Am Landgericht Dresden hat am Freitag der Prozess gegen Ben Mohamed B. begonnen. Dem 31-jährigen Tunesier werden mehrere Straftaten zur Last gelegt. Schwerster Vorwurf: Versuchter Totschlag. Er soll, so Staatsanwalt Till von Borries, am 17. März diesen Jahres einen 22-Jährigen auf der Alaunstraße mit einer Rasierklinge oder einem Cutter-Messer angegriffen haben und ihm unterhalb des linken Kiefers eine 15 Zentimeter lange lebensgefährliche Schnittverletzung zugefügt haben.
Dem war wohl ein Streit mit anschließender Schlägerei vorausgegangen. Wie der Staatsanwalt schildert, sei die Halsschlagader des Opfers nur knapp verfehlt worden. Außerdem werden dem Angeklagten noch weitere Delikte, darunter Diebstähle im Konsum auf der Alaunstraße, Besitz von Drogen und weitere Körperverletzungen vorgeworfen.
Zum Prozessauftakt erklärt der Strafverteidiger Thomas Zeeh, dass der Angeklagte derzeit weder Aussagen zum Sachverhalt noch persönliche Angaben machen wolle. Damit gerät der Prozess erst einmal ins Stocken. Der Angeklagte trägt einen Kopfschutz, weil er wenige Monate nach dem Vorfall selbst Opfer eines schweren Angriffs wurde (Neustadt-Geflüster vom 25. August 2023). Er wirkt in sich gekehrt, schaut kaum auf.
Der erste geladene Zeuge ist Yousef M., er soll vom Angeklagten auf der Bautzner Straße geschlagen worden sein. Daran kann er sich anfangs jedoch nicht erinnern. Der Richter zeigt ihm Bilder der Polizei, die von ihm als Opfer aufgenommen wurden. Der Zeuge, der sich derzeit auch in Untersuchungshaft befindet, konnte sich dennoch nicht an diesen Streit erinnern, nur an einen anderen Streit an anderem Ort.
Mit Engelsgeduld versucht Richter Pröls die Motivation für den Streit herauszufinden. Der Zeuge räumt ein, dass er mit dem Bruder des Angeklagten ein Problem gehabt habe, weil der ihm Drogen verkaufen wollte, das sei aber am Hauptbahnhof gewesen. Deswegen habe es schon einen Prozess gegeben. Vielleicht könnte auch der Vorfall auf der Bautzner Straße mit Drogen-Kauf zusammenhängen. Der Richter verdeutlicht erneut, dass er sich als Zeuge nicht selbst belasten muss. Daraufhin erklärt der Zeuge, dass er sich dann aus diesem Grunde dazu nicht äußern wolle.
Zweiter Zeuge bedroht Angeklagten
Der zweite Zeuge ist Osman M., 23 Jahre alt. Er war das Opfer an dem 17. März, am Hals ist noch die Narbe von der Schnittwunde erkennbar. Er kann sich an alles erinnern, sagt er zu Beginn der Befragung.
Mit einem Kumpel sei er in einer Bar gewesen, habe Alkohol getrunken. Dann habe er diese Person (zeigt auf den Angeklagten) mit seinen Freunden getroffen. Anfangs sogar begrüßt und teilweise umarmt. Dann sei es zu einem Streit gekommen, bei dem es dann auch handgreiflich wurde. Warum man sich gestritten hatte, bleibt unklar.
Offenbar war der Streit dann schon vorbei, als plötzlich der Angeklagte mit einem kleinen Messer ihm in den Hals geschnitten habe. Der Angegriffene musste dann ins Krankenhaus gebracht werden, dort blieb er sechs Tage. Er sagt aber, da er keine Krankenversicherung habe, sei er dort nicht richtig behandelt worden.
Immer wieder betont Osman M., dass der Angeklagte sein Leben ruiniert habe. Dann beginnt er, den Angeklagten zu bedrohen. Er sagt, dass er sich rächen wolle. Auch als Richter Pröls ihn darauf aufmerksam machte, dass er damit eine Straftat ankündige, rückt er nicht von seiner Aussage ab.
Auf Nachfragen von Strafverteidiger Zeeh kamen teils widersprüchliche Aussagen des Opfers. Interessanterweise schaltete sich dabei auch der Angeklagte, der eigentlich schweigen wollte, wiederholt in die Diskussion ein. Teils wirkt er nun sehr aufgeregt, vor allem, wenn die Sprache auf einen weiteren Beteiligten kommt. Nach Rücksprache mit seinem Anwalt schweigt er jedoch weiter.
Immer wieder war auch von dem Bekannten des Opfers die Rede. Der war auch als Zeuge geladen, jedoch nicht erschienen. Richter Pröls ordnete eine zwangsweise Vorführung zum nächsten Hauptverhandlungstermin an.
Polizist bestätigt bisherige Erkenntnisse
Ein Polizist des Reviers Nord berichtet: „Wir wurden zu einer Schlägerei gerufen. Da waren mehrere Personen, einer saß auf einem Blumenkübel und hat stark geblutet. Dann kam der Rettungswagen. Wir haben drei Zeugen vor Ort befragt. Einer zeigte Fotos auf seinem Handy. Alle Beteiligten waren sehr stark alkoholisiert. Wir haben Bilder vom Tatort gemacht, keine Tatwaffe gefunden. Im Uniklinikum wurden Lichtbilder von den Verletzungen des Geschädigten gemacht. Wir konnten den Namen des mutmaßlichen Täters herausfinden.
Ersthelfer berichtet
Ein weiterer Zeuge hatte die Situation gesehen. „Wir waren auf dem Heimweg, da rangelten welche, wir wollten deeskalieren. Da wurde es trotzdem immer schlimmer. Ich hab nur eine Handwegung gesehen, dann wurde jemand erwischt, der blutete auch gleich. Zwei sind geflüchtet, einer Richtung Albertplatz, der andere in die andere Richtung. Ich habe dann versucht, bei dem Opfer die Blutung zu stoppen.“ Leider konnte der Zeuge zu den beteiligten Personen wenig sagen, dafür sei es zu dunkel gewesen und er zu aufgeregt.
Der Prozess wird fortgesetzt. Bislang sind zwei weitere Termine angesetzt.