Seit 1992 springt sie unbürokratisch ein, wenn an irgendeiner Ecke im Stadtteil noch ein Löchlein in der Finanzierung sinnvoller Maßnahmen zu stopfen ist: die Stiftung Äußere Neustadt Dresden. Nach dreißig Jahren dezenten Wirkens im Hintergrund hat sie zum Jubiläum nicht nur ihren Internetauftritt aufgefrischt, sondern auch den Gründer Wolfram Tietz aus Hamburg eingeladen. „Ihm ist die Sicherung des Startkapitals zu verdanken“, blickt Uwe Schneider vom Vorstand auf die turbulente Vorgeschichte zurück.
Alles begann 1989 mit einem Hilferuf der Bürgerinitiative IG Äußere Neustadt an die reiche Partnerstadt Hamburg. „An unserem Haus waren schon Sprenglöcher gesetzt“, beschreibt Uwe Schneider den drohenden Abriss von rund 70 Prozent seines Heimatviertels, dem er sich an der Spitze vieler Anwohner entgegenstellte.
Ruckzuck stellte der Senat der Hansestadt drei Millionen D-Mark für erste Gebäudesicherungsmaßnahmen und Hilfe zur Selbsthilfe bereit. Zudem schickte Stadtbaudirektor Egbert Kossack das Architekturbüro „Planerkollektiv“ gleich mit nach Dresden, um abzusichern, dass das Geld auch gezielt vor Ort zum Einsatz kommt. Dessen Leiter Wolfram Tietz war auf den ersten Blick fasziniert von der verfallenen, aber erhaltenen Gründerzeitsubstanz.
„In Westdeutschland sind solche fantastischen Viertel kaputtsaniert“, sagt er. Hier sah er die Chance, statt abzureißen, die Häuser zu retten. „Wir kamen Mitte Dezember 1989 an und als die beiden Oberbürgermeister Henning Voscherau (Hamburg) und Wolfgang Berghofer (Dresden) im Januar vorbeikamen und Ergebnisse sehen wollten, stand bereits das erste Gerüst an der Pulsnitzer Straße 10.“
Mit Auslaufen dieses Soforthilfeprogramms 1992 waren 1,3 Millionen DM über inzwischen bereit gestellte Bundesmittel refinanziert und drohten in den unersättlichen Stadthaushalt oder die Bürgerstiftung zum Wiederaufbau der Frauenkirche abzufließen.
Geld für die Äußere Neustadt
Der Auftrag aus Hamburg aber lautete, das Geld für die Äußere Neustadt zu verwenden. „Damals war dieses ,Topflappenviertel‘ mit seiner Punker- und Besetzerszene einigen Politikern und Teilen der Verwaltung ein Dorn im Auge“, benennt Uwe Schneider deren Widerstände. Beharrlich und mühsam ging Wolfram Tietz auf alle Skeptiker zu, um eine Stiftung zu zimmern, deren Mittel auftragsgemäß in die staatsferne Verantwortlichkeit derjenigen gelangen, die tatsächlich im Stadtteil leben und arbeiten.
Mit rund einer Million DM Startkapital ging es los. Angelegt nach ethischen Grundsätzen in fest verzinslichen Anleihen, konnten zunächst jährlich rund 60.000 DM Zinsen ausgereicht werden. Im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte wurden 157 Vorhaben in Höhe von insgesamt rund 316.000 Euro bewilligt.
„Im Gegensatz zu vielen anderen Geldgebern verlangen wir keinen Eigenanteil, entscheiden schnell auf unkomplizierte Weise“, sagt Geschäftsführer Thomas Pieper, der hauptamtlich Sachgebietsleiter im Stadtplanungsamt ist.
Gezielte Projektförderung
Ob es sich dabei um einen Wettbewerb zur behutsamen Sanierung oder Preise für ehrenamtliche Inselverantwortliche zum Stadtteilfest Bunte Republik Neustadt, um eine Wasserpumpe für den Stadtgarten oder eine Publikation zur Frauengeschichte des Gebiets, um eine Station des Erlebnispfades „Blickwinkel“ durch das Viertel oder ein kleines unkonventionelles Kunstfestival handelt – immer stärken die einzelnen Projekte das Identitätsgefühl, um den besonderen Charakter des Viertels nachhaltig zu bewahren.
Was daraus geworden ist, hat sich Wolfram Tietz nun mit eigenen Augen angeschaut. Sein erster Gang galt dem Erich Kästner Haus für Literatur. Dem Museum am Albertplatz hatte die Stiftung mit zwei Modulen im Wert von jeweils 4.000 Euro Starthilfe geleistet. Mittlerweile beherbergt die Ausstellung 13 solche mobilen Schränke mit herausziehbaren Schubladen, die mit Zeit- und Lebenszeugnissen aus der Welt des berühmten Schriftstellers zum Selbsterkunden einladen.
„In der Finanzkrise allerdings mussten wir höhere Risiken eingehen, auf Fonds und Anlagen ausweichen. Ich habe viel dazu gelernt, wie es gelingen kann, trotz diverser Schwankungen und Verluste Erträge zu erzielen“, sagt Uwe Schneider, der neben diesem Ehrenamt ein Planungsbüro leitet. „Mittlerweile stehen uns trotz des gewachsenen Kapitals von 665.000 Euro weniger als 10.000 Euro im Jahr aus Erträgen zur Verfügung. Dabei erreichen uns meist ein Drittel mehr Anfragen, als wir realisieren können.“ Wünschenswert seien daher Erbschaften und Zustiftungen zum Grundkapital. „Aber auch gezielte Spenden für konkrete Projekte sind uns sehr willkommen.“
- Projektbeschreibungen und Kontonummer unter: www.stiftung-dresden-neustadt.de