„Lebt ihr noch?“ – der Anruf kam am späten Abend. In Osten Polens sollen russische Raketen eingeschlagen sein. Die Nachrichtenlage ist unübersichtlich und gemeinsam mit meinem Kollegen und Freund Christoph Springer bin ich gerade in der Nähe der ukrainischen Grenze in der Stadt Chełm im Osten Polens. Gemeinsam hatten wir eine Spendenfahrt von Dresden aus organisiert.
Nur wenige Stunden zuvor waren wir erleichtert nach knapp 900 Kilometern Fahrt in Chełm angekommen. Hier gibt es ein Hilfslager für die Ukraine. Lieferungen aus dem Westen treffen hier täglich ein. Dann gehen die Transporte weiter nach Osten in die betroffenen Gebiete in der Ukraine.
Wir hatten aufgerufen und die Spendenbereitschaft war riesig. Allein an Barspenden und über ein eigens eingerichtetes Paypal-Konto (mykolaiv@neustadt-gefluester.de) waren etwa 2.600 Euro zusammengekommen. Dazu gab es jede Menge Sachspenden, insgesamt war die Fahrt rund 6.700 Euro schwer.
Zwischenlager im Osten Polens
Vor Ort in Chełm trafen wir eine sehr besorgte junge Frau. Victoria Smelyk kommt aus Luzk (Луцьк). Sie lebt derzeit in Polen und gehört hier in der Kleinstadt zum Organisationsteam der Ukraine-Hilfe. Als wir ankommen, berichtet sie uns erst einmal, dass heute ihre Heimatstadt wieder von russischen Angriffen getroffen wurde. Tatsächlich waren diese Angriffe die bislang heftigsten überhaupt. Große Teile der ukrainischen Energieversorgung wurden getroffen, aber eben auch Ziele weit im Westen wie Luzk und Lwiw (Львів).
Dann packen wir aus. Ein junger Bursche, Ukrainer und bestimmt noch keine 17 Jahre alt, flitzt heran und stapelt die Kisten auf Paletten, auch Victoria packt mit zu. Am Ende stehen wir vor vier aufgestapelten Türmen mit Spenden.
Noch einen Tag zuvor haben wir mit dem Bus von Jan Neumann, einem Mitarbeiter eines Dresdner Taxiunternehmens, die Spenden zusammengesammelt und im Großmarkt Nudeln, Reis und Konserven eingekauft. Auch warme Socken, Schlafsäcke und Hygieneprodukte waren dabei. Am Ende war der Transporter bis zur Oberkante gefüllt.
Beeindruckende Spendenbereitschaft
Wir sind immer noch beeindruckt, wie viel Spenden zusammengekommen sind. Als wir im Juni mit dem ersten Aufruf starteten, lief es ziemlich schleppend an. Aber umso näher der Abfahrtstermin kam, umso größer wurden die Spenden. Vielen Dank an den Konsum, der uns als einer der ersten Lebensmittel im Wert von rund 500 Euro spendierte. Auch Peter Simmel ließ von seinen Mitarbeiter*innen Kisten im Wert von rund 800 Euro zusammenstellen. Der Neustädter Internetprogrammierer Thomas Haase organsierte über seinen Freundeskreis Spenden im Wert von rund 1.600 Euro. Ivo Seidel, Organisator von Motorrad-Renntrainings, gab unkompliziert 500 Euro. Auch von den Neustadt-Geflüster-Lesern gab es diverse Sach- und Bargeldspenden.
Spenden-Ziel: Mykolaiv (Миколаїв)
Die abgeladenen Paletten stehen nun in Chełm im Lager und werden wahrscheinlich am Freitag nach Lwiw weitertransportiert. Von da geht es weiter nach Mykolaiv (Миколаїв) im Süden der Ukraine, dem Zielort unserer Spenden.
Später am Abend dann der Anruf. Nach hektischer Internetrecherche stellen wir fest, das Dorf Przewodów ist knapp 100 Kilometer weiter südlich von uns und die Nachrichtenlage höchst unklar. Eine gute Zusammenfassung der Situation gibt es im Deutschlandfunk. Am nächsten Morgen schwingen wir uns in den nun leeren Transporter und fahren zurück in den Westen.
Reichlich 200 Euro sind übriggeblieben. Einen Teil werden wir direkt weiter an Arche Nova spenden, die eine spezielle Winteraktion für die Ukraine gestartet hat. Ein weiterer Teil soll der Grundstock für die nächste Sammlung werden. Dann hoffentlich zur Unterstützung des Wiederaufbaus nach dem Ende des Krieges.
Nachtrag 26. November
Heute haben wir die Meldung erhalten, dass alle vier Paletten in unserem Zielort in Mykolaiv angekommen sind. Mein Freund und Kollege Christoph Springer hat die Reise aus seiner Sicht im Unkorrekt-Blog aufgeschrieben. Teil 1, Teil 2, Teil 3.
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