Jahrhunderts) waren daselbst zwei sogenannte Teiche vorhanden, einer größer und ein kleinerer. In Wirklichkeit waren es aber große Senkgruben zur Aufnahme der Straßenabfallwässer aus den Straßengräben der Bautzner und der Königsbrücker Landstraße. Die Teiche waren mit Strauchwerk umpflanzt. Für uns Dreikönigsschüler waren es die Jagdgründe auf Frösche, Kaulquappen und anderes Sumpfgetier. Auch beim Botanisieren fanden wir immer gute Ausbeute.“

Auch diese Version ließ die Gegend erstinken und war ein Mücken- und Krankheitsnest. Welche Variante nun die Richtige sei oder ob beide stimmen, lässt sich heute, zumindest mittels der mir zugänglichen Unterlagen, nicht mehr eindeutig klären. Fakt scheint nur zu sein, dass es diesen oder diese Teiche gegeben hat. Damit gab sich jedenfalls vor 100 Jahren der hochwohlgeborene Stammtisch im Albert-Café zufrieden.

Alberttheater - Postkartenmotiv von 1913
An Stelle des ehrwürdigen Alberttheater soll sich einst ein übel riechender Teich befunden haben – Postkartenmotiv von 1913

Anmerkungen des Autors

1 Der Promenadenring entstand nach der Abtragung der Neustädter Festungsmauern und verlief etwa von der Kreuzung Kleine Marienbrücke; Robert-Blum-Straße rechts ab über die Theresienstraße, quer durch das Wohngebietsviertel bis zur nördlichen Seite des Albertplatzes und mündete in die Königsbrücker und Bautzner Straße. Die Hauptstraße war in den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts DIE Flaniermeile der Residenz.
2 siehe dazu mehrere Beiträge in der Suchfunktion des Neustadt-Geflüster unter anderem hier.


Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.