Am Montag, den 17. April 2023, stellten Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne), Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) und der Direktor des Dresdner Verkehrsmuseums Michael Vogt das Konzept „Bahnhof der Erinnerung. Begegnungs- und Gedenkort. Dokumentationszentrum“ vor. Das Konzept soll die Eisenbahngeschichte am Alten Leipziger Bahnhof erlebbar machen und den Außenbereich des Bahnhofs als interaktiven Bildungsort gestalten.
Der Alte Leipziger Bahnhof war Dresdens erster Fernbahnhof. Er markiert den Aufbruch in das Zeitalter moderner Mobilität und war ein Meilenstein für die regionale Industrieentwicklung. Künftig soll hier anhand erhaltener, historischer Bausubstanz, aber auch neuer Elemente die Geschichte interaktiv erlebbar gemacht werden und zugleich zum Nachdenken über die Zukunft der Mobilität anregen.
Bahn-Geschichte, Schoah-Gedenkort, kulturelle Begegnungsstätte
Das Konzept soll mit den bereits beschlossenen Plänen für einen Schoah-Gedenkort und einem kulturellen Begegnungszentrum zusammengeführt werden. Der ehemalige Güterbahnhof diente im 20. Jahrhundert als Ausgangspunkt für Deportationszüge von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und ist zugleich ein Mahnmal eines Täterortes.
Die Umsetzung des Konzepts zum Alten Leipziger Bahnhof soll im Kontext der kooperativen Quartiersentwicklung „Alter Leipziger Bahnhof“ erfolgen und die historischen Zeugnisse in den diversen Facetten der Mobilität, der Industrie- und Sozialgeschichte Sachsens einschließlich der Deportationen in die Vernichtungslager für die Nachwelt sichtbar machen. Der Außenbereich zwischen dem Zugang über die Eisenbahnstraße, dem Bahnsteig inklusive Gleis sowie der Ruine des Ringlokschuppens und dem dahinterliegenden Gebiet sollen jeweils einem Themenbereich des Erlebens zugeordnet werden, die interaktiv ausgestaltet werden.
Museumsdirektor Michael Vogt betonte, dass der Alte Leipziger Bahnhof der letzte authentische Ort der ersten Fernbahnstrecke Deutschlands sei und ohne diesen Ort die Industriegeschichte Deutschlands nicht gegeben hätte. Im Verkehrsmuseum Dresden im Johanneum soll die ganze Geschichte erzählt werden und auf das bedeutende Industriedenkmal verwiesen werden, das geeignet ist, touristische Strahlkraft zu entfalten.
Geschichtlicher Exkurs zur Eisenbahnstrecke Dresden–Leipzig
Das Königreich Sachsen musste nach den Napoleonischen Kriegen 1815 fast zwei Drittel seiner Fläche an Preußen abgeben und war wirtschaftlich geschwächt. Man war offen für Ideen zur Industriealisierung und sah in England die dampfbetriebene Eisenbahn als Möglichkeit, unabhängig vom Standort der Kohle-Werke zu produzieren.
Der Nationalökonom Dr. Friedrich List veröffentlichte 1833 Pläne für ein deutsches Eisenbahn-System mit Leipzig als zentralem Knotenpunkt. 1835 gründeten 12 Leipziger Kauf- und Geschäftsleute die „Leipzig-Dresdner Eisenbahn Compagnie“ (LDE) als private Aktiengesellschaft. Zur Ostermesse 1835 wurden 15.000 Aktien zu je 100 Taler innerhalb weniger Stunden gezeichnet. Die nördliche Trasse über Strehla wurde aufgrund des Rats der Stadt Strehla abgelehnt und über Riesa geführt.
Die Strecke wurde termingerecht vollendet und am 7. April 1839 fuhr der erste Zug mit Ehrengästen und Vorstandsmitgliedern der LDE über die Elbebrücke nach Dresden. Die Königlich-Sächsische Post senkte dank der schnellen Verbindung ihre Tarife. Es entstanden weitere Strecken und die LDE wurde Teil eines europäischen Eisenbahnnetzes. Mit dem Bau der Eisenbahn erfüllte sich Lists Prophezeiung, dass sich die staatliche Einheit Deutschlands vollziehen werde.
Mit dem Bau der Strecke wurden an ihren Endpunkten in Leipzig und Dresden repräsentative Bahnhofsgebäude errichtet. Der Dresdner Bahnhof in Leipzig wurde mit dem Bau des Hauptbahnhofs abgerissen. Der Leipziger Bahnhof in Dresden blieb dagegen in der Grundstruktur mit Elementen aus der Frühzeit trotz Umbauten und Umnutzungen erhalten. Das markante Gebäude mit den zwei Hallen und den Torbögen wurde mit der Einweihung der Strecke in Betrieb genommen. Es stand parallel zur heutigen Eisenbahnstraße. Abgesehen von einigen Um- und Erweiterungsbauten wurde es bis um 1850 genutzt.
Danach erfolgte ein Neubau des Gebäudes mit der nun markanten Mittelhalle und dem Uhrenturm. Wobei das Gebäude um ca. 90 Grad gedreht wurde und parallel zur Großenhainer Straße stand. 1852 wird der Mittelteil des alten Empfangsgebäudes abgerissen, 1875 ist das gesamte Gebäude nicht mehr vorhanden. Der später errichtete zweite Gebäudekomplex wurde in den letzten Kriegswochen 1945 zum Teil zerstört. Ein Wiederaufbau durch die Deutsche Reichsbahn kam nicht zustande, sodass das Gebäude stark verfiel.
- Ausführlicher in unserer fünfteiligen Serie: Dresdens erster Fernbahnhof.
Schon vor vielen, vielen Jahren gab es die Idee, das Verkehrsmuseum und seine umfangreichen Sammlungen in das Areal des Leipziger Bahnhofs zu verlegen. Nun ist es eigentlich zu spät. Ein Biotop im ehemaligen Gleisfeld ist herangewachsen, da werden sicher seltene Tiere und Pflanzen ihre Zuflucht gefunden haben…
Eigentlich ist alles so armselig in Dresden. Das Festklammern am Barock bringt die Stadt nicht in die Zukunft.
Helge