Ortstermin mit Gunter Thiele am Goldenen Reiter zum Feierabend. Der Verkehr saust und braust durch die Rush-Hour. An den Fuß- und Radwegampeln bilden sich immer wieder kleinere Wartegemeinschaften. Der Verkehrsingenieur mit CDU-Parteibuch schaut auf die breite Straße, die den Neustädter Markt von der Augustusbrücke trennt. „Einspurig funktioniert hier nicht“, sagt er. Dafür sei das Verkehrsaufkommen zu hoch.
Tatsächlich sind auf der Großen Meißner Straße jede Menge Autos unterwegs. Bei der letzten Zählung vor knapp einem Jahr hat das Straßen- und Tiefbauamt rund 21.000 Kraftfahrzeuge pro Tag ermittelt. Zum Vergleich: vor 15 Jahren quetschten sich hier noch mehr als 35.000 Autos auf den vier Spuren. Dennoch ist die Große Meißner hier eine große Barriere für den Fuß- und Radverkehr zwischen Alt- und Neustadt. Mit der Idee, hier einen Verkehrstunnel einzurichten, stieß Gunter Thiele beim CDU-Ortsverband auf offene Ohren. Ohne eine Gegenstimme wurde das Projekt Anfang März mit in das CDU-Wahlprogramm aufgenommen.
Kritik von Grünen und SPD
Prompt hagelte es Kritik. Die CDU wolle Verkehrsprobleme lösen wir vor 60 Jahren, hieß es von den Grünen. Die verkehrspolitische Sprecherin Susanne Krause sagte: „Mögliche Varianten für einen Tunnel bieten ausschließlich für den Autoverkehr eine Lösung“. Straßenbahn, Rad- und Gehwege würden sprichwörtlich zur Seite gedrängt. Aus städtebaulicher Sicht ergänzte Thomas Löser, dass die Tunnellösung auf Grund vieler ungelöster Probleme Augenwischerei sei. „Die Phantomdebatte über diesen Tunnel verhindert letztlich tatsächlich mögliche Verbesserungen der Aufenthaltsqualität am Neustädter Markt“, so der Grüne, der mit etwa 150 Meter langen unschönen Tunnelrampen rechnet. Zum Vergleich, die Tunnelrampen am Wiener Platz am Hauptbahnhof sind einmal rund 150, einmal rund 125 Meter lang.
Ähnlich klingt es auch von der SPD. Julia Hartl, Vorsitzende der SPD Dresden-Neustadt und Neustädter SPD-Spitzenkandidatin zur Stadtratswahl sagte: „Anstatt den Autoverkehr aus der Innenstadt herauszuhalten, sollen Abermillionen für ein zweifelhaftes Tunnelprojekt ausgegeben werden.“ Wenn es um neue Tunnelanlagen geht, sei es mit dem finanzpolitischen Sachverstand der CDU nicht mehr weit her. Für sie seien riesige Rampenanlagen vor dem Japanischen Palais und dem Finanzministerium eine Verschandelung der Neustadt.
CDU: Tunnel ist machbar
Thiele ist klar, dass eine Tunnel-Lösung sicher nicht billig wird. Auch die Wartungskosten sind ihm bewusst. Er hält entgegen: „Die Stadt gibt so viel Geld für so viele verschiedene Sachen aus, wenn der nötige politische Wille für einen Tunnel da ist, ist das machbar.“ Am Finanzministerium erläutert er, wie er sich die Verkehrsführung vorstellt. Gleich nach dem Carolaplatz solle die Straße abgesenkt werden. Bis zum Jägerhof könne die Straße dann im Tunnel verschwinden. „Die Straßenbahn bleibt oben und für Radfahrer ist dann viel Platz“, so Thiele.
Er stellt sich zwei verschiedene Röhren vor, eine ost- und eine westwärts. „Ob die dann jeweils zweispurig sein müssen, ist nicht gesagt, das hängt von der Verkehrsprognose ab“, sagt er. An welcher Stelle der Tunnel dann auf der Westseite wieder an die Oberfläche kommen könnte, lässt er offen. In den Tunnel eingebunden werden könnten auch Zufahrten zu Tiefgaragen beim Hotel „Bellevue“ oder auch auf der nördlichen Seite.
Da könne eventuell eine Quartiersgarage für das Barock-Viertel entstehen. Unterstützung erhält Thiele vom CDU-Ortsverband Dresden-Neustadt. Barbara Öhlke, die Ortsverbandsvorsitzende und auf der Hauptstraße ansässige Handwerkerin würde sich sehr über eine bessere Erreichbarkeit der Neustadt freuen. In dieses Horn stößt auch Johannes Schwenk von der Jungen Union. Derzeit sei Straße zwischen Augustusbrücke und Goldenem Reiter eine große Barriere.
Machbarkeitsstudie von 2020
Im Rahmen der Präsentation um die Gestaltung des Königsufers hatte seinerzeit das Stadtplanungsamt auch eine verkehrliche Einschätzung abgegeben. Eine Untertunnelung des Neustädter Marktes erzeuge einen Mehrbedarf an Verkehrsflächen und führe zu erheblichen Beeinträchtigungen im Stadtraum. Die Planer hatten sogar nur mit 110 Meter langen Rampen kalkuliert. Dennoch gebe es zwischen Carolaplatz und Jägerhof nicht genügend Platz unter Berücksichtigung der notwendigen Verkehrsanlagen. Vor dem Japanischen Palais würden die Rampen in die barocke Platzsituation eingreifen. Im Fazit der Einschätzung des Stadtplanungsamtes heißt es: „Die 560 Meter lange autofreie Strecke wird mit 220 Meter Rampenlängen an sensiblen, historischen Stellen erkauft.“ Die verkehrliche Einschätzung gibt es als PDF auf dresden.de.
Die CDU möchte die Tunnellösung trotzdem in die Diskussion einbringen. Verkehrsingenieur Thiele schätzt, dass bis zu einer Realisierung sicherlich 15 Jahre vergehen würden.
Is ja nich so als ob’s da noch nie ’nen Tunnel gegeben hätte … der wurde mit erheblichem Enthusiasmus, gleich dem am Pirnaischen Platz, zugeschüttet. Das sich die Dresdner seit Jahrzehnten diesen Stadtrat gefallen lassen verblüfft mich immer wieder.
Der alte Nord/Süd-Tunnel verbannte die Fußgänger und Radfahrer unter die Erde. War ganz böse. Die jetzige Ost/West- Tunnelidee verbannt die Autos unter die Erde. Offensichtlich auch wieder böse. Aber eine Lösung gibt es natürlich: Autos verbieten und die Versorgung der Innenstadt einstellen. Ist eben Wahlkampf, konnte man heute an den „qualifizierten“ Beiträgen von Herrn Lichdi im Stadtrat sehen.
Interessant: „“Einspurig funktioniert hier nicht”, sagt er. Dafür sei das Verkehrsaufkommen zu hoch.“
Kann diese Behauptung belegt werden? Laut Themenstadtplan sind die aktuellen Verkehrszahlen bei rund 10.000 Kfz pro Tag und Richtung. Tendenz rückläufig. Das sollte nach Stand der Technik auch mit einer Spur pro Richtung machbar sein. Wie wärs mit einem Verkehrsversuch über einen längeren Zeitraum? Zur Reduzierung der Lärmbelastung und Erhöhung des Aufenthaltsqualität könnte man direkt am Neustädter Markt auch gleich noch T30 testen. Oder wie von den Populisten so gerne gefordert wird: „Einfach mal machen!“ Falls das nicht klappt, hat man immerhin eine belastbare Datengrundlage auf der man weiter diskutieren kann.
Für Herrn Thiele funktioniert einspurig im Bestand nicht, bei einer Tunnellösung könnte man dann aber schauen, ob eine Spur reicht. Alles klar. :D
@fk: Das ist nicht ganz so abwegig wie es auf den ersten Blick klingt. Da es in einem Tunnel keinen Querverkehr gibt, könnten da möglicherweise mehr Fahrzeuge auf einer Spur fahren.
@Jürgen: Tatsächlich fahren auf Teilen der Königsbrücker Straße zum Beispiel zwischen Stauffenbergallee und Fabrice-Straße ähnlich viele Fahrzeuge auf insgesamt zwei Spuren. (Allerdings ist die Zählung nicht ganz so frisch, wie auf der Großen Meißner, sondern von 2022)
Die Ergebnisse eines Verkehrsversuchs stelle ich mir spannend vor. Dafür könnte man ja einfach jeweils eine Spur in einen Radstreifen umwandeln, ähnlich, wie es jetzt mit dem Versuch auf der Carolabrücke stadteinwärts geplant ist. Wird vermutlich günstiger als einen Tunnel zu bauen. Zum Vergleich, der Tunnel am Wiener Platz hatte seinerzeit 71 Millionen Mark gekostet (das entspricht inflationsbereinigt etwa 46 Millionen Euro). Laut Sächsischer Zeitung muss der Tunnel am Wiener Platz im kommenden Jahr übrigens für rund 13 Millionen Euro saniert werden.
@Jürgen: Da spricht ja auch ein kleiner Lichdi ;-). Die Große Meißner Straße ist eine Bundesstraße und somit ist da Tempo 30 vom Gesetz her nicht zulässig. Lichdi will auch in der ganzen Stadt Parkzonen mit Parkausweisen für 300 Euro. Nur sind Parkzonen mit Anwohnergenehmigungen nur zulässig, wenn sehr viele Nichtansässige einen hohen Parkdruck erzeugen. Und dazu gleich noch was am Rande des Themas: In Paris wurden in der Innenstadt nicht alle SUV’s per Volksabstimmung verboten, sondern nur die SUV’s der nicht da wohnenden, also Touristen etc.
Ich fand den Tunnel da immer gut, denn in den seltensten Fällen hatte man an allen Fußgängerampeln direkt grün, wenn man da ankommt oder eine Straßenbahn blockierte gerade das Weitergehen, da war der Tunnelweg eigentlich immer schneller gewesen.
Den Abriss habe ich bis heute nicht verstanden.
Wo ein Tunnel aber mal sinnvoll wäre, und zwar für den Verkehr auf der Stauffenbergallee unter der Königsbrücker durch, aber ich vermute, da wird der Platz nicht reichen.
@Neustadt-Ticker-Leser: Eines der Argumente für den Abriss des Tunnels waren übrigens die hohen Kosten für den Unterhalt.
@Albertplatz:
Auf Bundesstraßen ist – bei Vorliegen der Voraussetzungen – durchaus die Anordnung von Tempo 30 rechtlich zulässig. Gesetzlich ausgeschlossen ist lediglich die Einrichtung von Tempo-30-Zonen auf Bundesstraßen.
Als Besserwisser auftreten und es dann nicht besser wissen – peinlich.
@Anton: Soweit ich mich erinnere (und auch lese) ging es nicht um den Unterhalt sondern um die Hochwassersanierung.
Geld für die Sanierung war da, es wurde nur für das Zuschütten und für die Doppelampeln verwendet. Das war eine politischer Entscheidung, weil ein Fußgängertunnel nicht gewollt war, u.a. wegen fehlender Barrierefreiheit auf der Nordseite. Am Pirnaischen Platz war es ähnlich, da gab es nur Treppen. Außerdem war die (DDR-)Bausubstanz schlecht, wegen der fehlende Abdichtung sind die Tunnel durch Grundwasser und nicht durch Oberflächenwasser vollgelaufen.
@Albertplatz
Dass es keine Möglichkeit gibt, Tempo 30 auf Bundesstraßen umzusetzen, ist falsch (Stichworte: Einzelfallprüfung, abwägen von Schutzinteressen, ermessensfehlerfreie Entscheidung). Die zuständige Verkehrsbehörde hat durchaus Ermessensspielraum. Hier mal eine von vielen Orientierungshilfen: https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Verkehr/Tempo_30/Rechtsgutachten_Tempo30_Kommunen.pdf
@Anton: Naja, da waren schon die beiden sehr außergewöhnlichen Hochwasser-Ereignisse (2002 und 20213) recht wesentlich. So hat 2002 allein in Sachsen Schäden von fast 9 Milliarden EUR verursacht, so z.Bsp. 27 Millionen nur bei der Semperoper. Da sind Sanierungskosten von 330.000 EUR für den Tunnel nach der Flut 2013 aus meiner Sicht „kaum der Rede wert“. Will da nicht die berühmten Peanuts bemühen, aber wenn man sieht, aber für das benachbarte Blockhaus wurde kürzlich in etwa das Hundertfache (!) investiert. Wie dem auch sei, ich bin schon sehr davon überzeugt, dass die Verfüllung des Tunnels damals politisch gewollt war, da war das erneute Hochwasser 2013 doch nur ein Mittel zum Zweck. Und hätte man es gewollt, wäre sicher auch eine Sanierung möglich gewesen, die bei möglichen ähnlichen Ereignissen die Schäden weitaus geringer hält. Die Toiletten und Technik hätten auch oberirdisch angelegt sein können, das Geschäft war glaube eh schon geschlossen. Und genutzt wurde der Tunnel von der Mehrzahl der Menschen, obwohl die oberirdische Querung der Großen Meißner Straße auch damals schon möglich war.
Bei Tunnel am Pirnaischen Platz fand die ich die Verfüllung auch fraglich, für den langen Bereich zum Pirnaischen Tor ok, aber warum die kurzen Abschnitte zwischen den verschiedenen Haltestellen?! Heute laufen dann dafür die Leute gern da auch mal bei Rot über dem Ampel.
PS: Ja, bei wenig Betrieb hat die Zufahrt in den Tunnel am Neustädter Markt mit einem MTB immer sehr große Freude gemacht, entweder über die Treppen von der Hauptstraße oder „zügig“ über die Rampe von der Augustusbrücke ;-)
Nur für die Aktenablage: laut selbst auferlegter NG-„Hausordnung“ werden hier „Seit dem 30. März 2021 keine reinen Meinungsbeiträge (oder ironische Kommentare), die keine inhaltliche Ergänzung darstellen mehr veröffentlicht“.
Gunters Tunnelblick erfüllt vollumfänglich diesen Tatbestand, insofern wurde die eigene Hausordnung hier tendentiös ausgelegt bzw. vielmehr negiert. Es fehlt eine übergeordnete Stelle zur Ausübung der Hausordnung.
Es ist auch nicht das 1. Mal daß diese Phantom-Idee „von der CDU“ ergo Genossen Thiele aufkommt, sondern die Sache ist bekannt, wurde durchdebattiert und abschlägig bewertet. Ironie ist weniger wahrscheinlich, aber wer weiß?, eher ist es Wahltaktik für die Klientel der Automobilisten (Wir ändern beim Verkehrsfluß nichts!). Auch damals stand Herr G.T. hinter der Sache, daher braucht man sich nicht hinter üblichen Labels wie „Vorschlag der CDU“ zu verstecken. Es handelt sich also um eine reine Meinungsäußerung, welcher aus o.g. diversen Gründen eine nochmalige außerparteiliche Plattform nicht gegeben werden kann. Es trägt auch rein gar nichts zur nötigen weiteren Stadtentwicklung im Neustadt-Bereich bei. Zumal Verkehrstelematiker Thiele es eigentlich fachlich besser wissen müßte, Erläuterungen läßt er offen – das geht gar nicht! Auch hat er eine verfehlte Grundannahme, wie Verkehr zu dimensionieren sei, das ist jeder Stadt zum Schaden.
Wenn schon (dresdner Sinnlosdebatten), dann müßten mind. zwei Positionen hier gegenübergestellt werden, eine taktische reine Meinungsäußerung nützt nichts, ist allen Anderen/Fachleuten gegenüber unfair und wiederstrebt der „Hausordnung“, ansonsten bitte solches zum 1.April posten oder gern als Werbeannonce gegen Cash.
Im Übrigen steht dieses Jahr eine leider größere „Wartung“ am Wiener-Platz-Autotunnel an, für unglaubliche 16 Millionen Euro. Das ist dann schon fast wie einst ein „Neubau“, aber daran kann man sehen wie sich die Stadt durch sowas selbst stranguliert. Großartig, daß die Gunters und Holgers dieser Welt, in unserem scheenen Landeshauptdorf einen sicheren Medialhafen bekommen. Ähem.. das war jetzt wohl Ironie…