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Gegen die doppelte Sprachbarriere: ABC-Stammtisch für gehörlose Geflüchtete

Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. Auch Daria und Valeria sind nach Deutschland geflohen. Als gehörlose Geflüchtete haben sie im Alltag gleich eine doppelte Sprachbarriere.

Menschen aus Afghanistan, Venezuela und der Ukraine lernen beim ABC-Tisch Deutsche Gebärdensprache.

Valeria muss los. Sie winkt kurz in die Runde. In fünf Minuten geht sie zu ihrer Arbeit. Die 52-Jährige aus der Ukraine hat es geschafft: In einem Kindergarten macht sie eine Ausbildung zur Erzieherin. Dass sie Arbeit gefunden hat, dafür dankt sie auch dem ABC-Stammtisch in der Carolinenstraße. “лучшее место” – bester Ort, tippt sie in ihr Handy. Dann lächelt sie und hebt die Arme in die Höhe.

Früher habe sie nichts verstanden: Trauriger Blick, zusammengesunkene Schultern. Was ihr beim ABC – Stammtisch gefällt? Dass sie Deutsch lernt. Gerade Körperhaltung und Lächeln. Jetzt kann sie sich mit ihren deutschen Kollegen unterhalten.

Stadtverband der Gehörlosen kämpft für zentrale Unterbringung

Vor einer Sprachbarriere stehen wohl die meisten Flüchtlinge zu Beginn in Deutschland. Doch Valeria in ihrem pinken Pullover musste gleich zwei neue Sprachen lernen: Deutsche Schriftsprache und deutsche Gebärdensprache. Sie ist eine der etwa 300 bis 400 gehörlosen Geflüchteten in Sachsen. Die genaue Zahl ist unbekannt, denn die Beeinträchtigung wird nicht mit erfasst. Stattdessen werden sie wie alle anderen Geflüchteten dezentral über den Königsteiner Schlüssel verteilt.

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Norbert Richter vom Stadtverband der Gehörlosen kämpft für eine zentrale Unterbringung. Alleine auf dem Land sei selbstständiges Leben, Austausch und Freunde für gehörlose Menschen schwer, sagt er. „Hier in Dresden ist das Netzwerk, warum nutzt man das nicht aus?“, fragt er. Der Gehörlosenverband hilft bei dem Ausfüllen von Unterlagen oder auch ganz praktischen Dingen wie Arztterminen. Momentan leben in Sachsen viele Gehörlose Geflüchtete in Dresden, aber auch in Leipzig und in Meißen.

Norbert Richter vom Stadtverband der Gehörlosen, im Hintergrund weht die Deaf Flag.

„Wenn dann jemand von unseren Mitarbeitern von Meißen hin und wieder zurück fährt, ist das ein großer Aufwand“, erklärt Norbert Richter. Ein zusätzliches Problem: Bisher gibt es auch nur in Leipzig einen Integrationskurs. Bald soll zumindest ein Online Angebot für Berufstätige oder Eltern kommen. Bis dahin möchte der Dresdener Gehörlosenverband mit dem Angebot des ABC diese Lücke füllen.

In Sachsen bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nur in Leipzig Integrationskurse für gehörlose Menschen an (Screenshot bamf-navi.de).

Schon zwanzig Minuten vor Unterrichtsbeginn sitzen etwa fünfzehn Leute um eine schwere Holztafel verteilt. Man sieht viele Gespräche, Menschen gebärden über den ganzen Tisch hinweg. Unter ihnen ist auch Valeria. Sie lebt in Meißen mit immerhin etwa 30 anderen gehörlosen Geflüchteten. Auf den weiteren Austausch freut sie sich bei dem Stammtisch trotzdem. Aus dem Nebenraum holt sie warmen roten Tee und verteilt ihn, zusätzlich stehen Schüsseln mit Snacks auf dem Tisch.

Gebärdensprache ist nicht weltweit gleich

Sergey, ein etwas älterer Mann, hat sein eigenes russisch-deutsches Bildwörterbuch mitgebracht. Auch Lehrer Norbert Richter arbeitet mit Bildern, auf einem Arbeitsblatt gibt es Piktogramme für „Oma“, „Opa“, „Tochter“. Zu Beginn soll jeder das Bild in seiner Heimatsprache gebärden.

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Die ukrainische Gebärdensprache ist nicht gleich der deutschen Gebärdensprache. Um „Opa“ zu gebärden, streicht man sich in der ukrainischen Gebärdensprache am Kind, wie ein Bart. Norbert Richter deutet einen Zwirbelbart in der deutschen Gebärdensprache an. Eine Frau aus Venezuela streicht sich am Ohrläppchen, um „Oma“ anzuzeigen.

Norbert Richter zeigt die Gebärden für die Familienmitglieder.

Die Sprache ist wichtig für die Ausbildung

Ein Teilnehmer aus Afghanistan ist zuerst fertig, er winkt Norbert Richter zu, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Nachdem er vorne alles richtig durchgebärdet hat, applaudieren die anderen.

Daria hilft ihrem Sitznachbarn.

Auch Daria hilft ihrem Sitznachbar. Sie trägt kurze Jeans Shorts, ein oversized T Shirt. In ihrer Freizeit malt sie gerne, früher hat sie Basketball gespielt. Eigentlich möchte sie Köchin werden, doch auch dafür fehlt ihr die Sprache. Eine Klasse im Förderzentrum Hören musste sie nach ihrem 18. Geburtstag verlassen. Seitdem kommt sie jede Woche zum ABC Stammtisch, um Deutsch dazuzulernen und schließlich einen Job zu bekommen, so wie Valeria.