Kürzer als Avatar, aber ebenso bildgewaltig. Länger als TikTok, aber ebenso vielfältig: Das 35. Filmfest Dresden geht endlich wieder voll besetzt an den Start – mit neuen Spielstätten, 371 Filmen und dem Schwerpunkt Anti-Rassismus. Der Ticketverkauf ist gestartet.
„Exit Happyland“ – unter diesem Motto lädt das Internationale Kurzfilmfest Dresden vom 18. bis zum 23. April auf einen Blick in die Fenster zur Welt ein. Dort regnet es und die Erfüllung von Träumen kann weh tun. Lachen auch. Wie könnte man die persönliche Komfortzone bequemer verlassen als im Kinosessel? Das Filmfest wird auch in diesem Jahr zum Drehkreuz queerer, indigener, avantgardistischer, unerwarteter Perspektiven: animiert und real, fiktional und dokumentarisch.
Im Beipackzettel steht: Kurzfilme gehen ans Herz und verursachen Kopf-Kribbeln. Meeres-Tiere als unfreiwillige Vitrinen menschlichen Mülls, Chemnitz als Orangenhaut von Sachsen, ein heißes Kamel und eine kalte Schlange, die Freundschaft schließen … „Endlich dürfen wir wieder alle Kinosessel besetzen“, zeigt sich Festivalleiterin Sylke Gottleben erfreut wie dankbar darüber, dass die aktuellen Sponsor*innen die Belastungen durch die Inflation in diesem Jahr auszugleichen bereit waren.
Porn & Protest
Das Programm richtet sich nicht nur an Fachpublikum, sondern lädt Cineast*innen jeden Alters vor und hinter die Leinwände ein. Erstmalig kann das Publikum in der Scheune-Interimsstätte Blechschloss die Arbeit der acht Festival-Jurys beim „Kurzfilmlotto“ nachempfinden und sich einem gänzlich unbekannten Filmabend aus der Lostrommel stellen – Ausgang ungewiss. „Wer bis zum Ende durchhält, kann etwas gewinnen“, lockt Festivalleiterin Anne Gaschütz. Als weiteres Schmankerl der Digestif-Reihe sei „Pimmel Porn Protest“ erwähnt, das gesellschaftliche Normen von Sexualität und Körper infrage stellt.
Trigger und Trotzköpfe
Im reich bestückten Sonderprogramm feiern Filme Premiere, die teilweise 50 Jahre lang in Schubladen verstaubten, richtet sich der Blick auf den komplexen Begriff Heimat und erleben Zuschauende Realitäten aus dem Iran und der iranischen Diaspora. Das Rahmenprogramm bietet u.a. Ausstellungen im Raskolnikoff, die beliebten Sandwich-Talks und einen Neustadt-Rundgang mit Dresden Postkolonial. Das Hole of Fame unweit der Schauburg wird Austragungsstätte hitziger Diskussionen sein, wie der um Triggerwarnungen, die auch im Festivalprogramm Verwendung finden.
Schauen, denken, streiten, fühlen verschmelzen beim Filmfest Dresden in flimmernder und schillernder Manier – auch für junge Zuschauende. Das internationale Kinderprogramm wird dafür live übersetzt. Damit das Junge Kuratorium auch über das Jahr besteht, wurde am 19. März der Kurzfilmclub gegründet. Schon jetzt mit Warteliste. Hier wachsen die nächsten Generationen von Kino-Liebhaber*innen heran, so wie das Filmfest Film-Koryphäen in die Welt streut und wieder empfängt. So präsentiert zum Beispiel der kanadische Regisseur Matthew Rankin nicht nur einen eigenen Film, sondern kuratiert das Programm zum Fokus Québec.
Open-Air auf dem Schlossplatz
Das kostenlose Openair-Programm des Filmfests findet 2023 nicht auf dem Neumarkt, sondern auf dem Schlossplatz statt. Die Filmnächte Dresden als Hauptpartner veranstalten unterm Sommerhimmel die beliebte Kurzfilmnacht und liebäugelt auch mit dem Gedanken, Kurzfilme im Vorprogramm einzelner Filmveranstaltungen zu bringen. So viel konnte Matthias Pfitzner, ehemaliger Mitgründer des Filmfests, schon verraten.
Einen zartschmelzenden Lotsen durch das reichhaltige Programm hat die Eis-Manufaktur PauPau zur Verfügung gestellt. Hier wurde die Vorliebe für Eissorten auf das Festival-Programm übertragen: von veganer Erdbeere bis Zimt-Grießbrei – welcher Kurzfilmtyp bist du?
Seinen fulminanten Abschluss wird das Filmfest nach der Preisverleihung in der Groovestation mit einer Drag-Show finden: Glitzer ist Pflicht. Damit geht in diesem Jahr auch die Themen-Trilogie „Diskriminierung“ zuende. Doch wir alle wissen: Nach dem Filmfest ist vor dem Filmfest.
Filmfest Dresden vom 18. bis 23. April 2023
- 13. April, 19 Uhr: Sahneschnittchen. Preview im Thalia-Kino
- kostenfreies Openair auf dem Schlossplatz: Dienstag 19 bis 22 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 14 bis 22 Uhr
- 20. April, 18 Uhr: Kurzfilmlotto im Blechschloss
- 22. April, 20 Uhr: Preisverleihung in der Schauburg, danach Festival Drag-Party in der Groovestation
- 21. Juli, 21.30 Uhr: Kurzfilmnacht bei den Filmnächten am Elbufer
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