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„Anarchie ist kein Chaos, sondern Ordnung ohne Herrschaft“

In unregelmäßigen Abständen führt der ehemalige SPD-Stadtbezirksbeirat, der Geschichtsprofessor Christoph Meyer zu einem Politisch-Historischen Rundgang durch die Neustadt.

Am Vormittag hatte es noch geregnet, dann aber wieder aufgehört. Der Himmel ist immer noch grau. Als ich beim Treffpunkt auf der Kamenzer Straße ankomme, ist es kurz vor 17 Uhr. Es sind schon einige Leute da, ungefähr zehn würde ich sagen. Das sind mehr als ich erwartet habe. Ich begrüße sie, obwohl ich niemanden kenne, und stelle mich dazu. Anscheinend warten wir noch kurz, bis es anfängt. Mir wird kalt und ich mache meine Jacke zu. An den hochgezogenen Schultern und Schals der anderen, kann ich sehen, dass es ihnen genauso geht. Eine Frau geht rum und fragt, wer sich noch nicht angemeldet und bezahlt hat. Nach ein paar Minuten sind wir immerhin rund 20 Leute und die Tour durch die Neustadt kann beginnen.

Station am jüdischen Friedhof Foto: Philina Eppers
Ein Halt am jüdischen Friedhof, Foto: Philina Eppers

Christoph Meyer ist neben seiner Professur auch Vorsitzender der Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung. Heute führt er den Rundgang durch die Äußere Neustadt. Diese Tour wird vom Herbert-Wehner-Bildungswerk angeboten. Dort hat Meyer zwölf Jahre lang gearbeitet. Seit fast 25 Jahre lebt er nun in Dresden.

Am Anfang erzählte Meyer ganz allgemein über die Neustadt. Zum Beispiel erwähnte er, dass um 1900 ungefähr 40 Prozent der Bewohner in der Neustadt Arbeiter waren. Er erklärte außerdem, dass man anhand der Anzahl der Stockwerke erkennen kann, aus welcher Zeit die Neustädter Häuser stammen. Die hohen sind aus der Gründerzeit um die Jahrhundertwende herum, die kleineren sind älter, meist aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Auf der zweistündigen Runde kommen wir auch am Jüdischen Friedhof auf der Pulsnitzer Straße vorbei. Und na klar, als Sozialdemokrat muss Meyer auch das vermutlich älteste Graffito der Neustadt zeigen. Das befindet sich ebenfalls auf der Pulsnitzer und ist ein Wahlaufruf von 1932 für die Liste 1, SPD, weitere Infos dazu im Blickwinkel-Neustadt.

Das vermutlich älteste Graffito der Neustadt.
Das vermutlich älteste Graffito der Neustadt von 1932.

Rundgang durchs Viertel

Vorbei geht es an der Martin-Luther-Kirche, wir queren den Kunsthof, passieren die Scheune und bestaunen das Erich-Kästner-Denkmal am Albertplatz. Zu jedem Ort erzählt Meyer ein paar Dinge.

Nach und nach entwickeln sich auch Gespräche unter den einzelnen Teilnehmenden und viele erzählen eigene Geschichten und Wissen von der Neustadt. Ein großes Thema sind die vielen Graffiti im Viertel. Vor allem die Besucher*innen aus anderen Städten überrascht die Menge an Street-Art. Eine Teilnehmerin sagt, dass ein häufiges Vorurteil gegen Deutsche ist, sie würden sich strikt an ihre Regeln und Gesetze halten und Ordnung lieben.

„Da sind die viele Graffiti doch ein Widerspruch“, ergänzt sie. Meyer sagt dazu: „Viele hier wollen in einer Anarchie leben“, dann rezitiert er den alten Spruch: „Anarchie ist kein Chaos, sondern Ordnung ohne Herrschaft.“

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Alles in allem, unterhaltsame und inhaltsreiche zwei Stunden, die einen etwas anderen Blick auf die Äußere Neustadt ermöglichen.

  • Das Herber-Wehner-Bildungswerk bietet diese Führungen in unregelmäßigen Abständen an, weitere Informationen dazu gibt es hier

9 Kommentare

  1. Genau, seit 2 Jahren. Ich habe den missverständlichen Einschub entfernt. Danke für den Hinweis. Der Treffpunkt war am ehemaligen Sitz des Wehnerwerkes.

  2. Nicht sinnloses EGO-, SGD-Tags nicht gleich als „Street“-Art bezeichnen. Das ist Sachbeschädigung, nichts weiter!

  3. Ich war mit meinen 2 Gästinnen mit dabei. Und obwohl mir einiges bekannt war, trug die leicht rotgefärbte Führung durchaus zur Horizonterweiterung (begrenzt durch die imaginären BRN-Mauern) bei. Ich hätte mich gerne auf dem Bild am Friedhofseingang wiedererkannt. Is nich.

  4. ich war auch mit dabei und bin froh nur im Profil zu sehen zu sein, denn mir hat sich niemand vorgestellt und nach meiner Einwilligung zu Fotos für die Medien gefragt… naja, mit dem Profilbild kann ich leben

  5. @ Elisabeth: Nach meinem (juristischen) Verständnis, hast du jetzt konkludent deine nachträgliche Einwilligung zu deiner möglichen Erkennbarkeit auf dem Foto gegeben.
    Mich würde trotzdem interessieren, wie [@] Philina und [@] Anton die Sache sehen.
    Ist die Veröffentlichung von euren Fotos bereits durch die Anmeldung und Unterschrift bei den Veranstaltern gedeckt?
    Vorher wäre natürlich die Eingangsfrage zu klären: die Überschrift. Zumindest rechtsphilosophisch.

  6. Hallo S. Ebnitzer: Das Bild zeigt die Szenerie der Veranstaltung, die einzelnen Personen sind nur als Gruppe an sich wichtig für das Foto, jede einzelne Person (mit Ausnahme des zentral in der Mitte stehenden Referenten) ist meiner Ansicht nach nur Beiwerk. Daher sehe ich das als nicht zustimmungspflichtig an. Könnte im Falle eines Falles aber vermutlich von Gericht zu Gericht unterschiedlich ausgelegt werden.

    Abgesehen davon, die Verantwort für das Foto liegt ausschließlich bei mir.

  7. @ S. Ebnitzer: Richtig, ich habe nun nachträglich dieses Foto mein Einverständnis gegeben. Mein Kommentar zielte darauf ab, dass ich mir ein „Vorstellen“ der Journalistin, von dem im Text die Rede ist, gewünscht hätte mit dem Hinweis, dass es eine Berichterstattung gibt. Dann hätte jeder Teilnehmer entsprechend seiner/ihrer Präferenz reagieren können beim Fotografieren.
    Aber leider wurde dies vor Ort nicht transparent gelöst. Wäre für die Zukunft wünschenswert.

  8. @ Elisabeth: Das wäre die sicherere Variante – für alle Beteiligten – und ich würde das begrüßen. Anton liest mit…

Kommentare sind geschlossen.