Über 1,5 Millionen der deutschen Paare, die gemeinsam Kinder bekommen haben, leben getrennt, so das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Vor welche Herausforderungen diese Situation Väter stellt, damit beschäftigt sich aktuell ein Stück der Bürger:Bühne, das im Kleinen Haus zu sehen ist.
Wenig beachtete Problematik
Wo das Trennungsthema längst einen breiten Diskurs bestimmt, fliegen speziell Trennungsväter als Gruppe eher unter dem Radar. Ein unpopuläres Thema, zusätzlich verkompliziert dadurch, dass es teilweise von Männerrechtlern und maskulinistischen Kreisen für ihre Zwecke benutzt wird, die dann generelle Vorbehalte schüren.
Kurz: Vätern, die unter Trennungen und dem eingeschränkten Zugang zu ihren Kindern leiden, fehlt die Öffentlichkeit. Befand eben auch die Bürger:Bühne des Staatsschauspiels Dresden, beschloss daraufhin, der Problematik eines ihrer jährlich vier bis fünf Stücke zu widmen, stelllte ein Regieteam auf und begab sich auf die Suche nach Protagonisten.
„Wir haben auf Spielplätzen Plakate aufgehängt, Flyer gedruckt, Werbung in der Straßenbahn gemacht“, zählt Lena Iversen, Dramaturgin von „Ferne Väter“, einen Teil der Wege auf, über die Interessierte angesprochen wurden. Völlig unterschiedlich dort gelandet kam nach einem Auswahlverfahren eine Besetzung aus zehn Vätern zustande.
Geschichten aus dem Leben
„Ich hab mich ja am Anfang schon gefragt, wer sowas sehen will“, erzählt René, der beim Projekt dabei ist. „Nur Männer auf der Bühne, alle deutsch, alle irgendwo aus dem Mittelstand“, beschreibt er die tatsächlich ziemlich homogene Gruppe, deren auffälligste Diversität im Alter besteht. Dass die Premiere und die ersten Vorstellungen direkt ausvekauft waren, zeugt dann aber doch von einigem Interesse.
Und nicht umsonst. Aufgebaut auf Selbstinterviews, die die Väter miteinander führen sollten, ist ein lebendiges Stück entstanden, dem es weder an Humor, Nachdenklichkeit, Bratwürsten (vegan!) noch Tanzeinlagen mangelt. Zehn Väter erzählen zehn Geschichten – teilweise ihre eigenen, manche aber auch die eines anderen von ihnen.
Um Liebe geht es dabei, um das Erlebnis der Geburt, die Trennung und natürlich um das so schwierige und von vielen Umständen beeinflusste Aushandeln der Beziehung zu den Kindern. Und klar, da schwingt neben Wehmut auch die Forderung nach Veränderung mit. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung genau wie in rechtlichen Rahmenbedingungen.
Rollenbild im Wandel
Wie Studien zeigen, ist das väterliche Rollenbild längst nicht mehr das des erziehungsfernen Ernährers. Die meisten Väter wollen mittlerweile aktiv partizipieren, so der Väterreport 2023. „Mein Vater war immer für mich da“, erinnert sich Markus, dessen Sohn in einer anderen Stadt lebt, „aber eben nur, wenn‘s darum ging, einen Nagel in die Wand zu schlagen, nicht emotional. Das will ich anders machen.“
Vor Hürden stellt sowohl die Gesetzeslage (die beispielsweise für ein gemeinsames Sorgerecht die Kooperation der Mutter bedingt und bei unverheirateten Eltern erst einmal eine Vaterschaftserklärung verlangt), als auch der Umgang damit (wie etwa die ungleiche Popularität verschiedener Betreuungsmodelle). Auf negative Erfahrungen mit Gerichten oder dem Jugendamt können die meisten der Protagonisten zurückgreifen, das Stück betont aber auch gegensätzliche Elebnisse.
„Die Bürger:Bühne will ja auch keine allgemeingültige Realität widerspiegeln, sondern persönliche Erfahrungen“, merkt auch Lena noch einmal an. Natürlich zeigt es aber, dass gesellschaftlich ein Nachdenken über Vaterschaft stattfindet und im Wandel begriffen ist, was schließlich längst nicht nur Trennungsväter betrifft.
„Ich weiß genau, was du meinst“
Trotzdem sind gerade unter ihnen, zumindest denen, die sich für das Projekt zusammengefunden haben, so einige Gemeinsamkeiten zutage getreten. Eine, mit denen so gut wie alle zu kämpfen hatten oder haben, ist das Gefühl des Scheiterns. Auch das schwingt mit, wenn auf der Bühne, oberflächlich ungemein erheiternd, zehn Männer in Badehosen und Krawatten mit der Zahnbürste im Takt zum Hacki-Backi-Zahnputzsong performen.
„Es war total heilsam, sich mit Gleichgesinnten austauschen zu können“, hat Markus erfahren.“Endlich mal jemand, der das alles versteht; von dem nicht nur ein ‚Es wird alles gut‘ kommt, sondern ein ‚Ich weiß genau, was du meinst‘“ Die intensive Zeit des gemeinsamen Probens und Austauschs hat also ganz gut zusammengeschweißt.
Seitdem sind einige Vorstellungen ins Land gegangen. Die Intensität der Probephase ist wohl nicht mehr ganz dieselbe, dafür gab es gutes Feedback, Verständnis und persönliche Momente, wenn die Expartnerinnen oder sogar die Kinder im Publikum dabei waren. Eine Weile wird das Theaterstück noch laufen – die nächsten Termine sind noch im Oktober.
Ferne Väter
- ein Stück der Bürger:Bühne Dresden
- nächste Termine: Mo, 16. Oktober, Di, 19. Oktober, Di, 14. November
- Tickets und mehr Infos unter www.staatsschauspiel-dresden.de