Es ist noch gar nicht lang her, da wurde das 33. Filmfest gefeiert – aus Gründen der Pandemie im Juli 2021. In Rekordzeit haben Sylke Gottlebe und Anne Gaschütz nun zur „Normalzeit“ im April die nächste Ausgabe auf die Beine gestellt. Die Freude darüber wird vom Angriffskrieg auf die Ukraine überschattet. Das Filmfest greift die politische Weltlage spontan auf und stellt sich umso stärker in den Dienst von Freiheit und Dialog.
Friede, Freude, Demut – in diesem emotionalen Dreiklang schwangen Publikum, Filmschaffende und Organisator*innen zur feierlichen Eröffnung des 34. Filmfests in Dresden. Endlich wieder Begegnung und Austausch vor der Leinwand! Doch eine rückhaltlose Freude konnte nicht aufkommen. „Ich bin demütig“, beschrieb es Moderatorin Jenni Zylka – gewandtet in blaues Kleid und gelbe Stiefel –, „dass wir hier friedlich zusammenkommen können. Die Welt ist schrecklich und beschissen jenseits dieses Festivals.“
Vulvenreiche Eröffnung
Auch die zweite Bürgermeisterin Annekatrin Klepsch räumte eine melancholische Verfassung ein und schrieb dem Kino mehr denn je die Rolle des Vermittlers zwischen Menschen und Generationen zu. Per Videobotschaft meldete sich Claudia Roth zu Wort, um dem Filmfest ihr Wohlwollen und Wertschätzung zu übermitteln. Kino solle „zum Nachdenken und zum Widerspruch anregen.“
Entsprechend dem Themenschwerpunkt Geschlechtervielfalt sollte es die „vulvenreichste Eröffnung“ werden, die Jenni Zylka je begleiten durfte. Mit „Klimax“ schickt die Regisseurin Bea Höller Barbie auf eine lustvolle Reise durch eine feuchte Traumwelt, aus der sie, durch innigste Verknotungen und Berührungen gewandelt, als weibliches Ejakulat auftauchen soll. „Barbies Squirting Experience“ taufte Zylka den anregenden Augenschmaus und forderte damit ihren Gebärdendolmetscher heraus.
„In Nature“ aus dem Programm „Kids 3“ klärt dagegen urkomisch, aber nicht weniger anregend über Homosexualität und alternative Familienkonzepte in der Natur auf. Körperlich, stofflich und poetisch setzte „Organ Synergie“ ein Statement für das Vertrauen in den eigenen Körper, sein Wissen und sein Fühlen.
Bittersüße Medizin
Animationsfilme seien dieses Jahr leider etwas weniger eingereicht worden, stellte Anne Gaschütz fest und warb für mehr Filme aus diesem Metier. Zahlreiche Kurzstreifen handelten von Nähe, Distanz und Familie, verkünde ihre ganz private Festivalstatistik. Zeichen der Pandemiezeit, mutmaßte Gaschütz.
Sylke Gottlebe bedankte sich bei allen Filmschaffenden für das entgegengebrachte Vertrauen und hob die Unterstützung des Landfrauenrats beim spontan zusammengestellten Ukraine-Filmprogramm hervor.In Polen setzte die Trickfilmwerkstatt Fantasia bei einem Workshop mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine Filme um, die im Rahmen des Festivals gezeigt werden. Zusätzlich sammelt das Filmfest Spenden.
Lohnende Einblicke zum Staunen und Schmunzeln bietet der Regionale Fokus dieses Jahr mit Filmen aus dem Leipziger Tanzarchiv. So bekam das Publikum zur Eröffnung mit „Oh, du lieber Augustin“ einen Volkstanz der Ungarn-Deutschen 1977 in Elek mit dem eingängigen Refrain „Das ist mein Kopf, das ist mein Arsch“ dargeboten. Traurig-schön geleitete schließlich der Animationsfilm „Beseder“ aus Israel mit einem Walzer in den Abend.
Filme, so die Gewissheit, können in vielerlei Hinsicht eine bittersüße Medizin in diesen schweren Zeiten sein.
34. Filmfest Dresden
- vom 5. bis zum 10. April 2022
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Verbesserungshinweis! Wenn ich über den Online Kanal Ticket zu Filmen zum Thema “Gender” bestelle, wäre es auch Rund, wenn mir da bei der Anrede nicht “nur” Frau oder Herr sondern auch Divers angeboten wird. Ob nun “nur” bei
diesen Filmen lasse ich mal so stehen. Wäre aber zumindest ein Anfang in die gewünschte Richtung. Denke ich.
@Franz
Du scheinst wahrlich keine anderen Probleme zu haben oder?
Über manche Dinge kann/muss man auch mal drüber wegschauen können.
Schönes Wochenende!