Kommt ein Allergiker zur „Hechtbiene“, er will mal hören, was es so Neues gibt. Noch auf der Schwelle zur Gartensparte Fortschritt 1 im Hechtviertel, die Hand zum Gruß, erreichen ihn die News. Mehrfach und nachdrücklich. Bienen donnern gegen seine Stirn. Statt ruhig zu bleiben, wie Kenner, Liebhaber und andere geerdete Menschen, macht er, der Allergiker, was alle Allergiker machen: Rennen!
Panisch, die Arme fuchtelnd über den gesamten Gartenspartenacker, bis die Jacke von den Schultern fällt. Dann, weiterhin verfolgt von Bienen, wieder zurück über die Schwelle der „Hechtbiene“ und fast wieder zurück in die Kneipe am Eingang der Sparte. An den Ort, wo er vor dem Gesprächstermin nach dem Weg zur kleinen Imkerei im Hecht gefragt hatte (montags geschlossene Gesellschaft).
Ein paar Minuten später und ungefähr 20 Meter vor dem Eingang zur „Hechtbiene“ kommen die Imker und der Allergiker dann doch zusammen. Die News, die sie erzählen, ist eine andere: Eine Nacht vorher wurde eingebrochen und „die Beute“ eines „Biens“ umgeworfen.
Was ist mit dem Volk
Der Allergiker besinnt sich seines Auftrags und fragt: „Beute“? „Das Bien“? Sagt man nicht „Bienenvolk“? „Ja, man sagt natürlich auch ‚Bienen-Volk‘“, erklärt Johannes, einer der Drei. Aber der Name ‚Das Bien‘ betone noch stärker das Besondere einer Bienen-Gemeinschaft.
Und Urs, ein weiterer Imker des Teams: „Es ist ja auch so, der Name ‚Volk‘ ruft immer sofort Bilder auf, die wir ablehnen und auch biologisch gesehen hat „das Bien“ nicht viel mit „das Volk“ zu tun.“
Verwirrung. Stirnrunzeln. Überall juckt’s dem Allergiker. „Nun, mehrere Bienen bilden zusammen einen Super-Organismus.“ Einen was? „Ja, dadurch, dass viele einzelne Tiere zusammen eine Gemeinschaft bilden, verhalten sie sich so wie ein ganzes Tier“, so Johannes.
„Und dieses aus vielen Tieren bestehende Tier kann Sachen, die jede einzelne Biene nicht kann“, so Urs. Kompliziert, denkt sich der Allergiker. “‘Ein Bien‘ besteht aus einer Königin, ca. 15.000 männlichen und ca. 30-80.000 weiblichen Bienen. Alle zusammen sorgen zum Beispiel dafür, dass in der Beute die immer gleiche, angenehme Temperatur ist.“
Beute? „Die Holzkisten, die da vorne stehen, deren Wohnung. Die heißen Beuten. In jeder einzelnen lebt ‚ein Bien‘ – oder auch eben auch Bienenvolk.“ Auch das Honigsammeln sei echtes Team-Work – und das Abwehren großer, feindlicher Tiere erst recht, so die Imkerinnen und Imker. Eine Biene alleine schaffe das nicht.
Ruhe finden im Gewusel
Bienen begegnet man am besten so wie allen Lebewesen: In Ruhe und mit Respekt. Tut man das nicht, tut sie das auch nicht. Ergo: Die einzelne Biene stirbt beim Stechen und beim Menschen schwillt die Stichwunde an. Bei einigen wenigen Menschen kann es auch zu einem lebensgefährlichen Schock kommen. Zum Glück sind davon aber nur Wenige betroffen.
Und doch: Wegen dieser Gefahren werden Bienen als gefährlich und unkontrollierbar gelesen. Urs weiß darum. „Ja, die Stechgefahr, und schon allein das Gewusel der vielen Tiere eines Biens löst erst einmal Angst aus“. Daher arbeite er aber seit Beginn der Hechtbiene vor drei Jahren daran, sein Wissen über Bienen an andere weiterzugeben und ihnen dadurch diese Angst zu nehmen.
„Bienen sind eigentlich von Natur aus friedlich. Man mag es nicht glauben, aber mit ein wenig Übung, Erfahrung und vor allem Ruhe kann man ‚ein Bien‘ sogar streicheln als wäre es ein Hund oder eine Katze.“
Die Hechtbiene ist ein kleines Refugium, in dem es schwirrt und summt: Die Leute würden ihre kleine Imkerei als Bereicherung wahrnehmen, sagt das Imkerteam. „Viele kommen her und setzen sich auf unsere Bank, die ein paar Meter vor den Beuten steht“, so Urs. „Beim Anblick der emsig ein- und ausfliegenden Bienen kommen viele zur Ruhe und auch ins Erzählen, Philosophieren und Nachdenken. Über Bienen und auch ihr Leben.“
Eingriff in die Beute
Selbst Imkerinnen und Imker lassen Bienen aber möglichst in Ruhe, ergänzt Johannes. Die Beute zu öffnen, sei schließlich immer ein Eingriff und bedeute erst einmal Stress für die Bienen. In der Hochphase des Imkerns, die sich von Mai bis Ende Juli erstreckt, lassen sich diese Eingriffe dennoch nicht vermeiden. Manchmal müssen kleinere Winterschäden an den Beuten repariert werden. Vor allem aber muss nachgeschaut werden, wie sich das jeweilige Bien entwickelt und ob es ihm gut geht. Selbstverständlich ist auch die Ernte des leckeren Honigs eine Störung. Aber die Bienen bekommen dafür im Gegenzug zumindest Zuckerwasser.
Vandalismus im Refugium
Sobald das Gartentürchen offen ist, darf man in die Hechtbiene eintreten. Wer also spontan vorbeikommt und sich nicht ganz nahe ran traut, das aber dennoch möchte: Für Schutzkleidung ist gesorgt. Über das Jahr hinweg gab es bereits Führungen für Kindergärten. Auch die TU-Dresden war mit einem Kurs vor Ort.
Ist das Gartentürchen nicht offen, darf man nicht eintreten. Das muss leider gesagt werden, denn in der Nacht von Sonntag auf Montag kam es zu Vandalismus. Eine Beute wurde umgeworfen. Die Imkerin des Teams, Ivonne, fuhr gerade mit der S-Bahn zur Arbeit und sah von den Bahngleisen hinab auf die Hechtbiene, dass etwas nicht stimmte. Sofort kontaktierte sie Urs.
Für das Imker-Team war das ein Schlag. Wie viel Arbeit es doch bedeutet hat, das Vertrauen und den Zuspruch der Nachbarschaft zu gewinnen, und wie schnell es erschüttert sein könnte durch so eine bescheuerte Aktion. „Viele Stiche und Tränen später“ habe er den Kasten wieder hinstellen und die Bienen etwas beruhigen können, sagt Urs.
Wer auch immer das war, die Bienen werden diese Störung nicht ohne weiteres hingenommen haben und sich gewehrt haben. Heil davon gekommen wird der oder die Person jedenfalls nicht sein. Nein, Schadenfreude empfänden sie dennoch noch nicht – sondern eher Mitleid. Verbunden mit der Hoffnung, dass eine Störung der wuseligen-Ruhe-Oase im Hecht nicht noch einmal vorkommt.