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Die Welt des Untendrunter

Die gute Seele der Alaunstraße: Ingrid Richter
Die gute Seele der Alaunstraße: Ingrid Richter
Es war gar nicht leicht, Frau Ingrid Richter ins Boot zu holen. Artikel? Mit Namen? Und Foto? Frau Richter starrte mich erschrocken an. Diskretion ist das Zauberwort, das Lebensmotto einer Verkäuferin für Wäsche und Kurzwaren. Sie ließ sich schließlich überzeugen. Als ich das Geschäft betrete, sitzt Frau Richter gerade über einen Berg Dessous-Kataloge gebeugt, daneben auf dem kleinen Tischchen einige Rätselhefte und ein Blumengesteck. Eine rot glühende Standheizung summt leise.

An den Wänden hängen nach einem für Außenstehende schwer durchschaubaren System Unterwäsche-Exemplare. Praktische Baumwollmodelle, bespitzte Blickfänger, romantische Formen-Verschnörkeler in diversen Größen. Sie teilen sich den kleinen Raum mit Strümpfen, vereinzelten Kleidern, Näh-Utensilien. Die Preisschilder sind handgeschrieben.

Frau Richter kennt die Neustadt schon seit vielen Jahren. Sie hat als junge Mutter mit ihrer Familie am Alaunplatz gewohnt. Eine kleine Dachgeschosswohnung, zwei Zimmer, Wasser und Toilette auf dem Gang, im Winter zugig. Anfang der 70er-Jahre, mit der Invasion der Plattenbauten, zog sie mit Sack und Pack nach Klotzsche. Aber gearbeitet hat sie seit dem Ende ihrer Ausbildung als Verkäuferin im HO Centrum Warenhaus immer auf der Alaunstraße. Bis 1966 in einem Haushalts- und Schreibwarengeschäft. Ein Jahr später wechselte sie die Straßenseite und zog in ein gegenüberliegendes Teppichwarengeschäft (heute Vecchia Napoli). Alles der großen staatlichen Konsum-Kette untergeordnet. Der Platz war beengt, die Teppiche mussten im Hof vermessen und von A nach B geschleppt werden. Nach der Wende spezialisierte sich die Konsumkette auf Lebensmittel. Alle anderen Geschäfte brachen allmählich weg und Frau Richter bekam das Angebot, in einer anderen Filiale übernommen zu werden.

Doch es wurde Zeit für etwas Eigenes. Frau Richter liebäugelte mit einem Geschäft, ehemals eine Zoohandlung, nur wenige Meter von ihrem alten Arbeitsplatz entfernt. Nur wenige Meter, aber ein großer Schritt. Es sollte ein Wäschegeschäft werden. „Irgendwie dachte ich … das könnte mir gefallen.“ Sie zuckt die Schultern und blinkert mit den Augen. 1993 unterschrieb sie den Mietvertrag. Diesen November, am Ersten des Monats, feiert sie 20-jähriges Jubiläum.

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Die Kundschaft hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Ältere sind weggezogen oder verstorben, jüngere Kunden rücken nach. Frau Richter sieht durch die Schaufensterscheiben ihres Geschäfts die Geschichte der Neustadt vorüberziehen. Sie braucht die Menschen, sagt sie. Das Leben auf der Straße, den Schwatz mit den Punks von gegenüber. Frau Richter wird freundlich gegrüßt, sie grüßt freundlich zurück. Und sie fühlt sich behütet hier. „Es kann überall etwas passieren. Aber hier hilft einem jeder“ sagt sie nachdenklich und bestimmt. Ihr Mann hätte sie schon gern zu Hause. Sie lächelt verschämt. Aber ein Tag nur aus Frühstück vorbereiten, Mittagessen und Kaffee kochen und abends vor dem Fernseher sitzen? Frau Richter schaudert es direkt ein bisschen. Und der Garten ist auch nichts für sie, die noch nicht einmal weiß, wie herum man eine Hacke hält! Also wirklich! Sie gehört in ihr Wäschegeschäft. Zwischen Körbchen und Rüschen, Straps und Wollstrumpf, Seide und Stretch. Die kleine Welt des hübschen, aber sorgsam versteckten „Untendrunter“.

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Nachtrag August 2013: Aufgrund einer Erkrankung hat Frau Richter das Geschäft aufgegeben.

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