Ich bin an der Dreikönigskirche geboren, dort aufgewachsen und konfirmiert worden. Ich sah vom Kinderzimmer aus den 87 Meter hohen Turm und einen Teil des Westflügels. Fast jeden Tag führte mich mein Weg zur Schule an dieser Kirche vorbei. Mitunter kletterten wir Kinder die Steinsockel empor und blinzelten durch die kaputten Fenster in den Innenraum. Dort lagen die Trümmer, denn die Kirche wurde in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 bis auf die Grundmauern zerstört.
Eine evangelische Pfarrkirche wurde in Altendresden schon vor 600 Jahren gebaut. Das Gotteshaus „Zu den heiligen drei Königen“ stand dort, wo der Neustädter Markt in die Hauptstraße übergeht. Es gab im Jahr 1429 Zerstörungen durch die Hussiten. Noch im gleichen Jahr erfolgte der Wiederaufbau der Kirche.
August: Kirche versperrt die Sicht
Der große Stadtbrand von 1685 ließ die zweite Dreikönigskirche erneut in Schutt und Asche versinken. Kurz vor dem Tod des Kurfürsten August des Starken lautete der Befehl der Majestät: Abbruch der Kirche, denn sie versperre die Sicht auf die neu entstehende Hauptstraße. Der Kurfürst gab einen Friedhof zur Bebauung frei und versprach, die Kosten für ein neues Gotteshaus zu übernehmen. Der Kirchenvorstand willigte nicht unverzüglich ein, doch das Geld für einen kostenlosen Neubau überzeugte letztendlich.
Die Baumeister Daniel Pöppelmann und George Bähr schufen nunmehr die dritte Dreikönigskirche. Sie standen allerdings vor einem schwierigen Problem. Der Bau musste sich in die Straßenfront der neuen Prachtallee einordnen und der Altar würde nun nicht wie üblich nach Osten, sondern nach Westen gerichtet sein.
Weihe 1739 noch ohne Turm
Man erinnerte sich einer alten Tradition beziehungsweise eines Tricks. Der Bildhauer Benjamin Thomae schuf einen sieben Meter hohen Sandstein-Altar mit den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen. Nur die klugen Frauen fanden den Weg zum Hochzeitsfest, weil sie Lampen mit Öl bei sich trugen. Die törichten Frauen verirrten sich in der Dunkelheit – ein Motiv aus dem Matthäus-Evangelium.
Die Sandsteinskulpturen der heiligen drei Könige über dem äußeren Westportal gaben der Kirche den Namen. 1739 wurde die Kirche, die bis zu 3.000 Menschen fasste, feierlich eingeweiht. Die Glocken läuteten erst 20 Jahre nach der Einweihung.
Über 200 Jahre war die evangelische Dreikönigskirche eines der Wahrzeichen der Inneren Neustadt. Neben Taufen und Hochzeiten erlebten tausende Konfirmandinnen und Konfirmanden hier die feierliche Konfirmation, so auch der spätere Schriftsteller Erich Kästner am Palmsonntag 1913.
Wiederaufbau in den 1970ern
Die aktive Kirchgemeinde agierte auch nach dem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg weiter. Sie veranstaltete trotz der Zerstörung weiterhin Gottesdienste im Westflügel, enttrümmerte in den 1960er Jahren das Hauptgebäude. An der Aktion Sühnezeichen1, initiiert von der evangelischen Kirche, beteiligten sich hunderte Helfer, darunter junge Engländer aus Coventry, der Partnerstadt Dresdens.
Die umliegenden Bäcker, so auch Bäckermeister Vetter, der „An der Dreikönigskirche“ eine Konditorei besaß, spendeten für die freiwilligen Enttrümmerer.
1977 erhielt die Gemeinde die offizielle Genehmigung zum Wiederaufbau, verbunden mit der Glockenweihe. Ein Plan sah den Wiederaufbau des Kirchenschiffs zunächst als Freilichtraum vor. Mit Hilfe eines Sonderfonds der Evangelischen Kirche und des Kirchenbauprogramms der DDR entstand Schritt für Schritt der mühevolle Aufbau. Während die ursprünglich äußere Form erhalten blieb, erfuhr das ruinierte Innere eine völlig andere Raumaufteilung.
Konstituierende Sitzung des sächischen Landtages
Nach der Wiedervereinigung bekam die Straße ihren alten Namen2 zurück, die Dreikönigskirche wurde zum „Haus der Kirche“ umfunktioniert. Am 27. Oktober 1990 wurde im Festsaal die konstituierende Sitzung des Sächsischen Landtages abgehalten und drei Jahre später die sächsische Verfassung verabschiedet. Insgesamt stehen zehn Konferenzräume zur Verfügung.
Unter der Orgelempore fand das steinerne Relief „Dresdner Totentanz“ von Christoph Walther I.3 seinen Platz. Der Knochenmann führt den Reigen an; gefolgt von Kaiser, König, Ritter bis zum Bettler. Damit wird an die Vergänglichkeit des Lebens erinnert. Die heutige Orgel mit 36 Registern wurde von der Firma Eule aus Bautzen erbaut und steht auf der Orgelempore gegenüber dem Thomae-Altar.
Führt mich ein Spaziergang durch die Hauptstraße, gehe ich gern in das Gebäude, indem ich sogar mein Buch „Weihnachten in Sachsen“ vorstellen durfte, Bräuche und Traditionen in der Advents- und Weihnachtszeit. Regelmäßig finden in den Räumen verschiedene Vorträge und Ausstellungen statt. Ich empfehle allen rüstigen Personen eine Turmbesteigung. Der Turm wurde erst mehr als einhundert Jahre nach Fertigstellung der Kirche errichtet, immer fehlte das nötige Geld. Die Aussicht auf die Stadt und Dresdens Umgebung ist faszinierend.
Die Delphine sprudeln Wasser
Ein Rundgang um die Kirche führt zum Platz „An der Dreikönigskirche.“ Das Areal ist von Restaurants und vielen Bänken unter Bäumen umgeben. In der Mitte des Platzes befindet sich der Rebecca-Brunnen. Gewählt wurde ein Thema aus der Heiligen Schrift, die biblische Gestalt der schönen Rebecca mit dem Wasserkrug. Am Beckenrand des Denkmals sind vier Zinkschalen, darüber ein Delphinkopf angebracht. Zu Rebeccas Füßen spenden vier Delphine Wasser. Der Delphin gilt als Symbol des Fisches und weist auf die christliche Geschichte hin. Erbaut wurde das Wasserspiel um 1864 und es sprudelte von Arbeitsbeginn bis abends um acht.
Die Bombennacht überstand der Brunnen, doch Wasser sprudelte danach nicht mehr. Später verschwand sogar die über fünf Meter hohe Rebecca- Figur, auch die Delphine erlitten Zerstörungen. 1994 wurde der Brunnen neu erstellt. Nach historischen Bildern entstand die Plastiken originalgetreu. Die verloren gegangene Rebecca wurde an der Kunsthochschule Giebichenstein in Halle (Saale) neu modelliert. Auch die Brunnenumrandung und das Sandsteinportal bekamen neuen Glanz. Das alte Kopfsteinpflaster auf dem Platz erinnert an die historische Geschichte.
Autor Dietmar Sehn
Der Autor dieser Zeilen ist 1944 geboren und wuchs in der Inneren Dresdner Neustadt auf. In unregelmäßigen Abständen bereichern seine Texte das Neustadt-Geflüster. Er hat mehrere Dresden-Bücher geschrieben. Die obige Geschichte stammt aus dem Buch „Unser Elbflorenz“ – Dresdner Flussgeschichten, erschienen im Wartberg-Verlag, ISBN 978-3-8313-2141-4
Anmerkung der Redaktion
1 Die Initiative entstand 1958 und stellte sich die Aufgabe, durch das Eingeständnis deutscher Schuld eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu bewirken. Mehr Infos in der Wikipedia.
mehr
2 von 1946 bis 1991 hieß die Hauptstraße Straße der Befreiung
3 Bildhauer im 16. Jahrhundert. Mehr zu Christoph Walter I. in der Wikiepdia.