Ehrlich gesagt: Regen stört mich nicht. Ich besitze keinen Schirm. Aber es gibt sie, diese vorbildlichen Menschen mit den großen Mantel- und Handtaschen, die plötzlich bei den ersten fallenden Tropfen ein kleines Päckchen hervornesteln und mit degengleicher Bewegung ein tragbares Dach hervorzaubern.
Und weil es diese Menschen gibt, gibt es auch das Schirmfachgeschäft Lippke auf der Königsbrücker Straße. Ein schmales Lädchen, von Bäcker und Uhrmacher an die Wand gedrängt, nicht viel breiter als seine eigene Tür.
Hinter der Verkaufstheke, die den Raum quer durchtrennt, steht Lieselotte Hoffmann vor Regalen, die vor lauter Schirmen fast bersten wollen. Hunderte stehen und liegen hier im Angebot, die genaue Zahl kann weder Mitarbeiterin Hoffmann noch Inhaber Rolf Lippke genau bestimmen. Es eröffnet sich mir ein Universum: Schirm ist nämlich nicht gleich Schirm. Es gibt sie für Herren, Damen, Kinder, Pärchen, für sonnige und regnerische Tage, zum praktischen Zusammenschnappen und eleganten Spazieren, für Bräute, für den Strand, fürs Camping und als Ergänzung zum Outfit.
Freilich, die Nachfrage an Schirmen hat nachgelassen. „Früher“ erzählt Lieselotte Hoffmann lachend, „war der Schirm das Auto des kleinen Mannes.“ Sie und ihre Schwester beschlossen nach Vorbild des Vaters Henry Hofmann selbst Schirmmacherinnen in Dresden zu werden. Ihr Geschäft „Hoffmann und Bouffé“ existierte bis 1998 in Dresden, wobei es 1970 auf den jetzigen Standort auf der Königsbrücker Straße verlegt wurde. Der heutige Schirmherr Rolf Lippke erlernte das Schirmmacherhandwerk bei den zwei Schwestern und übernahm das Geschäft. Er führt damit eine Firmentradition fort, die bis ins Jahr 1882 zurückreicht. Dieses Jahr steht der 130. Geburtstag der Firma ins Haus.
Lieselotte Hoffmann („Mit doppeltem F!“), Schirmmachermeisterin, Besitzerin von mindestens einem Dutzend Schirmen und Schönwetter-Verächterin, steht fast täglich in dem Geschäft. Die Voraussetzungen zur Schirmherstellung sind zwar gegeben, aber heute lebt das Lädchen von Reparaturen und (Online-)Verkauf. Hoffmanns Augen blitzen, wenn sie die mannigfachen Formen und Sorten von Schirmen erklärt. Mit Schwung lässt sie einen nach dem anderen auseinanderklappen, erklärt Muster und Funktionen – ja, sogar Taschenlampenschirme gibt es nämlich. Das alles müsste man zu schätzen wissen, sagt sie, gibt es doch so viel Billigkram zu kaufen. Schirme, die niemand reparieren lassen will, weil ein neuer weniger kostet.
Etwas klassisches, elegantes haftet dieser Begeisterung für Schirme an. Bilder von teuren Mänteln und Pelzkragen kommen mir in den Kopf, die nicht ohne stillos zu erscheinen unter einer Outdoor-Jacke versteckt werden können, sondern einen Schirm brauchen. Ein gespanntes Dach, unter dem man wandelt und sich einen kleinen, trockenen Raum schafft, in den sympathische Menschen bei prasselnden Regen sogar hineinschlüpfen können. Wie romantisch.
Den Schirm-Shop gibt es auch im Internet unter: www.schirmmitcharme.de
Ladenöffnungszeiten
Das Schirmfachgeschäft auf der Königsbrücker Straße 32 ist geöffnet:
Montag bis Mittwoch: 9:30 Uhr bis 13 Uhr und 14 Uhr bis 18 Uhr
Donnerstag: 9:30 Uhr bis 13 Uhr und 14 Uhr bis 18.30 Uhr
jeden 1. Sonnabend im Monat: 9 Uhr bis 12 Uhr
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Nachtrag 2013: Das Lädchen gibt es leider nur noch im Internet.
Was macht man eigentlich mit einem Regenschirm für sonnnige Tage an sonnigen Tagen? In der Tasche lassen?
Ungleich schwieriger wird die Situation, vom Regen überrascht zu werden und man hat nur einen Regenschirm für sonnige Tage dabei. Was dann …?
Naja, es gibt Schirme für Regentage – das sind die gemeinen Regenschirme… Und für sonnige Tage gibt es die wasserdurchlässigen Sonnenschirme. Du musst quasi für alles gewappnet sein .. Indem du möglichst viele Schirme besitzt :) Es gibt keine Regenschirme für Sonnentage!
Wow, Dein Schreibstil hat eine wunderbare Ästhetik, Du beherrschst die Sprache wirklich gut.
Seit letzter woche ist der Laden geschlossen und bereits ausgeräumt
Oh. Schade.