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Naddl & Ronny

Die DDR ist tot. Der Sozialismus hat verloren. „Ronny und Naddl“ bleibt – Dresden.

2019. Auf Schlag und mit lediglich vier Worten kommentierte eine gepinselte Inschrift in Rosa mit Schwarz umrandet die rund 30 Jahre zurückliegende Niederlage eines Systems der Unterdrückung, um im selben Augenblick standhaft und ausschließlich den gemeinsamen Sieg zu empfehlen: Die Dresdner Kunst- und Kultfiguren „Naddl und Ronny“ sind geboren.

Der Ursprung des Mythos. Foto: Holm Helis
Die 2019 angebrachte Inschrift markiert den Ursprung des Dresdner Liebes-Mythos. Foto: Holm Helis

Der Ur-Sprung

Mit Instandsetzung des 50 Meter hohen DDR-Vorzeigebaus am Pirnaischen Platz (1968) war quer über das Dachgeschoss der Schriftzug zu lesen „Der Sozialismus siegt“ (Foto in der Wikipedia). 2015 wurde dieser sozialistische Sinnspruch radikal geändert. Dabei wurde „Sozialismus“ erstmal schlicht durch „Kapitalismus“ ersetzt.

Der zweite entscheidende turn dieser Veränderung wurde mittels sächsischer Mundart ermöglicht. Erst diese dialektische Keule stimmte den einstigen Lobgesang zur fleischlich-verderblichen Systemkritik um: Das markige „g“ des Sieges wurde ausgetauscht durch ein kehlig-miefiges „ch“: „Der Kapitalismus siecht“ prangte hoch über Dresden (Foto bei Lars Brüggemann).

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Vier Jahre später, 2019, wurde diese Überschreibung wiederum überschrieben – mit „Naddl & Ronny siegt!“. Ein Jahr vorher bereits zog der letzte Mieter aus dem verfallenen Prestige-Bau.

Intermezzo

„Naddl und Ronny“ scheint zunächst wie die willkürliche Zusammenstellung von einander widersprechenden Phänomenen: „Ronny“ als Bezeichnung eines der Archetypen ostdeutscher Sozialisation. Das stabile, regelrecht gestanzte RONN trägt gleichsam lustvoll sein subversives Y wie einen Schal um den Stabenhals. Hand in Hand mit der „Naddl“ – westlicher geht’s jawohl kaum. Oder?

Denn „Naddl“, selbst gemurmelt, beschwört die showinistissche Grimasse von Poptitan Dieter Bohlen herauf. Aber „Naddl“, murmelt man weiter, bleibt immer auch Kurzform der guten alten Hoffnung.

Status Quo

Während der Schriftzug am Pirnaischen Platz den aktuellen Sanierungsarbeiten endgültig zum Opfer fiel (laut Leipziger Immobilienkonzern „Quarterback“ sollen dieses Jahr die ersten Wohnungen bezugsfertig sein), sind „Naddl & Ronny“ an einem der Pfeiler unterhalb der Carolabrücke zu sehen. Vermutlich nicht mehr lange wird „Naddl“ das Traumpaar anführen.

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Zwar forderten Aktivisten unlängst Denkmalschutz für den Schriftzug, aber allen voran Dresdens Vorzeige-Macher Holger Zastrow regte sich darüber auf. Bereits im letztes Jahr, noch als FDP-Stadtrat, erwirkte Zastrow, dass der Schriftzug entfernt werden soll. Wie TAG24 berichtete, kam der geplanten Putzaktion allerdings das letzte Elbe-Hochwasser in die Quere.

Noch dieses Jahr soll auch das "Naddl & Ronny" unterhalb der Carola verschwinden. Kosten: 12.000 Euro - Foto: Anton Launer
Noch dieses Jahr soll auch das „Naddl & Ronny“ unterhalb der Carola verschwinden. Kosten: 12.000 Euro – Foto: Anton Launer

Laut Pressemitteilung aus dem Rathaus vom 3. Juni soll die Landeshauptstadt dieses Jahr bereits „Aufträge in Höhe von 60.000 Euro“ für die Entfernung von Graffiti an illegalen Flächen investiert haben. Das entspricht der Hälfte des Jahresbudgets 2024.

Was bleibt?

Ein weiterer Ort, an dem das Wende-Pärchen noch zu sehen ist und mit großer Wahrscheinlichkeit bleibt, ist die Hansastraße. An der Schneise zwischen Äußerer Neustadt und Pieschen, dicht am Gelände der Dresdner Monarchs gelegen, führt auch hier „Naddl“ das Paar an.

Bisher ungefährdet ist das Piece an der Hansa-Allee. Hier sind die Namen allerdings vertauscht und Ronny hängt an Naddl dran.
Stadteinwärts fahrend kann man auf der linken Seite das „Naddl und Ronny“ Piece in silbernen Blockletters sehen.

Wer war’s?

Stellenweise wird „Naddl und Ronny“ dem Dresdner Bomber1 „NUR“ zugeschrieben. Dafür spricht eindeutig das Kürzel: Die drei Buchstaben können den Initialen des Wendepärchens entsprechen. Aufgegeben wäre dann die Geschichte von „Ronny und Naddl“. Denn der verantwortliche Writer müsste logischerweise das Kürzel „RUN“ verwenden. Niemand malt „RUN“ in Dresden.

Steht N.U.R. für Naddl & Ronny? Der Tag ist jedenfalls auch in der Neustadt präsent. Foto: Anton Launer
Steht „N.U.R.“ für „Naddl & Ronny“? Das simple Piece in der Neustadt entzieht sich auf Style-Ebene dieser Vermutung eindeutig. Foto: Anton Launer

Dagegen spricht der Style: „NUR“, sowohl als Tag häufig in Dresden zu lesen als auch als relativ seltenes Piece in der Neustadt zu finden, entziehen sich dem Fundament des New Yorker Style-Writings der 70er Jahre. „Ronny und Naddl“ bestätigen es.

Spaß und so?

Der jüngste Auftritt des Kultpaares ist grenzwertig. Im Januar wurde die Inschrift zum Gedenken der Opfer des „Moral bombing“ und damit der Erinnerung an den Auslöser des 2. Weltkrieges am Altmarkt entfernt. Wie das Rathaus später mitteilte, geschah dies planmäßig. Das (berechtigte) Beben war groß, weil die Maßnahme auch innerhalb des Rathauses schlecht kommuniziert worden war.

Aus Protest der Entfernung des Schriftzuges versammelte sich die Fraktion der Dresdner CDU, hielt ein Banner hoch und erinnerte an folgende entfernte Inschrift: „Dies ist ein Ort der Mahnung. Des Erinnerns und Gedenkens. Hier wurden die Leichname Tausender Opfer der Luftangriffe des 13. und 14. Februar 1945 verbrannt. Damals kehrte der Schrecken des Krieges, von Deutschland aus in alle Welt getragen, auch in unsere Stadt zurück.“

Christopher Colditz von der Fraktion der Linken, bearbeitete das Bild der CDU-Fraktion und ersetzte die Inschrift, veröffentliche sein Stück Polit-Kunst auf „X„.

Dieses Bild der Dresdner CDU-Fraktion auf dem Dresdner Altmarkt wurde nachträglich bearbeitet: Foto ChrisCldtz/twitter
Dieses Bild der CDU-Fraktion auf dem Dresdner Altmarkt wurde nachträglich bearbeitet: Foto: screenshot/ChrisCldtz/x

Der politische Sinnspruch als lokalpolitischer Spielball mag manch einem aufstoßen.

Wesentlich künstlerischer (die politischen Narben der Figuren wahrend, den gemeinsamen waffenlosen Sieg vor Augen), hat sich Stephan Kambor mit dem Schriftzug auseinandergesetzt. Der Hamburger Künstler widmete dem Dresdner Liebespaar eine eigene Siebdruckserie.

1 Bomber von Bombing (engl. bombing ‚Bombardierung‘) steht in der Regel für das schnelle auf Menge angelegte Anbringen von Pieces (gesprühtes Bild) oder Tags (Schrift- bzw. Grafikzüge)

Nachtrag 1. September 2024

Der Schriftzug an der Carolabrücke wurde entfernt.

Brückenpfeiler ohne Schriftzug. Foto: Anton Launer
Brückenpfeiler ohne Schriftzug. Foto: Anton Launer

8 Kommentare

  1. Ist euch schon mal in den Sinn gekommen, dass NUR keine einzelne Person, sondern ne Crew ist und das Naddl und Ronny nicht nur zwei Personen sind? Frage für einen Freund.

  2. Oweia, was für ein Artikel.. NUR gibt’s als Tag ja schon gefühlt ewig und „Nadal und Ronni“ stand einige Jahre lang und schon deutlich vor 2019 u.a. an einer Wand in der Gehestraße. Es wirkt so, als versuchte der Autor krampfhaft detektivisch in die Graffiti-Szene Dresdens einzutauchen und ertrank dabei im Nonsense.

  3. Perle des Lokaljournalismus. Noch niemanden getroffen, der mir dazu mehr Info geben konnte. Der Interpretation nach sind Naddl und Ronny Siegt DAS Symbol / Motto der Wiedervereinigung!

    Der oben erwähnte ÖVPN Verweigerer und Personen, die ihre Ergüsse mit „Oweia“ beginnen, sollen bitte ihr Verhalten überdenken, hm?

Kommentare sind geschlossen.