Graue Wolken hängen über dem Gelände der Groovestation, auch die bemalten Hauswände schauen blass drein. Ganz hinten in der Ecke jedoch entsteht gerade ganz frische Kunst: Anett Bauer, auch bekannt als Muah, bemalt die neue Photobox. Während sich auf dem schwarzen Untergrund immer mehr weiße Striche zueinander gesellen, erzählt sie mir von ihrem Leben als Künstlerin.
Lieber als Leinwände: Beton, Papier oder Stoff
„Es ist ein großer Flickenteppich aus tausenden Sachen“, fasst es wohl ganz gut zusammen. Da ist zuerst einmal das Label. MUAH! – das ist Grafik, Illustration, Siebdruck. Poster und T-Shirts, auf denen sich Formen und Farben überschlagen, überall wimmelt es von Katzen und Augen. Obwohl Anett, wie sie unumwunden bekennt, auch Hunde mag, hat sich das mit den Katzen irgendwie etabliert, hat längst Wiedererkennungswert.
Wiederzuerkennen sind ihre Designs nicht nur auf T-Shirts, sondern auch beim Schlendern durch Neustadt und Hecht. Zum Beispiel hat Anett den S-Bahnhof Bischofsweg mitgestaltet und einen der Kübel auf der Hechtstraße besprüht. Und auch im Hof der Groovestation hat sie längst ihre Spuren hinterlassen.
Hier taucht sie gerade wieder ihren Pinsel in den Maschinenlack. Längst sieht Anett ihre Kunst lieber auf der Straße als in Galerien. Der Welt der Ölgemälde und des konkurrenzorientierten Kunstmarkts hat sie schon bald nach dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste (HfbK) den Rücken gekehrt: „Ich finde es viel schöner, wenn sich die Leute über meine Sachen freuen.“
Gigposter auf Märkten
Um das zu erleben, sind Märkte eine optimale Gelegenheit. Und tatsächlich ist Anett viel auf Kunstmärkten unterwegs, organisiert sie auch gern mal selber mit. Das ist durch Corona leider weniger geworden und nimmt erst langsam wieder zu. Immerhin geht‘s dieses Jahr zum ersten Mal wieder zum Flatstock-Festival auf die Reeperbahn.
Dort werden Gigposter ausgestellt – ein weiteres Feld, auf dem Anett sehr aktiv ist, nicht zuletzt, weil ihr die Zusammenarbeit mit Musiker*innen großen Spaß macht, wie sie verrät. Auch beim The Sound of Bronkow Festival hat sie ihre Finger drin. Das diesjährige findet übrigens erst im November statt, dafür gibt‘s Anfang September eine Vorveranstaltung auf dem Scheunevorplatz, mit Musik, Essen und der Möglichkeit, Kunst zu kaufen. Zum Beispiel eben von Muah.
Das Besondere: der Erlös aus dem Verkauf geht an Betroffene des Ukrainekriegs. Um denen zu helfen, hat Anett gemeinsam mit anderen Künster*innen den Verein Pieces for Peace gegründet. „Ich hab mich gefragt, was kann ich denn als einzelne Person tun? Dann bin ich darauf gekommen, Kunst zu spenden. Und dachte, vielleicht wollen das andere ja auch machen.“
Soli-Verkauf für die Ukraine
Wollen sie. Pieces for Peace fand schon in diversen Pop-up-shops Unterschlupf, wo bisher einiges an Spenden zusammenkam. Die gehen hauptsächlich an die Initiative „Wir packen‘s an“, die aus der Ukraine Flüchtenden vor Ort Hilfsgüter zur Verfügung stellt, aber auch an die Dresdner Organisation „Sonechko“, die hier Ankommende unterstützt.
Momentan hat der Shop der Soli-Aktion seine Zelte im Societätstheater aufgeschlagen. Nicht die einzige Schnittstelle zu Muah: fürs Societätstheater gestaltet sie Spielpläne, Flyer und was sonst noch so anfällt, hin und wieder sitzt sie auch mal an der Kasse. Ein gar nicht so unvertrautes Gefühl für die Künstlerin: „Ich hab sämtliche Theaterkassen in Dresden durch“, lacht sie.
In der Neustadt aufgewachsen, fast in Hamburg gelandet, dann aber doch geblieben, war es nach dem Kunststudium mitsamt Meisterklasse ein gutes Stück Weg, bis Anett ihren Lebensunterhalt komplett von der Kunst bestreiten konnte. Mittlerweile tut sie das erfolgreich, unterhält ihre beiden Ateliers und – natürlich – ihre Katze.
Neben den Strichen auf der Photobox entsteht jetzt eine Zickzack-Linie. Abwechslung muss ja auch mal sein. Obwohl Muah davon sowieso jede Menge hat. Neben der eigenen Kunst gibt sie hin und wieder Workshops. Ganz selten, zum Beispiel als Teil des Kollektivs Distilled & Bottled, sogar mal ein Live painting – „obwohl ich eigentlich gar nicht gern auf der Bühne oder im Mittelpunkt stehe“. Die Aufmerksamkeit überlässt sie dann doch lieber ihren Werken statt ihrer Person. Und die machen ihre Sache echt gut.