In den vergangenen zwei Silvesternächten war es aufgrund der Pandemie-Vorschriften vergleichsweise ruhig. In diesem Jahr gibt es diesbezüglich keine Einschränkungen mehr. Das ist vor allem für Tiere im Stadtgebiet eine erhebliche Belastung. Ein Gastbeitrag von Christina Loose, ehrenamtliche Naturschutzhelferin des Naturschutzdienstes in Dresden.
Höhlen- und andere Mitbewohner
Wie so oft, wenn die ersten Raketen und Donnerschläge an den Abenden vor dem Jahreswechsel zu vernehmen sind, denke ich an Vögel und andere Tiere, die in unserer Stadt leben und deren Vorkommen ich seit langem im Jahresverlauf verfolge, wie sie wohl die Silvesternacht überstehen werden.
Am Rosengarten sitzen seit 2014 regelmäßig ein bis zwei Waldkäuze1. Die letzten sicheren Brutnachweise gab es 2017 und, mit ungewissem Erfolg, 2020. Es scheint also nicht das attraktivste Revier zu sein, doch immerhin gibt es diesen Höhlenbaum und wohl auch Mäuse.
Auf der Forststraße existierte bis 2012 ein beständig besetzter Tageseinstand eines Waldkauzes in einer Kastanie. Wie lange dauert es, bis in solchen Fällen ein adäquater Ausgleich entstanden ist? Schlanke junge Bäume in pflegeleichter Form sind es erst einmal nicht und häufig werden sie es nie.
Besondere Lebensräume zu entdecken und von ihren Bewohnern hier mitten in der Stadt zu wissen, ist für mich sehr erbaulich. Ein alter Baum mit einem entsprechend großen Astloch oder Abbruch ist für eine heimlich lebende Eule ein geeignetes Versteck, um den Tag zu verbringen, bis sie in der Abenddämmerung zur nächtlichen Jagd aufbricht.
Blendwirkung, Panik, Hörverlust, Orientierungslosigkeit
Wird die Eule in dieser Nacht die Laute der Mäuse wahrnehmen und Beute machen können? Glücklicherweise sind sehr milde Temperaturen angesagt, so dass der Hunger vielleicht nicht lebensbedrohlich wird. Untersuchungen der Auswirkungen von Silvesterfeuerwerken auf Vögel belegen jedoch Flugunfähigkeit, Verletzungen und Schädigungen durch Blendwirkung, Explosions- und Knalltraumata, Hörverlust, Panik, Orientierungslosigkeit.
Im aktuellen Heft der ornithologischen Zeitschrift „Der Falke“, 12/2022, Aula-Verlag, wird neben den genannten Gefahren über einen Vorfall aus der italienischen Hauptstadt Rom berichtet, wo Anfang 2021 trotz Böllerverbotes Hunderte Stare im Feuerwerk zu Tode kamen2. Außerdem berichtet die Zeitschrift über zwei neue Untersuchungen an wildlebenden Gänsen zum Thema.
Entlang der Elbe überwintern in Dresden ebenfalls Graugänse, derzeit mindestens 100 auf den zentralen Elbwiesen. Keine Ahnung, wohin sie flüchten werden. Bereits die unentwegten Störungen durch frei laufende Hunde bergen ein ständiges Stresspotenzial. Hastig fressend, kaum Möglichkeiten zum Ruhen, um die geringe Energie des Grünfutters zu nutzen, stiebt die Schar bald wieder auseinander und dem Wasser zu, wenn ein sportlicher Vierbeiner angeflitzt kommt. Und das oft mehrmals stündlich.
Anfang 2016 erreichte mich die eindrucksvolle Dokumentation des Johannstädter Bibers, wie er in der Nähe der Prießnitzmündung aufgeschreckt der Strommitte zustrebte. Die Begeisterung des Fotografen, ein „Feuerwerk mit Biber“ eingefangen zu haben, konnte ich, außer der sicher bemerkenswerten Naturbeobachtung, nicht richtig teilen.
Früher haben mir Feuerwerke gefallen und zu Silvester habe ich Raketen in den Himmel geschickt. Seit ich mich mit unserer Natur beschäftige und sie mit Leidenschaft beobachte, es mich interessiert, welche Tiere und Pflanzen in unserem Umfeld vorkommen, bringe ich es nicht mehr übers Herz, mich daran zu beteiligen. Mein Wissen darum, wie kostbar der Reichtum der Natur für das eigene Leben sein kann, dass eine Großstadt eben genau darum keine Betonwüste sein muss, lässt mich mit Leichtigkeit Rücksicht und Kompromisse finden, den tierischen und pflanzlichen Mitgeschöpfen ihren Raum zu lassen.
Meinen eigenen Hund würde ich angeleint großräumig um eine Gänseschar herumführen, bevor er wieder herumstöbern und rennen darf. Angesichts der zu erwartenden wüsten Knallerei, Staub- und Müllmengen, habe ich eher das Bedürfnis, Ohren und Nase in Sicherheit zu bringen und allen Zwei- und Mehrbeinern viel Glück zu wünschen.
Anmerkungen der Redaktion
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1 Der Waldkauz ist eine der häufigsten Eulen in Deutschland, nichtsdestotrotz streng geschützt. Ein Porträt über den Vogel beim Naturschutzbund.
2Ein Bericht zu dem massenhaften Vogelsterben gibt es auch in der österreichischen Zeitschrift „Der Standard“.
Die Tiere können einem wirklich leid tun, man sieht ja schon bei Haustieren den Horror, unter anderm daher gebe ich kein Geld für Sprengstoff aus.
Ein kleiner Trost ist wohl, dass die Siedlungsfläche in Deutschland unter 10 Prozent beträgt, 14 mit Strassen, die meissten Tiere im Lande werden also wenig mitbekommen.
Ich muss auch zugeben, dass es sich gut anfühlt diese Euphorie heute Nacht auf den Straßen zu sehen…
Frohes Neues!
sehr schön u. einfühlsam geschrieben. leider denken in dieser stadt zu wenig menschen so wie ja der gestrige tag u. heutige morgen gezeigt hat.
ganz im gegenteil. von denken kann bei denen die sich hier wie irre gebärdet haben nicht die rede sein. anstatt eines herz vermute ich einen stein. es muss schlimm gewesen sein gestern! für ALLE tiere! haus-, zoo/zirkus-, benutz- und wildtiere…
Dieses Jahr war es besonders schlimm: Meine alter Kater war bereits ab 20 Uhr nicht mehr unter dem Sofa vorzulocken und blieb auch bis zum Morgen dort. Zwei Amseln, die um diese Zeit schlafen sollten, sah ich im Mitternacht vor hell erleuchteter (Böller-)Kulisse flüchten und eine Freundin erzählte, sie habe die halbe Nacht den vor Angst zitternden Hund, der hier sein erstes Silvester erlebte, streicheln und beruhigen müssen…
Von Verletzten, Dreck, Luftverschmutzung und Vandalismus ganz zu schweigen.
Böllerverbot: Ja bitte!
Meine Kinder wollten so gern den Baum finden und ihn beobachten Wir lesen gerade ein Buch über Waldkauze. Leider haben wir ihn nicht gefunden…Wo genau steht er?
Eine Bitte an Autorin und NG: Bitte den genauen Standort des Kauzes nicht öffentlich lesbar im Internet teilen. :-( Man weiß nie, wer da mit welchen Absichten noch mitliest.
Wenn es Kindern eine so wichtige Herzensangelegenheit ist, dann können sie wiederkommen und weitersuchen. Sie könnten sogar etwas für’s Leben lernen á la „Das steht nicht im Internet, da muss ich mich anstrengen und gedulden“…
@Kauzsuche: Bitte melde dich per Email:
Gebietsbetreuer_Priessnitzgrund@web.de.
Herzliche Grüße, Christina Loose
@Kauz mich in Ruh!
Dein Hinweis spricht für Verantwortungsgefühl für den Artenschutz. Auch wenn der Waldkauz weit verbreitet und im Bestand als nicht gefährdet gilt, ist er doch streng geschützt, d.h. jedes einzelne Vorkommen zählt. Interesse und Entdeckerfreude sollten jedoch nie zu einer Beunruhigung der Vögel führen. Tatsächlich kommt es leider nicht selten vor, dass z.B. Fotografen zugunsten ihres Ergebnisses selbstvergessen agieren, anstatt zuerst das Wohl des Objektes (was eigentlich ein Subjekt, zumindest ein Individuum ist) zu beherzigen.
Und richtig ist auch, dass sich besondere Naturbeobachtungen nicht auf Bestellung abholen lassen. Selbst moderne Zoos richten ihre Unterbringung immer mehr an den natürlichen Bedürfnissen der Tiere aus und bieten ihnen Deckung und Versteckmöglichkeiten an. Wer sich die Zeit nimmt, seinen Blick einmal frei schweifen zu lassen, wird mehr darüber erfahren, was sich in der Umgebung gerade ereignet. Das geht vom Balkon aus oder auf einer Parkbank. Eine schimpfende Amsel kann beispielsweise anzeigen, wenn sich eine Katze anschleicht. Dann ist in der Brutzeit wahrscheinlich auch ein Nest in der Nähe. Oder wohin fliegt die Kohlmeise mit der Raupe im Schnabel? Man muss nur darauf achten.
@Antje: Wenn man mit Tierschutz argumentiert, sollte man wohl eher die Wohnungs- und/oder Einzelhaltung von Hunden und, mit Einschränkungen, Katzen strenger reglementieren.
Denn diese leiden nicht nur einen Tag im Jahr.
An einer Petition für das Verbot von Silvesterfeuerwerk für Privatpersonen kann man sich hier beteiligen:
https://www.change.org/p/verbot-von-silvesterfeuerwerk-f%C3%BCr-privatpersonen-lewemarkus-staedtetag-bmu
Mit welcher Leichtigkeit hier ein Böller- und Raketenverbot gefordert wird ist ungeheuerlich im wahrsten Sinne des Wortes. Wie sollen denn sonst die bösen Geister des alten Jahres vertrieben werden, wenn nicht durch Puff-Peng und Blitz-Paff? Und dann heulen, wenn überall Geister sind.
Mir ist berichtet worden, dass jemand am Blauen Wunder Knaller unter die ruhenden Wasservögel (Graugänse, Höckerschwäne, Stockenten) geworfen hat, was meine Befürchtungen, die mich zu diesem Artikel veranlassten, leider bestätigt. Wer macht so etwas? Die angerufene Polizei soll gemeint haben, dass sie nichts machen kann.
Angesichts dessen und im Hinblick auf gewalttätige Ausschreitungen in Großstädten während der Silvesternacht, denke ich, dass diese Vorgänge dafür verantwortlich sind, wenn es zu einem Böllerverbot kommen sollte, nicht zwingend diejenigen, die das Verbot fordern. Mir persönlich sind Initiativen des Einzelhandels, Feuerwerksartikel aus dem Sortiment zu nehmen, sehr sympathisch.