Der Poet Silvio Colditz trägt seine Lieblingsgedichte mit Tusche und Feder vor – auf dem Papier. Mit Akribie gelingen Worte zu schwungvollen Schrift-Bildern. Seine „Bibliothek der kalligrafischen Poesie“ ist unverkäuflich, aber öffentlich zu bestaunen.
Gedichte, erzählt Silvio Colditz, waren für ihn anfangs eine Sache, mit der sich eben auseinanderzusetzen zu sein sei, als Herausgeber einer Literaturzeitschrift. Der Gründer des „Maulkorb – Blätter für Literatur und Kunst“ hatte keinen wirklichen Bezug dazu, bis ihn die Poesie ins Herz traf. Er fusionierte sie mit einer zweiten Leidenschaft: der Kalligrafie.
Die letzte Zeile
Seit fünf Jahren nun arbeitet er intensiv an seiner „Kalligrafischen Bibliothek der Poesie“. Entstanden sind etwa 700 Werke unter Verwendung von Gedichten von 25 ausgewählten Autor*innen. Eine Auswahl ist derzeit im Drinnen&Draußen ausgestellt. Getreu den Merkmalen einer Bibliothek sind die kunstvoll gestalteten Papierbögen unverkäuflich. An die 16 Stunden sitzt Colditz an jedem Werk. Zum Einsatz kommen unterschiedliche Tusche-Sorten und Federn. „Am schlimmsten ist es, wenn in der letzten Zeile ein Fehler passiert“, sagt er. Dann ist alles verloren.
Der Kalligrafie hat er sich schon vor 15 Jahren autodidaktisch angenähert und es mittlerweile zur Perfektion gebracht. Er bedient sich nicht nur bereits bestehender Schriften, sondern kreiert auch eigene. Was ihn an dieser Kombination von Poesie und Schriftkunst beflügelt? Er lächelt verhalten. „Ich könnte versuchen, das zu rationalisieren. Aber ich möchte nicht.“
Kalligrafie live erleben
Bei seiner Arbeit müsse er komplett abschalten können. In der Stadt geht das mit Kopfhörern und lauter, harter Musik. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er dem Treiben in Dresden den Rücken gekehrt und war ans Ende der Welt in ein kleines Dorf unweit von Görlitz gezogen. Hier gediehen die Werke unter Eisvogelflügelschlag und Gänseruf. „Das Ende der Welt ist schön, und ruhig“, bemerkt Colditz mit einer Spur Wehmut. Aber der Puls der Kultur habe ihn wieder zurückgezogen.
Zum Neustadt Art Festival wird die Ausstellung an der Kamenzer Straße in einer dreitägigen Finissage gipfeln, freut sich Enna Miau, die Silvio Colditz auf dem bunten Brett entdeckte und ihn unbedingt in ihrer Galerie wissen wollte. Am Sonnabend und Sonntag darf man dem Künstler dann beim Kalligrafieren über die Schulter schauen und die ruhige Hand bewundern. Da die Werke nicht mit Geld zu bezahlen sind, hat Colditz eine Ausnahme gemacht: Für den Druckkostenbeitrag von acht Euro sind 48 der von ihm schriftlich interpretierten Gedichte in dem Band „Die Geste“ erhätlich. Gibt es auch im Büchers Best.
Kalligrafische Bibliothek der Kalligrafie
- im Drinnen&Draußen, Kamenzer Straße 62, 01099 Dresden
- Montag: 13.30 bis 17 Uhr, Dienstag: 10 bis 12.30 Uhr und 13:30 bis 17 Uhr, Mittwoch: 10 bis 12:30 Uhr und 13:30 bis 18:00 Uhr; und nach Absprache
- 3-tägige Finissage im Rahmen des „Neustadt Art Festivals“
Fr. 23. Sepetember, 13 bis 18 Uhr
Sa. 24.September, 13 bis 20 Uhr*
So. 25.September, 10 bis 16 Uhr*
*mit live kalligrafierendem Künstler vor Ort