Ihr neuer Song “When I drop my mask” ist erst seit vier Tagen draußen und schon bei zwölftausend Clicks, die erste EP veröffentlicht, die Europatour schon geplant. Der Sound ist mitreißend, Tight Clique scheint eine vielversprechende Newcomer-Band mit Sitz in Dresden. Neustadt-Geflüster hat sie zum Gespräch in ihrem Tonstudio getroffen und sich mit ihnen über Herzschmerz, legendäre Konzerte und das „Louisenstraßen-Phänomen“ unterhalten.
Modern, hölzern und gemütlich wirkt das Tonstudio, in dem Moritz und Titus von Tight Clique für gewöhnlich proben dürfen. Sogar einen Blick auf die Elbe gibt es, die Neustadt lässt sich hier in Übigau am Horizont erahnen. „Manchmal verbringen wir hier vier Tage am Stück, wenn wir aufnehmen“, gibt Titus zu. Ausgestattet sind die Räumlichkeiten: Es gibt Küche, Schlafcouch und zum Duschen könnte man ja in die Elbe nebendran springen.
Intensiv scheint es zu sein, wenn die beiden hier zusammenkommen, um zusammen zu proben, aufzunehmen und kreativ zu sein. Kein Wunder: Die Musik scheint ein ständiger Begleiter in ihrem Leben, seit dem Sandkasten, in dem sie sich kennengelernt haben. Unter der Woche büffelten sie für die Erzieher-Ausbildung, am Wochenende ging es zu Konzertauftritten. „Es kommt schon vor, dass ich gerade im Prüfungsstress bin und lernen muss und wir gleichzeitig was für die Band planen“, erzählt Moritz. Titus hat sich inzwischen komplett auf die Musik eingelassen: er hat sich selbstständig gemacht, produziert Musik.
Man merkt es direkt: Die Chemie stimmt einfach zwischen den beiden. Dabei gibt es das Projekt Tight Clique noch gar nicht so lange. Titus erklärt: „Eigentlich arbeiten wir erst seit zweieinhalb Jahren wieder zusammen.“ Da hatte der heute 22-jährige Titus noch eine andere Band. Mit der Darkmetal-Band Groovenom tourte er, trat auf zahlreichen Festivals und Konzerten in ganz Europa auf, unter anderem dem Summerbreeze und dem Fullforce, spielte vor bis zu siebentausend Menschen.
„Wir sahen aus wie Leichen – aber wir hatten Spaß dabei“
Auch Moritz spielte in mehreren anderen Bands und brachte die Leute vor allem in Tschechien, Polen und Deutschland zum Tanzen. Gleichzeitig organisierte er noch Festivals in Dresden. Bei einem trat Titus auf. „Da haben wir uns einfach richtig gut verstanden, haben zwei Tage durchgemacht, zwei Flaschen Wein getrunken und dann haben wir da einfach irgendwas zusammengeschustert.“ Es war das erste Mal, das die beiden in der ersten Reihe vor dem Mikro standen – vorher hatten sie sich als Gitarristen stets im Hintergrund gehalten.
Es erwuchs eine Idee, Träume, zusammen ein Projekt zu starten. „Wir waren mit die Jüngsten in der Szene, das hat uns zusammengeschweißt“, meint Titus. Dann kam Corona – und mit der Pandemie der Künstler-Blues. „Das hat mich erstmal richtig runtergezogen“, gibt er zu. „Aber dann haben wir gemerkt, wir können ja trotzdem noch Musik zusammen machen, und das hat echt geholfen.“ So entstand die Mischung aus Trap, Rock und Pop, die auf ihrem aktuellen und ersten Album „Selftightled“ zu hören ist. „Wir hatten auf einmal Zeit“, erzählt Moritz. „Da haben wir uns einfach eingeschlossen und ganz viel ausprobiert und produziert. Wahrscheinlich sahen wir dabei aus wie Leichen.“
Trotzdem hatten die zwei passionierten Musiker wohl Spaß dabei. Wer die ersten Klänge ihrer Stimmen hört, gemischt mit dem Fetzen der Gitarre im Hintergrund, fühlt sich an Green Day erinnert, oder Linkin Park. Düster, aber mitreißend melancholisch. „Es geht viel um zwischenmenschliche Beziehungen und Probleme, aber auch um Achterbahnfahrten“, beschreibt es der 24-jährige Moritz. „Wir wollten unsere eigenen Gefühle in der Zeit widerspiegeln. Diesen Wechsel aus ‚Ich fühl mich gut und krieg das hin‘ und ‚irgendwie erdrückt mich grad alles.‘“
Dresden als Dreh- und Angelpunkt ihrer Leidenschaft
Die Musik brachte ihnen etwas, mit dem sie sich beschäftigen und zugleich die schwierige Zeit verarbeiten konnten und gleichzeitig Kraft für etwas Neues zu sammeln. „Wir wollten zeigen: Man darf sich auch mal beschissen fühlen. Wir haben die Melancholie einfach ausgekotzt“, so drückt es Moritz aus. „Das war eine Momentaufnahme. In Zukunft kommen Lieder mit mehr Energie“, verspricht Titus.
Dabei scheint es den beiden an Energie wirklich nicht zu fehlen, denn für die Produktion ihres Albums brauchten sie diese auch. Dafür gab es viel zu tun: An der Stimme und dem englischen Akzent musste gearbeitet werden, gleichzeitig wollten die beiden so viel wie möglich selbst machen, wie sie sagen. Ihr Dresdener Netzwerk half ihnen, wo es ging, Feedback bekamen sie unter anderem sogar vom Sony-CEO Patrick Mushatsi-Kareba höchstpersönlich. Dieser hätte sich Zeit genommen und auf Anfrage ausführlich und konstruktiv Kritik gegeben. „Wir waren geflasht. Dann haben wir unser komplettes Album überarbeitet“, erzählt Titus.
Trotzdem wollen sie sich ein paar Eigenheiten behalten. „Wir müssen uns ja nicht total krass der Kommerzialität hingeben“, meint Moritz, und auch Titus sagt: „Wir könnten auch Ballermann-Hits machen, aber das ist eben nicht, wonach wir uns fühlen.“
Ihr Gefühl, das ist auch viel Dresden, der Freundeskreis, die Szene, die Shows. „Ich mag das freie hier“, schwärmt Moritz. „Irgendwie nicht so verkapselt wie in den westlichen Städten.“ Zwar kommen die beiden aus einem kleinen Dorf neben Freital, doch Dresden wurde schnell zum Dreh- und Angelpunkt ihrer musikalischen Leidenschaft.
Die Musik – ein Langzeitpraktikum, das nie endet
„Studio oder Neustadt, das sind so die zwei Optionen am Wochenende. Ich finde es so toll, dass immer was los ist. Ich nenne das das ‚Louisenstraßen-Phänomen’“, erzählt Moritz. Ein Konzert im Alaunpark oder das Assi-Eck zum Eskalieren bringen, davon träumen sie – denn die beiden wollen auch und gerade mit ihrer Musik in der Neustadt ankommen. Im März geht es dann los mit der großen Europatour, die zwar zunächst aus Dresden raus-, aber dann auch wieder zurückführt: Am 25.03. werden die beiden im Blauen Salon an der Bautzner Landstraße zu sehen sein. Es wird eines der ersten Male sein, dass die beiden zusammen auf der Bühne stehen werden.
Aufgeregt? Da sind sich die beiden uneins, ein bisschen Bühnenerfahrung konnten sie ja schon sammeln. „Das wirkt alles wie ein Langzeitpraktikum für das, was jetzt noch kommt“, lacht Titus. Aber Amsterdam sei „schon nochmal `ne andere Nummer“, geben sie zu. Dort wird der erste Akt stattfinden – weitere führen sie als Vorband der amerikanischen Gruppe „Love Ghost“ quer durch Deutschland mit einem Abstecher in Tschechien.
Tight Clique
Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen will, findet ihre Lieder auf Spotify, Youtube und Soundcloud. Wer die Lieder dann auch nicht mehr aus dem Kopf bekommt – Tickets und Merch gibt‘s bei Wildfiremusic und Instagram, alle Links hier.