Cordula Hanns hat als freie Künstlerin zwei Jahre lang tapfer dem Neustadt-Seuchenkoller getrotzt. Nun wartet jedoch der Erweckungsfrühling frisch und frei – mit vielen neuen Herausforderungen. Scharf startet der mehrdimensionale Marathon vom 20. bis 23. April per „Frau verschwindet (Versionen)“ für vier Abende en bloc auf Schloss Albrechtsberg, wo das Societaetstheater on Tour ist.
Passend startete der Jahrgang – so früh irgendwas ging: per „Frühlingserwachen“ auf Schloss Scharfenberg – einem durchdachten wie gediegenen Abend für halbwegs gebildete Kulturbürger, die Heine, Hesse, Mrozek und Brecht, aber auch Kleist, Jandl und Hacke mögen, von Thomas Förster und Paul Hoorn als Spiritus rector respektive musikalischen Impressario initiiert und einstudiert: Cordula Hanns singt, spielt und rezitiert – und überzeugt witzig als Tucholkys Rheinsberg-Claire und als Sängerin mit Gundermanns „Gras“.
Nun kommt das nächste Projekt: eine spannende Premiere, die vier Mal en bloc vom 20. bis 23. April kommt: „Frau verschwindet“ (Versionen)“ nach dem Stück der Schweizer Autorin Julia Haenni. Gemeinsam mit Kathleen Gaube und Regisseurin Karin Herrmann werden – unter Obhut der Produktion durchs Societaetstheater in der Jugendkunstschule auf Schloss Albrechtsberg und durchaus mit Referenz auf aktuelle Fluchtgeschichten – diverse Frauenschicksale beleuchtet.
Im Rahmen einer Begleitausstellung werden dabei auch Antworten von Frauen per Umfrage sicht- und hörbar gemacht. Das Stück beginnt mit einer offenen Tür. In der Wohnung wohnt eine Frau, doch die ist weg. Mögliche Gründe: viele. Die beiden Spielerinnen beginnen eine Spurensuche …
Cordula Hanns ist waschechte Eisenhüttenstädterin des Jahrgangs 1986, hat in Berlin und New York Schauspiel studiert. 2012 kam sie nach Dresden und war bis 2017 fest am Ensemble der Landesbühnen in Radebeul engagiert. Danach wagte sie den Start in die Freiberuflichkeit – und blieb dabei Neustädterin. Auf ihrer Netzpräsenz steht derweil: Dresden, Berlin, Leipzig, Rom, New York – in dieser Reihenfolge. Und gern würde sie genau zwischen Elbe und Oder, also zwischen Hütte und Dresden weiter ihren Arbeitsmittelpunkt finden: als Schauspielerin, Musikerin, Sängerin, Künstlerin, bald auch als Autorin.
Nach den vier Abenden in der Jugendkunstschule gibt es – so niemand verschwindet – am Sonntag die nächste ihrer Facetten in Zabeltitz zu erleben, jene als Musikerin. Dort spielt Hanns mit ihrem Trio ein eigenes Liedprogramm: „Ich bin von dem Kunststück der Trick“ lautet der Titel, wobei die Unterzeile alles erklärt: ein „Liederabend von der alltäglichen Sehnsucht“ mit Blues und Jazz, Kreisler und Brecht, Sinatra und Udo Lindenberg sowie Nina Simone. Also Songs versus Alltag, aber volle Pulle pro Fern- und Heim-, Suff- oder Liebesweh. Gemeinsam mit Uwe Zimmermann an den Tasten und Eckart Poser an allen Saiten frönt sie dabei ihrer alltäglichen Sehnsucht, nicht nur zu flöten oder Cello zu spielen, sondern rauchig bis traurig zu singen.
Ihr Frühjahrserwachen ist also ebenso stramm wie ambitioniert wie die geplanten Neustarts in den vergangenen beiden Jahren, verschärft sich aber nun durch diverse Nachholetermine. So war zum Beispiel das hochkarätige „Frühlingserwachen“ auf dem spannendem wie romantischen Hotelschloss Scharfenberg eine Antwort auf den Ausfall des gemeinsamen Herbststurms Ende Oktober. Da war dort „Komm, süßer Tod“ mit ihr als Eva, Thomas Förster als Adam und Tom Quaas als Zarathustra als „Abend zwischen Zeit und Ewigkeit“ in üppiger Besetzung geplant.
Kurzer Rückblick: Vor zwei Jahren war ja bekanntlich pünktlich kurz vorm Frühlingsbeginn das erste Mal Schluss mit Kultur – und bis Herbst ging fast gar nix, bei ihr war vier Monate absolute Spiel- wie Probenpause. Zum Glück zog dann Bagheera aus Spanien zu ihr: ein „sehr, sehr schöner schwarzer Tierheimhund“ als Mix aus Schäferhund plus Dalmatiner mit je einem Steh- und Schlappohr gesegnet.
Dann kam der Radebeuler Mut zur Moritzburger Sommerbespielung ihr zugute: das Landesbühnen-„Aschenbrödel“ ward vor der Haselnuss-Filmkulisse geboten – eine heldenhafte Wiederaufnahme, nach sieben Jahren aus Rathener Versenkung geholt: in der Hitze von 2020 ein echtes Sommermärchen mit ihr als witzig-fiese Stiefschwester der berühmteren Heldin des edlen Prinzen hoch zu Ross – dieses Jahr wieder vom 24. Juno bis 10. Juli zu erleben.
Im September folgte die Premiere in Daniel Glattauers „Vier Sternstunden“ in Regie von Holger Böhme auf dem Theaterkahn als erste neue Rolle in der Seuchenzeit. Zuvor war echter Zweifel angesagt, ihr Lebensmodell stand auf der Kippe. Dass dabei sogar das zehnte sächsische Theatertreffen 2020 in Chemnitz ausfiel, empfindet sie noch heute als besonders tragisch: Sie hätte in ihrer damaligen Lieblingsrolle als eloquente wie elegant fechtende Elektra – ganz in schwarzen Leder und mit dramatischen Cello-Einsatz – in Aischylos‘ „Orestie“ in der legendären Peter-Stein-Fassung, einem wirklich gutem Abend vom Bautzner Volkstheater in Regie von Mario Holetzeck, dort garantiert für Aufsehen gesorgt.
Weitere Rollen als Gast – vor allem bei den Landesbühnen Sachsen – harren derweil noch neuer Termine. So als FRAN in „Zu Hause bin ich, Darling“, als Erzählerin in „Die Schneekönigin“ oder als Alex de Gruitjer in „Big Deal“. Aber auch die Sternstunden und die Orestie sind noch nicht abgespielt.
Damit nicht genug: Ab 11. Juno erlebt Dresden, genauer das Foyer im Hygienemuseum, ihre erste Kunstinstallation: Eine mittels 14 Kleincomputern raffiniert ausgesteuerte Filmprojektion führt parallel auf zwölf Röhrenfernsehern die plötzlich unerwartet leeren Orte der Großstadt vor: Straßen, Cafés, Theater – alle Sozialität plötzlich ausgesetzt, eine Gesellschaft im eingesperrten Stubenmodus, deren gemeinsame Institutionen per Gefahr oder Dekret obsolet. Hanns, eine bekennende Marina Abramović-Fanin, hat die neue Erfahrung und die neuen Möglichkeiten diverser Förderungen von Stadt und Freistaat kreativ genutzt und ist dabei auf die Suche nach den Gegensätzen im Alltag des Ausnahmezustands gegangen.
Man darf gespannt sein. Und sicher bleiben.