Jetzt ist es schon wieder passiert. Am Wochenende war es der Kellner aus dem pomodoro auf der Görlitzer Straße, der mich überraschend und mit ratlosem Gesichtausdruck wie ein guter Freund zur Seite nahm. „Warum läufst du barfuß? Ich verstehe nicht!“ Und dazu formte er mit Zeigefinger und Daumen tatsächlich zwei vorwurfsvolle O’s und schüttelte sie zur Veranschaulichung seiner Besorgnis um meinen geistigen Zustand auf Ohrenhöhe auf und ab.
Das war diese Woche schon der dritte. Ja, warum eigentlich?
Zugegebenermaßen gibt es angenehmere Orte als die Neustadt, um seinen Füßen Freigang zu gestatten. Scherben da, Hundehäufchen dort … Doch trotzdem ist mir in insgesamt vier Barfuß-Sommern noch nichts so tief im Fuß stecken geblieben, dass es ernst gewesen wäre. Selbst die BRN, das Hechtfest und Besuche in der Groovestation lassen sich ohne Schuhe genießen. Netto dagegen ist zu meiden, ohne Fußbekleidung ist dort Einkaufen untersagt.
Vielleicht ist der nackte Fuß meiner Faulheit geschuldet. Kein Fädeln, Schnüren, Reinquetschen. Einfach Haustür auf und los, bedacht und etwas langsamer laufen, Temperaturen erfühlen und die Straße anders wahrnehmen. Abends dann fließen die Wege und Erlebnisse des Tages unter Schrubben als schwarze Brühe in den Abfluss – ein nicht nur körperlich reinigendes Erlebnis.
Als Barfußgänger vergisst man tatsächlich auch, dass man einer ist. Nur die kullerrunden Augen von Vorübergehenden erinnern daran und irgendwie kommt man sich erst dadurch nackt und seltsam vor. Stellt sich die Frage, warum bloße Füße so viel Aufsehen erregen. Gilt man als sphärischer Hippie, wenn man keine Schuhe trägt? Oder wird man direkt in die Schublade „Rand des sozialen Abstiegs“ gestopft? Schwingt in den Fragen nach dem Warum echte Besorgnis mit oder erwartet der Fragende eine tiefphilosophische Antwort mit beigefügtem neuen Lebenskonzept?
Das Argument „mangelnde Hygiene“, das die Netto-Fachverkäuferin ausspielte, akzeptiere ich übrigens nicht. An Schuhsohlen klebt hundertmal mehr Kaugummi und Matsch als an Füßen. Weil es Schuhen nichts ausmacht, wenn sie durch fremde Körperflüssigkeiten gelatscht werden. Dazu sind sie schließlich da. Schwitzende Füße, die in Schuhen stecken, müffeln zudem erfahrungsgemäß mehr als nackte Haut.
„Also“, meint meine Freundin, mit der ich das Thema ausführlich diskutiere, „ich find eher die Leute komisch, die im Sommer Schuhe tragen.“
Sind Barfußgänger vielleicht doch ganz normale Menschen?
Hallo Anton,
wußte ja gar nicht, dass du ein Barfußläufer bist und nein Abgründe tun sich da nicht auf. Es liegt halt nur etwas neben der „Norm“. Aber was ist schon die Norm?
Grüße und guts nächtle
es ist spät…wer lesen kann is klar im Vorteil…wer der Barfußläufer ist steht ja oben…
sehr nett. und zur frage der starrenden blicke und der aufmerksamkeit: manch einer findet sowas ja auch hübsch : )
Na, ich hab halt das Gefühl, dass die Leute die barfuß laufen, irgendwas ganz tolles damit aussagen wollen und das nervt natürlich. Früher hab ich das auch gemacht, aber der Dreck stört mich zu sehr, der dann an den Sohlen klebt.
Als waschechter „Hobby-Barfußläufer“ finde ich es immer wieder einfach schön zu erleben, was es für einen Unterschied macht, ob man nun besohlt oder frei durch die Straßen läuft. Wie du gut beschrieben hast, hat man doch sehr verschiedene Sinneseindrücke, die „Schuhläufer“ niemals wahrnehmen würden.
Von daher sollte man sich auch keine Gedanken um die Blicke machen, denn die kommen meist nur von Leuten, die so eine Diskussion einseitig führen würden…
Dass es Situationen, Orte und Gegebenheiten gibt, bei denen auf Schuhe kein Verzicht gestattet ist, ist natürlich auch klar. Aber bis dahin zieh‘ ich meine Schuhe aus und lauf weiterhin barfuß durch die Stadt, wenn ich lust dazu habe. ;)
Jede/r nach seinem/ ihrem Gusto.
Schuhe haben den Vorteil, dass die Füße frei von Unrat und Keimen (wenn ich bspw. an die hundepissuierte Sebnitzer denke und welche Hornhaut deine Füße haben müssten, damit die Haut als des Menschen Organ das nicht aufnimmt…, wird mir übel) bleiben und die Sohle mich nicht auf hartem Pflaster fußmüde werden lässt.
Wessen Füße stinkern, der hat die falschen Schuhe an.
Und die Barfüssler werden auch nicht nach Wiese duften..
Daheim werden üblicherweise die Schuhe ausgezogen, denn dort oder im Garten laufe ich gern barfuß.
Dir würde ich daheim Schuhe oder eine Fußwäsche anbieten (müssen).
Aber so ein bisschen „Hippie“ passt ja in die Neustadt und bestimmt siehst Du sogar sinnesfreundlicher dabei aus, als manches barfüßige Ekelpaket, bei dem man im Straßencafé eine Nasenklammer bräuchte.
Wohlan!
@Alexander: An meine Füße kommt nur Baumwolle oder feinster Ostseestrand. ;-)
Also beim Netto auf der Königsbrücker hat sich noch nie jemand beschwert, wenn ich nicht nackten Fußsohlen durch die Gemüseabteilung flaniere.
Wo hattest du den die Diskusion Anton?
Barfuß laufen ist toll; Im Sommer, im Winter, in der Stadt, auf dem Land, im Wald, auf Wiesen, auf Steinen, einfach überall. Denn Barfußlaufen ist Naturarznei, die viel zu wenig genutzt wird. Barfuß laufen regt das Herz-Kreislauf-System an, was auch die Durchblutung anregt. Barfuß laufen stärkt das Immunsystem. Barfuß laufen kräftigt die Venen und schützt vor Krampfadern. Barfuß laufen wirkt ausgleichend auf den Blutdruck: Zu niedriger Blutdruck wird angehoben, erhöhter Blutdruck kann gesenkt werden. Unmittelbarer Kontakt der Fußsohlen mit unterschiedlichen Untergründen hilft Stress abbauen, wirkt somit entspannend und erweitert das Bewusstsein.
Barfuß laufen fördert die Konzentration. Barfuß laufen wirkt sich positiv auf die Wirbelsäule aus. Wer barfuß läuft, ist selbstbewusster und zeigt mehr Empfinden für die Natur. Barfuß laufen stärkt den Bewegungsapparat.
Und somit auch: Barfuß laufen schont den Geldbeutel. ;)
Netto ist auch besohlt zu meiden. Frage mich sowieso warum der Laden (Der auf der Kami) von „Hippies“ nur so strotzt obwohl die Leutchen doch vor Baubeginn die größten Kapitalismus-Konsum-Parkhaus-Kritiker waren….
Jaja, die Zwänge der Realität, denen man sich dann doch irgendwie unterwerfen MUSS….
Oder?
Wenn in dem Ding nur die „Normalos/Besserverdiener/Unkritischen“ einkaufen würden wäre dieses Geschwür schon weg. Dem is aber leider nich so.
Naja, anderes Thema.
Viel Spaß beim Barfusseln.
hihi wieviel verwirrung immer wieder entsteht wenn mal ein artikel nicht von anton geschrieben wird :)
Barfuß laufen ist auch gut gegen Krebs und Legasthenie. Mit warm genossenem, links gerührtem Morgenurin (Achtung, Mittelstrahl nehmen!) soll es sogar dem Weltfrieden herzhaft unter die Arme greifen.
@g.kickt: Besserverdiener habe ich in dem „netto“ noch nicht gesehen …
lasst uns nen flashmob starten..alle barfüßler am albert treffen und aus „protest“ überflüßiges beinkleid wegwerfen…
oder genießt einfach die letzten warmen tage unten ohne,ich werde es tun..
Es gibt ja auch Menschen, die Füße ni so sehr schön finden. Kenn ich einige und nicht nur Frauen. Zumal ich selbst wenn dann nur an der Elbe oder an der Priesnitz die Schuhe ausziehe. Ich finds auch ni so lecker, wenn ich essen kaufen geh und neben mir einer seine mehr oder weniger ekligen Füße präsentieren muss. Da vergeht einem schon mal der Appetit. Da sind mir meine fest zugeschnörten Stiefel 100mal lieber ;)
Was mensch so alles auf den alert „barfuss“ sieht…
Im Jenaer Netto wurde ich mal darauf angesprochen, aber nach der Hygiene-Diskussion mit Schuh-Fußpilz-Diskussion und gelegentlichem Wiederkommen wird es mittlerweile akzeptiert. Kaufe trotzdem lieber woanders.
Habe noch ein gutes (?) Barfussargument: Versucht mal vegane Schuhe zu kaufen, die dann nicht als Ersatz aus Erdölderivaten bestehen. Ist echt schwer. Und bevor ein Tier seine Haut für mich mich hergeben muss, ist es mir eigentlich lieber, auf meiner eigenen zu laufen.
Das gilt dann auch für den Winter und überall, fast zumindest. Es gibt einige Orte, da herrschen Vorstellungen vom sozialen Mindesthabitus, sollen vermeintlich niedrige soziale Gruppen nicht die Räume betreten. Aber will mensch dann auch dorthin? (so z.B. die Pariser Friedhöfe, der Reichstag, das Pergamonmuseum).
Im Übrigen: Wenn ich die gequälten Füße vieler in ihren Sommerschuhen sehe, schräggedrückte Zehen, Hammer- und Krallenzehen, Hühneraugen, Nagelpilze, fehlende Nägel am kleinen Zeh, verkürzte Sehen in den Waden und dann auch noch sehe, wie motorisch eingeschränkt sie oft sind, bis hin zum sicheren Stehen, habe ich so meine Zweifel am beschuhten Dogma.
@pieschi
mudde alls verrate ?….lg
@ raiko…. wieso jetzt auch noch die Hosen runterlassen????
Schon wieder so eine Ersatz-Religion …
@Philipp: Die Diskussion gab’s auf der Kamenzer Straße
@philine: ist das Pflaster im Sommer nicht zu heiss..?
ps. an alle Barfussläufer auf dem Campus: auch die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek verbietet das Barfusslaufen, auch wenn es dafür noch kein Piktogramm am Eingang gibt ..
@dorfkind: ich lauf ja nicht prinzipiell und aus ideologischen Gründen durch jede Pfütze geschmolzenen Asphalts :) Wenn’s unangenehm wird, sind Schuhe schon praktisch. Und du hast Recht: in der SLUB hat’s mich auch schon erwischt.
Im Blutspendezentrum der HAEMA wurden einem Barfussgänger zuletzt hübsche blaue Reinraum-Überzieher für seine Füsse spendiert! ;-)
Nicht alles, was eine Mehrheit für richtig hält ist „normal“, sinnvoll oder in sonst einer Hinsicht bemerkenswert gut.
Beispiele dafür gäbe es zahlreich…
Manfred (Ganzjahres- und Überallbarfüßer)
(Zur Definition von „Normal“ ein schönes Bonmot eines mir bekannten Therapeuten:
„Acht von zehn Menschen haben Karies.
Also ist Karies „normal“
Trotzdem ist es eine Krankheit !“