Auf eine Geburt freut man sich, meistens. Und meistens denkt man über den Tod besser noch nicht nach. – Was theoretisch zunächst unvereinbar scheint, aber Heidegger-Spezis instant wuschig macht, ist für Stefanie Möller konkrete Praxis: Die Hebamme ist Bestatterin geworden.
„Mir geht es um die Zeit bis zur Geburt und um die Zeit bis zum Tod. Das Lebendigwerden und das Sterben. Diese Prozesse faszinieren mich“, erklärt die erfahrene Hebamme und frisch gebackene Bestatterin. Wie sie ins Leben begleitet hat, begleitet sie nun in den Tod. Easy. Oder?
Die Entscheidung war wohl überlegt. Nicht nur, weil Stefanie Möller das Hebammenhaus in der Louisenstraße gegründet hat und für den neuen Beruf verließ. Auch aus systemischen Gründen: „Das sächsische Bestattungsgesetz ist von Vorgestern und schließt die gleichzeitige Arbeit als Hebamme aus“, erklärt Möller und gründete ihr eigenes Bestattungsunternehmen „AnkerLichten“.
Reisen & Begleitung
In einem städtischen Bestattungsunternehmen zu arbeiten kam für Stefanie Möller genauso wenig in Frage, wie in einer Klinik als Hebamme zu arbeiten: „Ich habe immer ein wenig Angst, bevor ich den Körper sehe. Das war bei Geburten so und ist auch so beim Bestatten. Mir hilft zu wissen, wer den Menschen liebt“, so Möller.
Die ersten drei Aufträge als zertifizierte Bestatterin, waren Kinder: „Sie wurden bereits als verstorben gemeldet. Die Arbeit bestand eher in der Begleitung der Eltern. In einer der Familien waren die Gespräche zwar zunächst kühl, aber am Ende haben wir gemeinsam ein Wikingerschiff auf den Sarg gemalt“, sagt sie leise lachend.
Einer der jüngsten Aufträge führte Stefanie Möller zu einer Kundin, die noch lebte. Wochen vor ihrem Tod lernte sie die Dame kennen. Die Familie hatte eingeladen: „Ich habe mich vorgestellt und erklärt, dass ich zu arbeiten beginne, wenn die Dame ihren Körper nicht mehr braucht.“
Auch bei der Beerdigung war Stefanie anwesend. Der Moment war wie eine Ankunft nach einer gemeinsamen Reise: „So stelle ich mir Bestattungen vor. Nicht anonym, sondern persönlich.“
Erde & Amme
Gerade 16 Jahre alt geworden, besuchte Stefanie eine Freundin in Norwegen, die dort gerade die Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte. In den Gängen des Krankenhauses von Trondheim stieß sie auf eine Flurgabelung: Der Weg nach links führte in die Stätten der Krankenschwestern, der Weg nach rechts führte zu den „Jordmødre“, den Erdmüttern, den Hebammen.
Was zunächst ein Bauchgefühl war, prägte die nächsten Jahre Bildungsweg. Nach Jobbereien in Berlin ging es schließlich nach Holland. Von der Pike auf lernte Stefanie Entbindungen im klinischen, aber auch in privatem Szenario kennen: „Es war eine Art Kampagne. Hebammen gesucht. Wir müssen Frauen davor schützen unnötig medikalisiert zu werden. Und um in Holland als Hebamme überhaupt arbeiten zu dürfen, musst du aber auch Hausgeburtshilfe studieren“, so Möller lächelnd.
Schnell bestätigte sich der in Norwegen eingesammelte Impuls: „Ich habe verstanden wie Geburt funktioniert. Das Kind muss zur Welt kommen. Ein auf Erfolg ausgelegter Vorgang. Aber ein Mensch muss auch wieder sterben“, sagt Möller. Es klingt schön.