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Fast 100 Jahre – Das Hochhaus am Albertplatz

Das Hochhaus am Albertplatz war Dresdens erstes Hochhaus, erbaut 1929 im Auftrag der Sächsischen Staatsbank. Im Kampf um das erste Hochhaus der drei sächsischen Großstädte hinkte die Residenzstadt allerdings hinterher.

Das Hochhaus kurz nach seiner Errichtung vor knapp 100 Jahren. Damals residierte die Sächsische Staatsbank im Gebäude. Zeitgenössische Postkarte.
Das Hochhaus kurz nach seiner Errichtung vor knapp 100 Jahren. Damals residierte die Sächsische Staatsbank im Gebäude. Zeitgenössische Postkarte.

Die Nase vorn hatte Leipzig mit dem Krochhaus am Augustusplatz. Der jüdische Bankier Kroch setzte auf die Gestaltung eines Uhrturmes. Die Höhe von 43 Meter wurde zunächst für 35 Meter erteilt und es gab nur eine vorläufige Baugenehmigung. Der Leipziger Rat bewilligte schließlich die endgültige Gebäudehöhe, denn herausragendes Wahrzeichen, zwei Glockenmänner, überzeugten die Ratsmänner. Vater und Sohn schlagen die Glocke, einer jeweils zu den Viertelstunden, der andere zu den Vollen. Das erste Hochhaus von Chemnitz ist mit seinen acht Geschossen vierzig Meter hoch und wurde 1926 als Camman-Hochhaus bekannt. Im Haus existierte eine Möbelstoff-Weberei.

Elf-Geschosser am Albertplatz

In Dresden führte ein Hochhaus-Wettbewerb zum Bau des Albert-Hochhauses. Das Hochhaus, vom Architekten Hermann Paulick errichtet, bestand aus einem vierzig Meter hohen, elfgeschossigen Stahlbetonskelettbau, eine bevorzugte Bauweise.

Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude von der Staatsbank und als Ärztehaus genutzt, weil in dem Bürogebäude viele Ärzte ihre Praxis besaßen. Das Haus wurde durch die robuste Bauweise im Krieg nur teilweise zerstört. Ein Bombe war von der Bahn abgekommen und daneben abgestürzt. Nach dem Krieg zogen die Dresdner Verkehrsbetriebe in das stattliche Gebäude ein.

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Blitzumzug

Viele Dresdener amüsierten sich im Sommer wie im Winter vor einem kleinen Flimmerkasten am Schaufenster des Verkehrshochhauses. Sie guckten begeistert Sportsendungen, so die Übertragung der Internationalen Friedensfahrt, einem Fernsehschwank oder der beliebten Unterhaltungsreihe: „Da lacht oder Bär.“ Ein Fernsehgerät zu Hause konnten sich die wenigsten Leute damals leisten. Der Fernsehbediener, ein ehemaliger Straßenbahner, verdiente sich mit dieser Arbeit, ein zusätzliches Nebeneinkommen – bis zum Aus der Fernsehabende auf dem Albertplatz, der damals den Namen „Platz der Einheit“ trug.

Nach der politischen Wende bekam der Platz seinen alten Namen zurück, die DVB zog in ein andres Domizil (Straßenbahnhof Trachenberge). Die gelbe Leuchtschrift VERKEHRSBETRIEBE zierte weiterhin mehrere Jahrzehnte die Fassade ansonsten stand das Gebäude leer und vergammelte innen und außen. Nicht nur die Mäuse tanzten Ringelreihen, auch die Blümchentapete löste sich von den Wänden. In mehreren Zimmern blätterte die Farbe von der Decke, Vandalen rissen Feuerlöscher herunter und demolierten Kloschüsseln. Tauben fühlten sich im ehemaligen Verwaltungsgebäude recht wohl, davon zeugten ihre Hinterlassenschaften.

Der Schriftzug kurz vor der Demontage
Der Schriftzug kurz vor der Demontage

Es gab viele Pläne, vom Hotel bis zum Wohnhaus. Doch mehr als 20 Jahre fand sich kein Investor und ein Abriss war nicht möglich, da das Gebäude unter Denkmalschutz stand. Endlich schlug Peter Simmel, Mitglied der Edeka-Gruppe, zu. Er galt als erfahrener Meister für neue Bauten und moderne Einkaufszentren. Ins helle cremefarbene Hochhaus zog das „Museum der DDR“ ein. Sechs Jahre nach der Eröffnung wurden Möbel, Autos, Motorräder, Kühlschränke, Plastebecher, Kittelschürzen, Fernsehapparate, rund 70 000 Exponate versteigert. Die „Welt der DDR“ nahm Abschied, kam unter den Hammer. Im Museum klingelten für Simmel dann noch mal richtig die Kassen.

Der 620 Kilo schwere Trabant P50 wird ganz vorsichtig zu Boden gebracht.
Der 620 Kilo schwere Trabant P50 wird ganz vorsichtig zu Boden gebracht.

Das Hochhaus ist die Schnittstelle von der Inneren zur Äußeren Neustadt. Von oben hätte man einen phantastischen Blick auf die gesamte Stadt. Hätte? Ein Betreiber für ein Café-Restaurant hat sich nicht gefunden. Da könnten alte Gegenstände aus der DDR, und vielleicht sogar der Flimmerkasten aus dem Schaufenster, die Herzen der Besucher erfreuen.

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Autor Dietmar Sehn

Der Autor dieser Zeilen ist 1944 geboren und wuchs in der Inneren Dresdner Neustadt auf. In unregelmäßigen Abständen bereichern seine Texte das Neustadt-Geflüster. Er hat mehrere Dresden-Bücher geschrieben.

Der Ausblick vom Balkon.
Der Ausblick vom Hochhaus. Foto: Archiv Anton Launer 2016