Anja Stephan ist die Spitzenkandidatin für Die Linke in der Neustadt. Die 49-Jährige leitet das Kinder-, Jugend- und Familienhaus „Louise“, sie ist studierte Sozialpädagogin und wurde bei der Wahl im Frühjahr in den Stadtrat gewählt.
Erreichtes
Welche Ziele konnte Ihre Partei in der vergangenen Wahlperiode in Sachsen erfolgreich umsetzen?
Als Oppositionspartei ist es schwer eigene Ziele durchzusetzen, besonders da die aktuelle Regierungskoalition unsere Anträge immer aus Prinzip abgelehnt hat. Dennoch konnten wir der Koalition einiges abringen: Oft wurden zum Beispiel unsere Anträge abgelehnt und später von der Regierung neu eingebracht. Drei Beispiele, wo wir erfolgreich waren: 1.400 Schulen verfügen über ein eigenes Budget für externes Personal, um Lehrkräfte zu entlasten, 2. in Sachsen gibt es nach dem Vorbild Thüringens einen Reparaturbonus, 3. es gibt ein Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum und eine verbesserte Förderung für den sozialen Wohnungsbau.
Bildungspolitik
Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um das Bildungssystem in Sachsen zu verbessern, insbesondere in Bezug auf Lehrermangel und Digitalisierung in Schulen?
Kurzfristig braucht es in den Schulen multiprofessionelle Teams (etwa Schulsozialarbeiter*innen oder Schulpsycholog*innen), um Lehrkräfte zu entlasten, so dass sie sich vollständig auf den Unterricht konzentrieren können. Deshalb muss Schulsozialarbeit an allen Schulen vom Kultusministerium gefördert werden.
Die Ausbildung der Lehrkräfte muss praxisnäher werden.
Mittelfristig braucht es ein Bildungssystem, in dem es nicht nur darum geht, möglichst schnell viel Fachwissen in die Köpfe zu pumpen, sondern auch um Motivation, Neugier, Eigeninitiative und Teamgeist zu fördern. Deshalb wollen wir Gemeinschaftsschulen stärken und Rahmenlehrpläne, die Lehrkräften mehr Freiräume bei der Unterrichtsgestaltung lassen.
Mit Blick auf Digitalisierung wollen wir ein Fach Medienkunde einführen. Solange in den Schulen nicht flächendeckend W-Lan anliegt, ist die Auseinandersetzung um Digitalisierung müßig.
Wirtschaft und Arbeitsplätze
Wie wollen Sie die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen fördern und sicherstellen, dass neue Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Branchen entstehen? Welche Maßnahmen würden Sie vorschlagen, um Fachkräfte zu gewinnen?
Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Entwicklung ist eine gute Infrastrauktur! Das beginnt bei Verkehr und ÖPNV, Wohnraum, Krankenhäusern und Bildung. Die aktuelle Regierung beharrt auf der sogenannten Schuldenbremse, die eigentlich eine Investitionsbremse ist. Das ist wirtschaftspolitischer Unfug: Gerade jetzt braucht es Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz. Das kurbelt auch die Wirtschaft an. Niemandem ist geholfen, wenn unsere Kinder und Enkel zwar keine Schulden erben, aber marode Infrastruktur, eine kaputte Wirtschaft und eine ungebremste Klimakrise.
Mit Blick auf die Fachkräfte sagen wir: Ein guter Lohn und eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur sind die besten Mittel gegen den Fachkräftemangel. Dazu gehören eine gut erreichbare medizinische Versorgung, eine gute Anbindung mit Bus und Bahn und eben auch eine Kneipe oder ein Gemeindezentrum in jedem Dorf. Zugleich braucht es endlich ein Vergabegesetz, damit staatliche Aufträge nicht mehr an Firmen gehen, die Niedriglöhne zahlen. Wir wollen Sachsen vom Niedriglohn- zum Tariflohnland machen! Denn wer nach Tarif bezahlt wird hat am Ende des Monats im Schnitt fast 1.000 Euro mehr in der Tasche.
Umwelt und Klimaschutz
Welche Strategien verfolgen Sie, um den Klimaschutz voranzutreiben? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um auf den Klimawandel zu reagieren?
Wir sind der Meinung, dass Klimaschutz nur funktioniert, wenn er die Menschen mitnimmt. Er darf niemanden überfordern, stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass auch diejenigen, die wenig Geld haben, es sich leisten können, klimafreundlich zu leben. Die Menschen vor Ort sollten vom Klimaschutz profitieren, etwa indem die Kommunen an aufgestellten Windrändern mitverdienen. Warum sollte der Gewinn des Windrads nicht auch die Kita-Gebühren finanzieren? Zugleich müssen unsere Städte und Dörfer gegen die steigenden Temperaturen gewappnet sein. Dafür braucht es schnelle Maßnahmen, wie mehr Wasser und Grünflächen, damit insbesondere ältere Menschen nicht unter der Hitze leiden.
Gesundheitswesen
Welche Schritte möchten Sie unternehmen, um die medizinische Versorgung in Sachsen zu verbessern und den Fachkräftemangel im Gesundheitssektor zu bekämpfen? Sind Ihnen die Probleme bekannt, mit denen das Diakonissenkrankenhaus derzeit zu kämpfen hat, wie wollen Sie diesbezüglich gegensteuern?
Eigentlich braucht es auf Bundesebene ein gerechtes Gesundheitssystem mit einer solidarischen Versicherung, in die alle einzahlen. Kurzfristig muss aber auch das Land endlich handeln. Als Linke weisen wir schon seit Jahren auf die Finanzierungsprobleme der Krankenhäuser hin und fordern beispielsweise vom Land endlich eine angemessene Beteiligung an den Investitionskosten. Mit Blick auf den Fachkräftemangel gilt das bereits oben genannte. Zusätzlich braucht es mehr Ausbildungskapazitäten, eine bessere Finanzierung der Praxen und bessere Bedingungen für innovative Praxismodelle, beispielsweise mobile Versorgungsangebote oder Versorgungszentren ähnlich wie Polikliniken.
Integration und Migration
Planen Sie, die Integration von Migranten zu fördern, insbesondere hinsichtlich Bildungschancen und Arbeitsmarktintegration?
Ja, die Integration der Menschen, die zu uns kommen, muss zwingend verbessert werden. Erwerbsarbeit ist dabei einer der besten Wege. Wir wollen daher allen die arbeiten möchten auch die Möglichkeit dazu geben. Die schnelle Anerkennung ausländischer (Berufs)abschlüsse oder Qualifikation im Job sind dabei zentral. Zugleich braucht es ausreichend Sprachkurse, damit die Möglichkeit besteht, möglichst schnell Deutsch zu lernen. Alle Kinder und Jugendlcihen brauchen einen Schulplatz!
Dresdner Neustadt
Wenn Sie einem Ihren künftigen Kollegen im Landtag die Dresdner Neustadt beschreiben sollten, was würden Sie besonders hervorheben?
Vielfalt, Spannung, Inspiration und Herausforderung – alles auf einmal, voller Gegensätze und Spannungen. Meine Empfehlung für einen Einblick wie wir hier ticken, sind zwei Stunden am Goldenen Reiter, am Rosengarten, vor der Scheune, im Alaunpark und an der „Schiefen Ecke“, im AZ Conni und im OKA.