Am Sonntag wird um 10 Uhr das Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona (ADA) als neues Museum und Forschungseinrichtung Dresdens im eigens zu diesem Zweck umgestalteten Blockhaus eröffnet. Das Haus an der Augustusbrücke wurde für 29 Millionen Euro umgebaut. In der ersten Woche ist der Eintritt frei.
2016 schenkte der Sammler Egidio Marzona den Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) etwa 1,5 Millionen Objekte, weitere 200.000 kamen bei einer zweiten Schenkung 2018 hinzu. Im ebenso progressiven wie ästhetisch kühnen Entwurf des spanisch-deutschen Architekturbüros Nieto Sobejano Arquitectos wird die umfassende Sammlung in einem mächtigen, frei über der Ausstellungsebene schwebenden Kubus Platz finden. Damit entsteht ein architektonisch außergewöhnlicher Ort, der einen flexiblen Raum zum Forschen, Ausstellen und Diskutieren schafft.
Wenn die Besucher*innen künftig durch das Hauptportal die mächtige Halle betreten, fällt der Kubus, den nur die Wendeltreppe zu halten scheint, sofort ins Auge. Der Raum hier im Erdgeschoss soll für Veranstaltungen und Ausstellungen zur Verfügung stehen. Die erste Ausstellung wird gleich mit dem Haus am Sonntag eröffnet und heißt „Archiv der Träume. Ein surrealistischer Impuls“. Sie widmet sich 100 Jahre nach der Veröffentlichung des surrealistischen Manifests von André Breton ganz den Surrealisten sowie deren Ausstrahlung in andere Avantgarde-Bewegungen, wie Dada, Cobra, Fluxus und Pop-Art. Mit rund 300 Kunstwerken, Dokumenten und Publikationen aus dem 20. Jahrhundert spiegelt das Projekt Fantasien und Sehnsüchte, aber ebenso Albträume von Kunstschaffenden wider.
Archiv im Obergeschoss
Nach dem Aufstieg über die Beton-Wendeltreppe geht es oben im Zwischengeschoss in den Lesesaal mit Exponaten, Zeitschriften und Büchern zur Quellen- und Materialforschung. Der Kubus selbst beherbergt auf drei Ebenen das eigentliche Depot mit Archivflächen auf einer Rollregalanlage für 1740 laufende Meter und Räumen für Restaurierung und Digitalisierung. Insgesamt stehen 1.900 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Ungefähr die Hälfte der Sammlung sei inzwischen bereits digitalisiert, sagte heute Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Das ADA sei prozessual, kein reines Archiv, kein reines Museum, etwas dazwischen, so Ackermann.
Museumsdirektor ist Rudolf Fischer, der konstatiert, dass seit der ersten Schenkung von Egidio Marzona nun sieben Jahre vergangen sind. „Wir freuen uns, das ADA nach intensiven Vorbereitungen jetzt der Öffentlichkeit in einem eigens für diesen Zweck umgebauten Gebäude zugänglich zu machen“, so Fischer. Dabei sollen die Räume künftig mit jeder Menge Programm gefüllt werden, die auch den wunderbaren Vorgarten zur Elbe hin mit einbeziehen sollen. Dort steht schon ein Design-Objekt aus dem Jahre 1967 – ein Kiosk.
Auch die unterste Ebene wird genutzt. Hier soll ein Café einziehen mit dem bezeichnenden Namen „Fahrenheit 451″, nach dem Roman von Ray Bradbury. Dieser dystopische Roman spielt in einem Staat, in dem es als schweres Verbrechen gilt, Bücher zu besitzen oder zu lesen. Fahrenheit 451 entspricht 232 Grad Celsius, jenem Hitzegrad, bei dem Bücherpapier Feuer fängt und verbrennt.
„Mit dem ADA eröffnet im Zentrum Dresdens, direkt an der Elbe, ein einzigartiges Museum, das als Archiv der Archive Menschen aus der ganzen Welt anziehen wird“, sagt Ackermann. An diesem Ort des Ausstellens, des Forschens, des Nachdenkens und des Dialoges können die ungeklärten Fragen der globalen Avantgarden aufgerufen werden. „Wir sind alle Egidio Marzona und seiner Familie sowie dem Freistaat Sachsen zutiefst dankbar für die Realisierung dieses großartigen Projektes“, so die SKD-Generaldirektorin.
Zeitzeugengespräche: Wir sind Avantgarde
Parallel zur Eröffnung des ADA startet online ein Portal mit Zeitzeugengesprächen, betitelt „Wir sind Avantgarde!“. Die seit 2020 aufgezeichneten Filme dokumentieren Gespräche mit dem Sammler Egidio Marzona und mit anderen Zeitzeugen und Zeitzeuginnen über die Praxis und Motivation des Sammelns sowie über Hintergründe und Vorgeschichte des ADA – etwa Vision, Aufbau, Entwicklung, historischer Kontext und Provenienzen. „Wir sind Avantgarde!“, das Oral History Projekt zum Archiv der Avantgarden von Monika Branicka und Pirkko Rathgeber, wird zur Eröffnung mit einer Auswahl von Filmen in den Ausstellungsräumen und der Forschungsplattform präsent sein, teilweise in direkter Verbindung mit den ausgestellten Objekten. Die Webseite wird zukünftig stetig um weitere Gespräche und Suchfunktionen erweitert.
Eröffnungswochenende
- Die offizielle Eröffnung ist am Sonntag, um 10 Uhr. Dann ist das Archiv bis 21 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.
- Geöffnet ist aber schon am Sonnabend von 16.30 bis 21 Uhr für einen kostenfreien Vorgeschmack.
- Das Archiv der Avantgarden im Dresdner Blockhaus an der Augustusbrücke ist dann von Dienstag bis Freitag jeweils von 15 bis 21 Uhr geöffnet, am Wochenende von 11 bis 19 Uhr.
- In der ersten Woche ist der Eintritt frei, danach 5 bzw. 4 Euro (ermäßigt), Schüler und Studierende frei.
- Für wissenschaftliche Recherchen (Di – Fr 9 – 15 Uhr), Anmeldung per Mail: ada.archiv@skd.museum
- Weitere Informationen und das Programm der Eröffnungswoche: archiv-der-avantgarden.skd.museum