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Carolabrücke: Ursachenanalyse und Verkehrsführung

Zum Teil-Einsturz der Carolabrücke hat die Ursachenanalyse begonnen. Noch keine Erklärung, aber zwei Theorien. Task-Force für Verkehrslösung gegründet.

Carolabrücke mit dem eingestürzten Zug C. Foto: Anton Launer
Carolabrücke mit dem eingestürzten Zug C. Foto: Anton Launer

Der Einsturz des Brückenzuges C der Carolabrücke am 11. September wird zu einer Zäsur im Bereich der Brückenprüfungen führen. Da ist sich Professor Steffen Marx, Brückenexperte der TU Dresden sicher. Ähnlich wie die Carolabrücke mit immerhin 120 Metern die Elbe überspannt, sind viele Brücken gebaut, vor allem in Ostdeutschland. Es handelt sich dabei um sogenannte Spannbetonbrücken. Innenliegende Glieder halten die Betonblöcke zusammen. Nachteil einer solchen Konstruktion, man kann nicht hinein sehen und die Analyse ist schwierig.

„Bisher ist man davon ausgegangen, dass vor einem Einsturz einer solchen Brücke Risse auftauchen, die das ankündigen“, sagt Marx, der von der Stadtverwaltung als unabhängiger Gutachter herangezogen wurde. Dies sei aber bei der Carolabrücke nicht der Fall gewesen. Künftig werde man solche Brücken daher ganz anders untersuchen müssen.

Wie man auf dem Foto erkennen kann, ist der Beton der Brücke von verschiedenen Strängen und Glieder durchzogen. Offenbar war ein Teil davon durch verschiedene Einwirkungen gerostet. Foto: Straßen - und Tiefbauamt
Wie man auf dem Foto erkennen kann, ist der Beton der Brücke von verschiedenen Strängen und Glieder durchzogen. Offenbar war ein Teil davon durch verschiedene Einwirkungen gerostet. Foto: Straßen – und Tiefbauamt

Marx führt mehrere Gründe an, die zum Einsturz geführt haben können: Korrosion, Feuchteeintrag, Spannungsrisskorrosion, Chloridinduzierte Korrosion, Streustromkorrosion, Betonversagen, Gelenkversagen, Verbundversagen der Betonstahlbewehrung, Ermüdung. Das alles werde derzeit untersucht. Die Schadensdokumentation hat direkt am am Tag des Einsturzes begonnen. Er dankte dem Technischen Hilfswerk, die seine Mitarbeiter bei den ersten Untersuchungen gut abgesichert haben.

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Künftig müssten Brücken solcher Bauart Schallemissionsmessungen oder dem Verfahren des Remanenzmagnetismus bei Prüfungen anders untersucht werden. Denn nach den herkömmlichen Vorschriften war die Brücke zwar in einem schlechten , aber eben nicht in so schlimmen Zustand, dass sie hätte gesperrt werden müssen. An einer anderen Brücke an der Königsbrücker Straße werden schon Schallemissionsmessungen vorgenommen.

Auslöser: Temperatursturz

Zum Auslöser des Einsturzes hat Marx zwei Theorien, erstens könne ein Schwerlastfahrzeug auf der Autobrücke Schwingungen ausgelöst haben. Oder und das sei wahrscheinlicher, der relativ starke Temperaturumschwung in der Nacht zum 11. September hat es ausgelöst. „Die Brücke ist so schwer, da wirkt sich der Verkehr darauf kaum aus“, sagt Marx. Andererseits zieht sich eine 120 Meter lange Brücke bei Temperaturschwankungen eben auch zusammen. Normalerweise ist das kein Problem, wenn aber die Brücke nun schon unter einer Vorschädigung gelitten habe, dann könnte dies der entscheidende Ausschlag gewesen sein. Der Professor betont, dass dies aber bislang nur Theorie sei, ist aber zuversichtlich, Ursache und Auslöser genau herausfinden zu können.

Erste Bohrproben wurden bereits entnommen, und die Bruchstelle zeigte, dass rund 25 Prozent der Spannglieder Vorschäden aufwiesen. Weitere Untersuchungen sind geplant, unter anderem am Hohlkasten der Brücke nach dem Hochwasser.

Vermutlich an dieser Stelle ist die Brücke entscheiden gebrochen. Foto: Anton Launer
Vermutlich an dieser Stelle ist die Brücke entscheiden gebrochen. Foto: Anton Launer

Zustand der Dresdner Brücken

Wie Bauamtsleiterin Simone Prüfer mitteilte, sind die 314 Brücken in Dresden größtenteils in gutem Zustand. 72 Prozent von ihnen haben eine Zustandsnote von 2,4 oder besser. Der Anteil der Brücken mit einer schlechteren Note als 3,0 konnte auf vier Prozent reduziert werden. Wo die Tragfähigkeit eingeschränkt ist, wurden bereits präventive Maßnahmen ergriffen. Der Ersatzneubau der Nossener Brücke ab 2026 für 109 Millionen Euro ist in Planung. Über den Neubau der Brücke Fabricestraße wird der Stadtrat noch dieses Jahr entscheiden.

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Monitoring der Spannbetonbrücken

Alle Dresdner Spannbetonbrücken, besonders die Bauwerke von vor 1993, werden derzeit intensiv überwacht. An der 1967 erbauten Brücke Budapester Straße über die Bahnanlagen wurde die Überwachung erweitert. Weitere Kontrollen erfolgen an den Brücken Würzburger Straße und Löbtauer Brücke. Die Brücke Königsbrücker Straße, errichtet 1979, wird bereits permanent überwacht, ein Neubau ist ab 2027 vorgesehen.

Verkehrslösungen nach dem Einsturz

Am Montag, dem 16. September, hat sich eine Task Force gebildet, um Lösungen für die durch den Einsturz entstandene Verkehrssituation zu erarbeiten. Die Gruppe entwickelt Interimslösungen und prüft die Auswirkungen auf das gesamte Verkehrsnetz. Wöchentlich treffen sich die Experten, um Fortschritte zu besprechen. Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) betonte die Bedeutung der Carolabrücke als wichtige Verkehrsader für Autos, den ÖPNV sowie Fußgänger und Radfahrer.

In der ersten Sitzung der Task Force wurde bereits beschlossen, ein Konzept für die Adventszeit zu erarbeiten. Während dieser Zeit werden wie jedes Jahr viele Besucher in Dresden erwartet. Da die restlichen Brückenzüge bis auf Weiteres geschlossen bleiben, konzentriert sich die Task Force sowohl auf kurzfristige Maßnahmen als auch auf langfristige Lösungen, einschließlich eines möglichen Neubaus der Brücke. Eine Freigabe der Augustusbrücke für den Autoverkehr wird geprüft. Allerdings wies der Baubürgermeister darauf hin, dass sich dort Autos und Straßenbahnen eine Fahrspur teilen müssten und derzeit alle 75 Sekunden eine Bahn über die Brücke fährt.

Derzeit wird die Verkehrsverlagerung und daraus resultierende Anpassungen der Lichtsignalanlagen (LSA) im gesamten Stadtgebiet analysiert. Voraussichtlich wird es u.a. Rathenauplatz, Carolaplatz , Sachsenplatz, Straßburger Platz, Pirnaischer Platz, Rosa-Luxemburg-Platz Anpassungen geben.

10 Kommentare

  1. Ich zitiere mal aus Wikipedia zum Einsturz der Reichsbrücke in Wien am 01.08.1976 und der Errichtung von Ersatzbrücken

    „Nach fünf Wochen war eine eingleisige Straßenbahnbrücke fertig, das zweite Gleis wurde einige Wochen später verlegt. Der Bau der Brücke für den Individualverkehr dauerte bis in den Dezember.“

    In Dresden sehe ich das ehrlich gesagt nicht, dass da in den nächsten 3 bis 6 Monaten irgendwelche Ersatzbauwerke stehen.

  2. 1. Danke die sachliche Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse und der nun folgenden Maßnahmen.
    2. Ja der Link ist interessant – auch hier danke!
    3. Auch ich glaube leider nicht, dass wir hier in absehbarer Zeit irgendwelche Ersatzbauten bekommen werden und auch daran nicht, dass irgendwer freiwillig politische Verantwortung übernehmen wird. Aber ich lasse mich gern überraschen.

  3. Frage an die Wissenden (Prof. Marx & Co.): Wie werden heute Spannbetonbauwerke so gebaut, daß sich ein Versagen ankündigt vor dem Totalversagen?

  4. Warum denn in die Ferne schweifen. 1907 konnte man in Dresden die Interimsbrücke stromauf neben dem Neubau der Augustusbrücke sehen. Mit zweigleisigen Straßenbahnverkehr auf Fahrbahn und seperaten Fußwegen. Aufbaubeginn 15.Oktober 1906, Übergabe 03.Februar 1907. Als die Behelfsbrücke fertig war, begann der Abriss der alten Augustusbrücke und der Neubau in der heutigen Form.
    Fertigstellung 30.August 1910. Das sind 1.416 Tage Gesamtbauzeit inkl. Ersatzbrücke.

  5. Hallo Nationaltrainer: 1998 wurde vom Bundesverkehrsministerium für neu zu bauende Hohlkastenbrücken die „Richtlinie für Betonbrücken mit externen Spanngliedern“ eingeführt. Wesentlich ist die Bauweise mit externen Spanngliedern als Regelbauweise. Details hier und auch in einem Beitrag der TU Dresden für das 8. Dresdner Brückenbausymposium.

  6. Von der vorhandenen Bebauung her könnte man östlich der Carolabrücke durchaus eine Interimsbrücke errichten auch ohne zuvor die Carolabrücke abzureißen oder einen etwaigen Neubau zu beeinträchtigen. Wenn dann noch einige Pfeiler in der Elbe dafür genehmigt werden (bei der Marienbrücke stehen die nur etwas über 30 Meter auseinander), dürfte es auch ingenieurtechnisch nicht zu komplex sein. Schauen wir mal, wie es da in einem halben Jahr dort aussieht … ;-)

  7. Also viele Gemeinsamkeiten mit dem Fall in Wien 1976 gibt es nicht:
    völlig andere Konstruktionsweise der Brücke, völlig andere Einsturzursache, anderes politisches Umgehen (Vorverurteilung in Wien, das haben wir außer bei paar Deppen in DD nicht), damals noch weniger Prüfverfahren als heute, und anderes mehr.
    Die Gemeinsamkeiten betreffen Trivia wie: eine Brücke ist halt eingestürzt, Mittelteil liegt im Fluß, Restbalken klappen schräg runter, „man konnte nicht reingucken“, etc. . Unser Büffel blieb bislang nicht stecken, aber bald vielleicht.
    Aber ja, der Wiener Fall ist auch sehr interessant. Die Abläufe dürften sich zeitlich gleichen nit heute: nach 1-2 Wo. erste Ergebnisse, nach halbem Jahr Brückenentwurf entschieden, Planung beenden und genehmigen bis ??, Bauen, Verkehrsfreigabe nach ca. 4 Jahren.

  8. @Nationaltrainer zusätzlich zu der von Anton präsentierten Variante hat sich auch in der Materialwissenschaft einiges Weiterentwickelt – Wirf gern mal einen Blick in die Wiki-Seite zu Neptunstahl – Sehr hohe Festigkeiten, aber eben leider auch ziemlich Spröde … wird heute nicht mehr verwendet. Nicht alle modernen Spannbetonbrücken haben externe Spannglieder – der Witterungsschutz ist ja ansich auch gewollt – mit weniger Sprödversagen kündigen sich auch Risse eher (oder überhaupt) an. Zudem ist man dazu übergangen, auch ein paar Spannlitzen mehr als nötig zu verbauen – damit sollte es auch erst einen Hänger geben, bevor es Plumps macht :)

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