Froh gelaunt schritt der zehnjährige Friedrich mit seinen Freunden Heinrich und Jan an diesem Sonntagvormittag Anfang Juli 1902 zügig in Richtung Elbe auf der Neustädter Seite. Ihr Ziel: das Knabenbad an der Carolabrücke, unterhalb des Königlichen Finanzministeriums. Ihr Sinn: sich Abkühlung verschaffen in dieser ersten Hitzewelle des Jahres.
Heinrichs Oma meinte, dass es nun wohl einige Wochen sehr warm sein werde, wegen des Siebenschläfers. Der etwas begriffsstutzige Jan guckte zunächst verwirrt und meinte, was der Herr Siebenschläfer denn getan hätte, dass es nun dauerhaft warm werden soll. Und überhaupt kenne er einen Herrn Siebenschläfer in der inneren Neustadt nicht.
Die Freunde verdrehten die Augen. Das besage nur so eine alte Bauernregel, erklärte Friedrich, nach der es sieben Wochen sehr warm und trocken werden soll, wenn es am Siebenschläfer, welcher am 27. Juni sei, sehr warm und trocken war. Warum das so sein soll, wisse er aber auch nicht.
Im Knabenbad
Sie erreichten das Stadtbad für Knaben unterhalb der Carolabrücke. Der Andrang war schon groß. 10 Pfennige Obolus und dann ging es hinein. Das rechteckige Bad bestand aus breiten umlaufenden Holzstegen. Dahinter befanden sich Umkleidekabinen. Von außen war das Bad aus sittlichen Gründen mit einem Sichtschutz umgeben. Schnell entledigten sich die drei Freunde ihrer Klamotten, zogen die Badehosen an und sprangen in das kühle Nass der unter sie fließenden Elbe.
Die Anfänge
Gebadet wurde in der Elbe schon seit undenklichen Zeiten. Der Fluss mit seinen ehemals verzweigten Armen war schließlich die einzige Möglichkeit der intensiven Körperreinigung und diente zudem als Wasserquelle für den Haushalt, als Viehtränke und als Transportweg für Waren und diverse Abfälle. Konkrete Flussbadeanstalten sind erst seit dem 18. Jahrhundert in der Dresdner Flur bekannt.
Im Magazin der sächsischen Geschichte aufs Jahr 1785, herausgegeben von Johann Christian Hasche, ist über den Beginn der kommerziellen Flussbäder zu lesen: „Seit Anfang dieses Monats (Mai 1786) hat der italienische Pagensprachmeister, Herr Andreoli, auf der Elbe ein kaltes Flussbad eröffnet, wo man für 2, 3, 4, 6, 8 und 12 Groschen mit vieler Bequemlichkeit baden, sich auch mit Liqueurs, Erfrischungen, schöner Aussicht auf der Elbe ergötzen kann. Das ganze Werk steht auf einer starken Holzflöße und die Badewannen sind bewegliche Behältnisse, in denen man auf schiefgehenden Stufen bis auf den Elbgrund hinabsteigen kann.“1
Insgesamt waren seit dem 18. Jahrhundert bis 1945 mindestens 29 Elbebäder an beiden Uferseiten bekannt. Sie waren jedoch nicht durchgehend in Betrieb.2
Elbebaden sei gesund
Das behauptete am 5. Mai 1902 die Zeitung des liberalen Bürgertums, die Dresdner Nachrichten, als sie einer Leserin antwortete, die schrieb, dass ihr Sohn vom Baden in der Elbe immer Ohrenschmerzen bekäme.
„Das Baden in der Elbe ist deinem Jungen nur gesund, es härtet und stählt den Körper im Allgemeinen und die Nerven im Besonderen, namentlich, wenn zugleich geschwommen oder dies wenigstens versucht wird. Nur darf das Baden nicht übertrieben, der Aufenthalt im Wasser nicht zu lange ausgedehnt und nicht zu viel getaucht werden. Wenn dein Filius zu Ohrenentzündungen neigt, so mag er sich, ehe er in das Bad geht, Ohrstöpsel, mit Fett oder Öl an den Spitzen, in die Ohren stecken und vor allem keine Kopfstürze machen.“
Schwimmunterricht an den Schulen
Friedrich erinnerte sich noch lebhaft an den Schwimmunterricht vor einigen Jahren. Vor wenigen Tagen begann sein kleiner Bruder August mit dem Schwimmenlernen. Am gestrigen Sonnabend versammelten sich die fünften Klassen der 4. Bezirksschule auf der Glacisstraße 30, in der August lernte und erhielten vom Direktor Ernst Emil Ludwig eine Einweisung. Danach begrüßte die Schüler Emil Baumhäckel, der Vorsitzende des Schwimmklubs Germania, dessen Vereinsbad sich auf der Louisenstraße 483 befand.
Die Dresdner Nachrichten berichteten am 30. Juni 1902 darüber. Zunächst gedachte der Direktor dem kürzlich dahingeschiedenen König Albert. „Dann dankte er den städtischen Behörden für die Bereitstellung der Mittel und ermahnte die Schüler zu Fleiß und gutem Betragen. In den nächsten drei Wochen werden die Schüler mit den Vorübungen zum Schwimmen vertraut gemacht. Der eigentliche Schwimmunterricht soll dann während der großen Ferien im Knabenbad an der Carolabrücke erteilt werden.“
Ein schöner Sonntag
Vom vielen Toben im Wasser geschafft, verließen Friedrich, Heinrich und Jan glücklich am späten Nachmittag das Knabenbad. Jetzt knurrten ihnen die Mägen. Und so eilten sie schnellen Schrittes nach Hause in den Obergraben der inneren Neustadt.
Anmerkungen des Autors
1 Bei Fritz Löffler „Das alte Dresden“, 1999, 14. Auflage, ist die Gründung eines Flussbades in der Elbe im Register mit der Jahreszahl 1776 versehen.
2 laut der historischen Adressbücher der Stadt Dresden; Quelle: SLUB Dresden
3 heute Nordbad
Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür durchstöbert der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Der vorliegende Text ist literarischer Natur. Grundlage bilden die recherchierten Fakten, die er mit fiktionalen Einflüssen verwebt.