Bob Dylan ist „der Meister“, Elvis Presley „der King“ – und Jörg Stübing ist „der Händler“. Zwanzig Jahre lang betreibt er das Büchers Best an der Louisenstraße und verführt mit Vernunft und Poesie. Die Jubiläums-Feier nutzte er für eine Offenlegung.
Man sagt, zwischen zwei Buchdeckeln verbirgt sich eine ganze Welt. Demnach ist Jörg „Stü“ Stübing Verwalter mehrerer Multiversen: Auf der bescheidenen Grundfläche von vier Parkplätzen hat er mit dem Büchers Best eine Hochburg für Leseratten erschaffen, die international Anerkennung findet und regelmäßig bepreist wird. „Verkaufen“, sinniert Stü, „ist wie ein Tanz.“
Bad in der Menge
Er empfängt im Hinterstübchen des Büchers Best. Bücher reihen sich auch hier aneinander, füllen Regale bis unter die Decke. Draußen klopft der Regen ans Fenster, von den nassen Mänteln an der Garderobe im Flur tropft es sachte auf das Parkett. Im Büchers Best wird die Welt auf ein Murmeln gedämpft, es ist Raum für die leisen Töne.
Vor einer Woche aber ging es im Hinterhof hoch her: 300 Menschen werden es wohl gewesen sein, die sich zu Ehren des zwanzigsten Geburtstages des Büchers Best am Sonnabend zusammengefunden hatten, schätzt Stü. Wein und Klang, Gespräch und Gesang – nun erhole er sich und zehre von den Eindrücken. „Es war voll. Und sehr warmherzig. Ein Bad in der Menge.“ Er lächelt mönchisch.
Die Feier nutzte er für eine Offenlegung: Seit Februar ist seine Parkinson-Diagnose gewiss. „Da haben sich viele Dinge relativiert“ , sagt er. „Ich muss nicht mehr der Vorderste im Getümmel sein.“ Einen Tag verbringe er seither im Back-Office, aus etlichen Gremien und Jurys habe er sich zurück gezogen. „Ich bin dabei, mich etwas unsichtbarer zu machen“, sagt er – zur Stressvermeidung: „Ich habe zwanzig Jahre lang richtig gerockt.“
Weniger zu tun habe er dadurch aber nicht: Die Buchhandlung sei, nach wie vor, ein „Vollwaschgang“: „Ich würde gerne nochmal in die Phase kommen, wo ich sinnend dasitze und mich frage: ‚Was mach ich jetzt?‘ Aber das ist ein ganz irrationales Sehnsuchtsgefühl nach einem utopischen Moment, das vielleicht in zehn Jahren kommt, wenn ich den Laden abgegeben habe.“
Dampfer „Büchers Best“ auf Kurs
Der „Dampfer Büchers Best“, so Stü, ist weiterhin auf Kurs. „Wir haben hier eine beständige Grundstruktur geschaffen.“ Drei feste Mitarbeitende, regelmäßig Azubis und Praktikant*innen, und das auf 32 Quadratmetern Verkaufsfläche: „Wir sind betriebswirtschaftlich gesehen die Hummel. Was wir pro Regalmeter verkaufen, ist spektakulär.“ Wie zum Beweis geht schon wieder die Ladentür.
Das Büchers Best steht Hoch im Kurs, auch wenn sich Krise und Krieg auf den Absatz niederschlagen: „In der Aerodynamik würde man von Strömungsabriss sprechen“, beschreibt Stü. Sorgen mache er sich darob eher im Heidegger’schen Sinne: Was ist zu tun?
Mit großer Wahrscheinlichkeit befolgt er das Erfolgsrezept des Büchers Best konstant weiter. „Ich sage immer, wir sind offen für das Geheimnis und habe beschlossen, den Quellcode des Büchers Best unter die Leute zu bringen, weil es eine universale Message ist“, sagt Stü und steht tatsächlich auf, um es zu holen.
Das Hirn als erogene Zone
„Jetzt mache ich es mal spannend“, sagt er wieder in den Stuhl sinkend, und schiebt langsam eine Postkarte über den Tisch. Auf ihr steht: Do it, with love. So einfach ist das also. Stü lächelt verschmitzt: „So, jetzt ist es raus. Ich bin Alt-Hippie“ und setzt nach: „Das ist der Glutkern. Das ist es. Dass du nicht nur Bücher magst und Leute, sondern bereit, das Gehirn als erogene Zone zu begreifen und mit Vernunft und Poesie zu verführen.“ Verkauf, sagt er, sei eine künstlerische Form der Performance, die dem Tanz ähnle: Pirouetten, Überraschungsmomente, Dramaturgie, Beziehung.
Die Rückseite der Karte ist handschriftlich mit einer Notiz versehen: „Ein anderes Wort für Winken?“ Kollege Tommy Spottke entert den Raum und erklärt: „Ich habe mich gefragt: Gibt es da eins?“
Alles, auch Reifenwechsel
Nachdenklich und philosophisch, provokant und tröstlich: Gefragt ist der prämierte Laden eben nicht nur wegen der Bücher, sondern wegen seiner Kultur. „Es rufen dauernd Leute an“, erzählt Stü. Gratulant*innen, neue Verlage, Bewerber*innen. „Andere wiederum brauchen Lebenshilfe. Dann muss ich über alles Auskunft geben. Es ist doch gut, so eine neutrale Perspektive zu haben und einen Rückzugsort.“
Was nach zwanzig Jahren am meisten anklinge? „Dankbarkeit“, sagt Stü. Und die Geschichte des Büchers Best, die nach wie vor inspiriert und verpflichtet: „Unser Leitspruch war eine zeitlang ein Zitat aus einem Buch von Bukowski: ‚Wir machen alles außer Reifenwechsel‘. Das war unserem damaligen Praktikanten aber noch eine zu große Einschränkung, also hat er einer jungen Frau vor dem Laden den Reifen gewechselt“, erzählt er. Nun könne eigentlich ein Messingschild über dem Laden hängen, darauf tief eingraviert: „Sorgfältige Behandlung auch ausgefallener Wünsche“, sagt Stü.
Katzenjammer, Katzenglück
Zum Beleg zeigt er Exemplare aus dem Hinterzimmer: Sonderausgaben, nach denen das Team jahrelang gesucht hat, Erstausgaben, lange gewünscht und nie abgeholt. „Wir machen eben ein bisschen mehr als einfach nur ein Buch über die Theke reichen.“ Dazu gehört offensichtlich sogar Detektivarbeit – und ein Archiv der vergessenen Wünsche.
Die besondere Atmosphäre des Büchers Best bestimmte viele Jahre der rote Burma-Kater Musashi. Er hat sein neuntes Leben beschlossen und, so verrät Stü, man spricht im Laden über die Möglichkeit einer Nachfolge: Behutsam, tastend. „Die Trauerzeit scheint vorbei zu sein. Wir sind bereit, uns darüber Gedanken zu machen.“ Alles hat seine Zeit: Die Wünsche ebenso wie ihre Erfüllung, das Erinnern so wie das Vergessen. Fest steht: Die Würde des Buches bleibt unantastbar.
Buchhandlung Büchers Best
- Louisenstraße 37, 01099 Dresden
- Montag 12 bis 19 Uhr, Dienstag bis Freitag: 11 bis 19 Uhr, Sonnabend 10 bis 15 Uhr
- Telefon 0351 8015087, im Internet zu erreichen unter: www.buechersbest.de
Stü ist einfach der Beste! Freu mich schon auf die Sause zum Vierteljahrhundert! Thank you for everything!
was gibt es Besseres als Bücher???
Mein Mann meinte heute – du bist bücherverrückt… Ich fühlte mich geadelt, obwohl es nicht positiv gemeint war, angesichts der Bücherfülle in den Regalen in unserer Neubauwohnungen. Ich weiß aber, wo Bücher sind ist die Welt noch in Ordnung.
Also ein Hoch auf BuechersBest!!!