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Wein: Praktisches und Philosophisches

Zum Spucken ist hier keiner gekommen! Es gibt auch gar kein Gefäß dafür, denn wenn man schon zu einer verrückten Weinprobe geht, dann sollte man wenigstens vernünftig genug sein und schlucken statt spucken. „Mut, Entdeckersinn und Weingenuss über das Glas hinaus“ hatte Martin Wels von Jacques‘ Weindepot verlangt und versprochen, als er (zusammen mit Heike Schmidt, die eine Filiale des Franchise-Unternehmens in Strehlen betreibt) ins Depot in der Neustadt eingeladen hatte.

Der Star des Abends: Clos d'Ora in der 9-Liter-Flasche – Foto: Ulrich van Stipriaan
Der Star des Abends: Clos d’Ora in der 9-Liter-Flasche – Foto: Ulrich van Stipriaan

Das Ziel des Abends war, einen Wein zu verkosten, der preislich, nun ja: etwas oberhalb dessen liegt, was man so normalerweise im Weindepot erwartet und auch auszugeben bereit ist. 190 Euro für eine Flasche Wein – das liegt exakt 186,22 Euro über dem Durchschnitt dessen, was Verbraucher (hier und nun immer: m/w/d) im Lebensmittelhandel 2021 ausgegeben haben (um Kopfrechnen zu sparen: 3,78 Euro – Quelle ist das Deutsche Weininstitut, DWI). Oops.

Kunden von Jacques Weindepot liegen da eh schon überm Schnitt, selbst die beliebten Weine im Karton (die korrekt Bag in Box heißen, wissen wir!) liegen fast alle überm Schnitt. So gesehen kamen also schon anspruchsvollere und auch erfahrene Weinfreunde zum Event, wie man an den persönlichen und herzlichen Begrüßungen erahnen konnte.

Zielstrebig zur Weinprobe… – Foto: Ulrich van Stipriaan
Zielstrebig zur Weinprobe… – Foto: Ulrich van Stipriaan

Verrückte Weinprobe mit einem 190–Euro-Wein

Nun wäre es zwar denkbar, aber irgendwie auch sinnlos, nur den einen teuren Wein zu probieren – und probieren bedeutet ja auch, dass man stilvoll verkostet und den Wein nicht als primären Durstlöscher benutzt. Also gab’s laut Programm drei Weine vorweg und obendrein unangekündigt, aber dankbar angenommen, einen Begrüßungsschluck aus der Box (mit Auswahlmöglichkeit rot, weiß, rosé sowie Italien, Spanien, Frankreich).

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120 Gäste waren das Ziel der beiden Veranstalter, aber die haben sie selbst bei einem so lukrativen Angebot (29,90 Euro Kostenbeitrag für vier Weine, Wasser und Brot) nicht erreicht. Wobei ja allein ein Glas des Abendstars hätte rechnerisch ein bissl was über 27 Euro kosten müssen, also was soll der Geiz beim lebenslangen Lernen? Warum 120 Gäste angestrebt waren, erklärt sich einfach: Wein aus großen Flaschen sind immer noch mal einen Tick besser. Und die aus ganz großen Flaschen sind erstens rar und sehen zweitens auch noch geil aus.

War also nix mit der Balthazar, wie man in der Champagne und im Burgund dies dicke 12-Liter-Ding nennt, in das 16 normale Flaschen Wein passen. Bei rund 80 Gästen musste es dann eine Nummer kleiner sein: neun Liter, Platz für zwölf Flaschen und auch mit Kosenamen versehen: Salmanazar. Warum die Flaschen so heißen wie Uralt-Könige, weiß ich nicht, aber Salmanassar III. war König von Assyrien und Balthazar einer der Hl. drei Könige – biblischer Stoff also.

Der Star des Abends wird gerne fotografiert – Foto: Ulrich van Stipriaan
Der Star des Abends wird gerne fotografiert – Foto: Ulrich van Stipriaan

Der Star des Abends aus der 9-Liter-Flasche

Der Star des Abends kam also in der 9-Liter-Flasche und war attraktiv in der Holzkiste geparkt, vor der die normale 0,75-Liter-Flasche stand, um den Vergleich zu haben. Clos d’Ora heißt das Weingut im Süden Frankreichs, und es ist eins von insgesamt elf Weingütern, die der ehemalige Rugbyspieler Gérard Bertrand in den schönsten Lagen des Languedoc-Roussillons bewirtschaftet. Er ist im besten Sinne des Wortes ein Verrückter und Getriebener, der sich das aber leisten kann – mit der Rugby-Kohle im Rücken kann man ja schon mal „nach 15 Jahren des Nachdenkens und der Vorbereitung“ den ersten Wein von Clos d’Ora herausbringen. 15 Jahre!

Das war 2002, seitdem gibt’s von da tatsächlich in der Weinszene anerkannte und gelobte Weine, was sicher auch daran liegt, dass Gérard Bertrand aus einer Winzerfamilie kommt, die Leute um ihn herum also durchaus wussten, was sie tun. In Zeiten des storytellings reicht das natürlich nicht, und um viel Geld oder auch sehr viel Geld von seinen Kunden zu nehmen, darf’s gerne ein bisschen mehr sein. Zum Betrand’schen storytelling gehört, dass der Ort mit ihm redete. In etwa so: er „spürt ein Gefühl der Ewigkeit, wie ein entfernter Ruf, der in seinen Träumen regelmäßig wiederkehrt und immer deutlicher wird. … Jedes Mal, wenn er diesen Teil des Weinbergs betritt, ist das Signal da.“ (Quelle). Ich tippe mal auf wenigstens hundert Euro im Endverkaufspreis für diese mystischen Signale.

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Biodynamischer Weinbau – Ökologisch und mehr…

Was – immer noch ein wenig Mystik, aber schon näher im Weinberg – Bertrand macht, ist spezielle Boden- und Rebenbearbeitung. Er beackert den Clos (was für ein mit Mauern umgebenes Stück Weinberg steht) nach den Regeln der Biodynamie. Das ist, wie ein engagierter Pfälzer Winzer mal formulierte, biologisch-ökologisches Arbeiten mit einem Schuss Glauben an das, was man obendrein noch tut. Wie auch immer: sowohl ökologischer wie auch biodynamischer Weinbau bedeutet, dass sie die Winzer um den Boden kümmern, dass sie die Natur ständig im Blick haben und gegebenenfalls lieber einmal zu viel als einmal zu wenig durch die Weinberge laufen, um sich die Reben anzusehen. Das ist anstrengend, kostet Zeit – aber die Anregung natürlichen Lebens bringt vor allem den gestressten Böden was.

Die Nase gehört ins Glas! - Foto: Ulrich van Stipriaan
Die Nase gehört ins Glas! – Foto: Ulrich van Stipriaan

Ein wenig, ehrlich gesagt sogar vielleicht ein wenig zu viel, von diesem theoretischen Überbau floss auch in den Abend ein. Denn Martin Wels, der durch den Abend führte, gab nicht nur praktische Hinweise (ANG: Auge, Nase, Gaumen), sondern bemühte auch philosophisches Gedankengut, wie es Gérard Bertrand vorspielt. „Ich muss Ihnen das so mitgeben, geht nicht anders!“ Also machten wir uns wunschgemäß innen und außen still und ließen uns auf die Schwingungen ein, die der Wein ausstrahlte. Und wir erfahren also, dass der Wein vom 9-ha-Weingut „Frieden, Harmonie und Liebe“ sei.

Drei Weine vor dem EINEN

Der Weg ist ja auch immer das Ziel, weswegen es bei den drei-Weinen-vor-DEM-Wein auch schon Hinführung und Lernstoff gab. Der erste Wein kam aus dem Bordeaux und war ein Rosé. Diana, die Göttin der Jagd, des Mondes und der Geburt, im Glas! Die Weine des Winzers waren die ersten, die es bei Jacques gab. Zweite Probe: ein Weißwein aus dem Languedoc (also schon hart am Clos d’Ora und in einer tollen Flasche aus dem Themenbereich Wine and Design serviert). Nach der Pause wurde es rot und auch der Winzer war schon der richtige, wenn auch der Wein von einem seiner anderen Weingüter kam – es gab einen 2019 Château l’Hospitalet Reserve. Was wir so noch nicht ahnen konnten: der hatte das beste Preis-Genuss-Verhältnis des Abends, weil schon sehr viel vom Clos d’or vorhanden war.

Die Kraft der zwei Korkenzieher – Foto: Ulrich van Stipriaan
Die Kraft der zwei Korkenzieher – Foto: Ulrich van Stipriaan

„ich habe noch nie so eine Flasche geöffnet“, sagte Martin Wels und öffnete die Flasche live. Das war einerseits schön, denn man sieht ja gerne, wie sich Leute abrackern. Andererseits sollte man ja großartigen (älteren) Rotweinen durchaus ein wenig Zeit geben, sich an die neue Freiheit zu gewöhnen – sie lagen ja lange genug unterm Korken. Insofern zeigte sich der Wein direkt nach dem Öffnen, obwohl er den Umweg über eine Karaffe nahm, ziemlich verschlossen. Das zweite Glas (ja, es gab Nachschlag!) deutete an, dass man sich hätte Zeit nehmen sollen für ein drittes oder viertes…

Läuft! - Foto: Ulrich van Stipriaan
Läuft! – Foto: Ulrich van Stipriaan

Carignan und Syrah standen schon vor Gérard Bertrand im Weinberg, Grenache und Mourvèdre wurden nachgepflanzt. Aus alten Reben wurden mittlerweile sehr alte, aus den jungen seit dem Setzen „alte Reben“ – dem Wein tut’s gut. Er hat, was man ihm nicht anschmeckt, satte 15,5 % Vol. Alkoholgehalt, ist furztrocken (1 g/L) mit moderater Säure (3,5 g/L). Die empfohlene Trinktemperatur sei 16 Grad, meint der Winzer. Vielen Gästen war das deutlich zu kalt, sie (Zitat) kuschelten ihn in ihren Händen auf mollige Annäherung an die Körpertemperatur – wohl in der irrigen Meinung, dass Zimmertemperatur die von sommerheißen Räumen sei und nicht die von eher frischen Châteaus. Aber vielleicht lernen wir ja auch was das anbelangt in diesem Winter dazu.

Ein Kommentar

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