Kaltfront zieht weiter: raus aus der artigen Neustadt, rüber in die Chemo, die ja schon fast zu Pieschen gehört. Zu Fuß sind das zehn sportliche Minuten, die Trams der Nummern 3 und 13 sind ähnlich nah wie drüben.
Denn zur zweiten Ausgabe von „Weihnachten ohne Familie“ (WoF) in der dritten Dekade des dritten Jahrtausends nach dem gefeierten Ereignis weicht das Urdresdner Punkquartett ein Müh westlich und lädt am Samstag vor der Heiligen Nacht gemeinsam mit Dry Skin und Wave Punx quasi per Quartett-Trio zum direkten Reinfeiern ins fette Fest.
Zur Erinnerung: von 2017 bis 2019 war diese Party ein Doppel zwischen Kaltfront und Goldner Anker, 2020 und 2021 war böse Welle, 2022 lud man die treue Gemeinde gemeinsam mit Felder in die Neustädter Groovestation vor. Das war möglich, weil Kaltfront im Oktober 2021 per „Spiegel“ als neuem Album ein neues Kapitel in ihre Bandgeschichte schrieb und dies vor hygienisch sauberen 287 Zuschauern erstmals in der Chemiefabrik präsentierte, während treue Ankerfans weiter auf die 2019 fürs nächste Weihnachten versprochene Scheibe warten müssen.
Zwei junge Dresdner Quartetts als Umfeld
So gibt es derweil Chancen für neue Combos im Umfeld. In diesem Jahr sind das Synthie-Pop-Wave-Quartett Dry Skin, welches sich vor kurzem noch „I’m Your Stalker“ nannte. Sie wollen aber – mit Korg und Roland unter den Tastfingern – noch immer in die Stratosphäre abheben, wozu eine neue EP noch 2024 erscheinen soll. Bis dahin werden wohl noch Titel von „Hollow“, der letzten Stalker-Scheibe von 2022 gespielt. Und sicher zu Ehren von Spacke eine eigene Version von „Killing Moon“ von Echo & The Bunnymen.
Bis zu 14 Jahre gereift seien die Songs, schrieb die DNN im Frühjahr 2022 zur ausverkauften Plattenpremiere im Ostpol und verweist auf mögliche Vorbilder: „Ein wenig Joy Division, New Order und The Cure, wobei jeder wohl seine eigenen Assoziationen mit dem Sound verknüpfen kann und soll“.
Die Wave Punx sind in Dresden hingegen durch ihre Bandkonstellation, die zwei „fliegende Schlagzeugerinnen, welche auch den Gesang abwechselnd übernehmen“, auffällig. Dazu kommt Gitarre, Bass, Keyboard, aber auch Dudelsack- und Didgeridoo, also ein ganz spannender Mix.
Zurück zum Weihnachtswetter samt Saalklima: Die inszwischen 37-jährige Bandgeschichte von Kaltfront ist so wechselhaft wie der Wandel beständig: Im Jahr 1986 per Fusion aus den Dresdner Punkbands Paranoia und Suizid gegründet, gab es schon 1990 eine Abschiedsshow in der Dresdner Scheune, der nach 15 Jahren Pause nun schon 18 Jahre währende zweite Halbzeit folgte. Gründer und Bassist Jörg „Sonic“ Löffler, neben Sänger Tom Wittig in beiden Halbzeiten dabei, hat seinen Sohn Willi Löffler zur Leadgitarre überredet.
Abhotten vorm Stollenkollaps
So stieg dieser vor nunmehr elf Jahren als Jungsporn ein. Im Spätsommer 2022 heizte ein spektakuläres Video zum Song „Treibsand“ die zuvor per „Spiegel“ geweckte Lust weiter an – mit Käpt‘n Rummelsnuff an der Spitze der Darsteller. Von dieser gibt es dank dem Label von Rundling99 eine zweite Auflage – exklusiv am Weihnachtsvorband.
Da gibt es nichts außer die Prognose der Veranstalter als Aufruf hinzuzufügen: „Das Jahr ist rum. Wer hätte gedacht dass wir auch das schaffen. Kurz bevor es in die mehr oder weniger familiäre Isolation geht und uns der Stollen und die Klöße zu den Ohren rausquillen, wollen wir das ganze aber ganz gebührend feiern. Plant eure Betriebsweihnachtsfeiern um und kommt in die Chemiefabrik.“