Anzeige

Lange Nacht der Angst im Hygiene-Museum

Weiß wie die Schuld – Vernissage im BIAS

Dass hierzulande die Unschuld und die Milch dieselbe Farbe tragen, inszeniert die Künstlerin Deborah Geppert im BIAS FLINTA* projects zu einem beklemmenden Widerspruch.

In dem klinisch weißen Raum bilden in etwa auf Kniehöhe knallrote Gumminippel eine gleichmäßge Reihe. Sie ragen aus der Wand wie Finger. Was auf den ersten Blick komisch wirkt, bekommt einen obszönen Beigeschmack, wenn sich die Hintergründe klären: Es handelt sich um Saugstationen für frischgeborene Kälber, die in der industriellen Landwirtschaft wenige Stunden nach ihrer Geburt von der Mutter getrennt und über diese künstlichen Zitzen gefüttert werden. Eines am anderen. Um ihrem Schicksal als Hochleistungsmilchkühe entgegenzuwachsen oder – wenn sie männlich sind – kurz darauf im Schlachthof zu enden.

Die Künstlerinnen Deborah Geppert und Lisa Maria Baier im Projektraum BIAS. Foto: Philine
Die Künstlerinnen Deborah Geppert und Lisa Maria Baier im Projektraum BIAS. Foto: Philine

Milch als feministisches Thema

Die Meisterschülerin Deborah Geppert gehört zu den ausgewählten FLINTA*-Personen, die im Projektraum „BIAS FLINTA* projects“ an der Rudolf-Leonhard-Straße einen Monat lang frei arbeiten und ausstellen. Sie setzt sich mit einem Thema auseinander, das sowohl sehr persönlich, als auch gesellschaftlich omnipräsent ist: Milch.

Ihre Installationen entwickeln ihre beklemmende Wirkung erst auf den zweiten Blick – ein gewünschter Effekt, der auch auf unser Konsumverhalten abzielt. Wie und in welchen Maßstäben wir Kuhmilch produzieren und nutzen, hat das Naturprodukt seiner ursprünglichen Funktion enthoben und zu einem Massenprodukt pervertiert. „Wir kaufen das in Flaschen und Kartons, ohne zu begreifen, um was es sich eigentlich handelt.“

Anzeige

Yoga Retreat

Anzeige

Villandry

Anzeige

Archiv der Avantgarden - Der Wandel wird kommen

Anzeige

Archiv der Avantgarden - Welten Bauen. Visionäre. Architektur im 20. Jahrhundert

Anzeige

Blaue Fabrik

Anzeige

Agentour

Anzeige

Schramm Möbelmanufaktur

Anzeige

Advenster.org

Anzeige

Kreuzretter für die Rückengesundheit

Anzeige

tranquillo

Für Deborah sei Milch ein feministisches Thema, denn die weibliche Reproduktionsfähigkeit werde ausgenutzt. Beginnend im Alter von nur 13 Monaten werden Kühe jährlich mit Hochleistungssperma befruchtet, um neue Kühe zu züchten, deren augenfälligstes Körpermerkmal ein gigantisches Euter ist. An die 30 Liter gibt eine Hochleistungskuh pro Tag.

BIAS: Ort für Entfaltung und Debatte. Foto: Philine
BIAS: Ort für Entfaltung und Debatte. Foto: Philine

Feministischer Wirkraum

Ein Thema, das betreten macht. Deborah nickt. Mit elf Jahren sei sie Vegetarierin geworden, seit nunmehr zehn Jahren lebe sie vegan. Ihrer Erfahrung nach lösen die Missstände häufig weniger Unbehagen aus als die Kritik an denselben. Mit ihrer Lebenseinstellung verderbe sie Menschen schnell den Appetit. „Aber es geht mir nicht um die Menschen, sondern um die Tiere.“ Sie freue sich, diese Problematik künstlerisch verarbeiten zu können. „Der Raum hat mir die Freiheit gegeben das auszudrücken.“

BIAS besteht seit Januar. Initiatorin ist die Künstlerin Lisa Maria Baier. Sie liegt derzeit im Rechtsstreit mit der Stadt Görlitz, die ihr Kunstwerk „Kulisse“ abbaute. Es setzte sich kritisch mit dem in Polen geltenden rigiden Abtreibungsverbot auseinander. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Katina Rank bietet sie nun im Hechtviertel FLINTA*-Personen jeweils einen Monat lang eine Plattform.

Frauen und Queers, sagt Lisa, seien auf dem Kunstmarkt noch immer unterrepräsentiert. Deshalb brauche es Orte wie diesen. „Wichtig war uns, besonders Personen ab 60 Jahren und Künstler*innen mit Kind einen Raum zu bieten.“ Den Anfang machte Susan Donath mit ihren Künstlerinnen-Statements in Plakatform. In den folgenden Monaten werden u.a. Olivia Schneider und Sarah Hoppe ausstellen.

Anzeige

Schramm Möbelmanufaktur

Anzeige

Advenster.org

Anzeige

Kieferorthopädie

Anzeige

Agentour

Vernissage im BIAS FLINTA* projects

  • am 19. Februar ab 18 Uhr, Künstlerin: Deborah Geppert
  • Rudolf-Leonhard-Straße 19, 01097 Dresden
  • Das Projekt auf Instagram
  • FLINTA ist eine Abkürzung für Frauen (das meint meist spezifisch Hetero-Frauen), Lesben, intersexuelle Menschen, nichtbinäre Menschen, transsexuelle Menschen und Agender (geschlechtslose) Menschen

8 Kommentare

  1. Ernstgemeinte Frage:
    Das Frauen wie überall in der Gesellschaft auch am Kunstmarkt benachteiligt sind/werden kann ich nachvollziehen, aber was hat die inter, non, a-gender Identität mit Marktzugängen zu tun, oder die Sexuelle Orientierung? Sagt doch keiner zum Galleristen: hier mein Bild, willst ausstellen? Ach und übrigens, ich empfinde mich als nonbinär…
    Und davon ab, wie hoch ist denn der Anteil der gender nicht normative eingestellten Menschen in der Gesellschaft und auf dem Kunstmarkt? Woran macht man die Unterrepräsentation fest?

  2. „Milch“ ein feministisches Thema? Die ständige Betonung des feministischen Themas, die Verknüpfung von sexuellen Orientierungen oder Intensitäten schafft Grenzen des Zuganges zur Kunst und ideologisiert diese. Schade. Ich habe grosse Lust auf Kunst, bin mir aber nicht sicher ob ich als alter (knapp über 50) bürgerlicher Cis-Mann in der Ausstellung willkommen bin? Der Zweifel ist zwar nur gefühlt, aber immerhin frage ich nicht für einen Freund. Warum habe ich nur das Gefühl, das meine Kritik, ein Thema feministisch zu okkupieren, nach hinten losgehen könnte?

    PS: ich habe mich mit dem Thema Milch>Tierleid>Mensch vor ca 20 Jahren künstlerisch und sehr persönlich beschäftigt und danach die nötigen Konsequenzen gezogen.

  3. Bei vielen sehr berühmten und sehr begabten Künstlern, welche schon längst verstorben sind, fragen sich neuerdings die Leute ob sie homosexuell waren oder nicht. Das Interessante daran, deren Werke sind nicht wegen irgendeiner Unterpräsentation nicht berühmt geworden.
    Für die Künstler und deren Zeitgenossen stand zum Glück nur das Werk im Mittelpunkt. Heut scheint es leider um was anderes zu gehen. Aufmerksamkeit und Selbstdarstellung.

  4. Ich kann mich den anderen Kommentatoren anschließen: Schade, dass sich die zeitgenössische Kunst, die es bei der Vielfalt der Möglichkeiten seine freie Zeit zu verbringen, ohnehin schwer hat ein größeres Publikum zu erreichen, durch solche Identitätsspielchen selbst marginalisiert. Und ich FRAge mich, wem dient dies? Letztlich geht es meistens um den Vorteil des oder der originell-Identitären im Verteilungskampf (um Fördermittel etwa).

  5. Warum setzen die oberen Autoren sich nicht einmal zusammen und erstellen einen Jahresplan für Künstler, sodass diese wissen, welche Kunst- und Kulturbereiche in der jeweiligen Kalenderwoche angemessen und erwünscht sind. Kunst auf Bestellung, ohne eine unnötige Bevorratung, hier gelingt es dann auch sinnfreie Verschwendung von Leinwänden und Farben zu vermeiden.

    In einer Plan-Künstlerwirtschaft muss der Künstler sich den Wünschen des Marktes anpassen und nicht, wie bisher, einfach mal drauf los künstler’n ohne Sinn und Zweck.

    Diese an eine Anarchie erinnernden Zustände müssen durch Regeln in geordnete Bahnen geführt werden. Wir Männer sollten uns da mal zusammensetzen und was ausarbeiten zur weiteren gewünschten Entwicklung der Gesellschaft.

  6. Sehr geehrter Herr Schmitz,
    ich wiederum verstehe Ihren Kommentar nicht.
    Erklären Sie mir doch bitte, warum die Autoren keine Kritik äußern dürfen,
    zumal diese nicht beleidigend sind, bzw. was Sie so erregt an den Beiträgen.
    Es liest sich so, als fühlten Sie sich persönlich angegriffen?

  7. Hallo Jutta,
    wo liest du, dass keine Kritik geäußert werden darf? Ich finde die Replik von Dieter Schmitz ziemlich gelungen. Allerdings sehe ich auch nen gewaltigen Unterschied zwischen den ersten drei und dem vierten Kommentar. Der vierte spricht von „Identitätsspielchen“ und „selbst marginalisieren“ und wertet damit bewusst ab. Und auch das obligatorische „Cui bono?“ wird nicht etwa offen gelassen, sondern zur Sicherheit gleich beantwortet.
    Der erste Kommentar stellt ne Frage, die vorzugsweise durch die Kunstschaffenden beantwortet werden kann. Der zweite Kommentar schreibt ja schon, dass es vor allem um gefühlte Unsicherheiten geht. Und auch die Frage, was Grenzen des Zugangs zur Kunst angeht, ist ne sehr spannende.
    Der dritte Kommentar läuft auf die, in meinen Augen sehr steile These hinaus, dass für „die Künstler und deren Zeitgenossen“ (damit sind viele sehr begabte sehr berühmte und sehr tote gemeint) „zum Glück nur das Werk im Mittelpunkt“ stand.

  8. Wenn ich das richtig verstanden habe zeigt Frau Geppert künstlerische Arbeiten, die in der Auseinandersetzung zum Thema Unschuld, der Farbe weiß und dem Produkt Milch (auch weiss) entstanden sind. Da diese in einem Arbeitsstipendium entstanden sind werden diese auch im dazugehörenden Arbeitsraum gezeigt, oder so ähnlich. So what? Das ist erstmal ok. Ansehen, oder sein lassen.
    Kritik an der Arbeit könnte ich erst nach einem Besuch üben…
    Ein bisl Wind und Publicity gehört dazu. So what?

Kommentare sind geschlossen.