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Animando bringt Generationen zusammen

Als Alltagsbegleiterin merkte Theresa Ellinger, dass Kolleg*innen alten Menschen nicht immer auf Augenhöhe begegnen. Sie kam zu der Überzeugung, dass das auch anders geht. Deshalb gründete sie Anfang 2024 ihre eigene Firma, um Studierende zu schulen und sie mit alten Menschen zusammenzubringen. Milan Binder aus der Dresdner Neustadt ist einer der ersten, die diese Schulung durchlaufen haben.

In einem Altbau südlich des Hauptbahnhofs hat Theresa Ellinger Räume gefunden, die ihrer Firma als Treffpunkt und Schulungen dienen. Foto: Victor Franke
In einem Altbau südlich des Hauptbahnhofs hat Theresa Ellinger Räume gefunden, die ihrer Firma als Treffpunkt und Schulungsraum dienen. Foto: Victor Franke

Für Milan Binder beginnt diese Geschichte im Alaunpark. Durch den lief er, versunken musikhörend, als ein Abreißzettel der Firma Animando seine Aufmerksamkeit erregte. Das gemeinnützige Sozialunternehmen schilderte darauf, wie es sich eine sinnvolle Alltagsbegleitung von Senior*innen vorstellt, nämlich als gegenseitigen Austausch, von dem beide Seiten gleichermaßen profitieren.

Dieser Ansatz überzeugte Milan Binder, deshalb trat er mit Animando in Kontakt. Man glaubt ihm sofort, wenn er sagt: „Ich bin einfach ein sehr offener Mensch.“ Überhaupt macht er aus seiner Motivation keine große Sache. Damit passt er perfekt in die Zielgruppe der Firmengründerin Theresa Ellinger. Denn Idealismus und soziale Aufopferung stehen nicht im Vordergrund. Freude und Neugier am gegenseitigen Austausch reichen völlig aus.

Offenheit und Neugier sind Motivation genug

Die Studierenden, die sich bei Theresa Ellinger melden, tun das nicht zuletzt für sich selber. Viele vermissen ihre Großeltern, weil sie fern der Heimat studieren, andere möchten ihre sozialen Kompetenzen stärken. Genau diese „intrinsische Motivation“, wie es Theresa Ellinger nennt, möchte sie mit ihrer Firma bei den Studierenden ansprechen.

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Milan Binder zum Beispiel ist sehr an Geschichte interessiert, besonders an der ostdeutschen, denn die wurde während seiner Schulzeit nicht so stark thematisiert. „Die meisten Freunde, die ich in der Neustadt habe, sind genau wie ich zugezogen.“ Von älteren Menschen könne er hingegen aus erster Hand erfahren, wie es sich anfühlte, hier zu leben.

Sein Opa starb, noch bevor Milan Binder ein Jahr alt war. Der Enkel hätte gerne mehr erfahren. Etwa wie es war, als der Großvater während des Zweiten Weltkrieges als Jugendlicher in die Armee eingezogen wurde. Seine Oma, die kürzlich verstorben ist, hat hingegen nie sehr viel berichtet, auch wenn er wissbegierig nachfragte. Man lerne in der Schule zwar Geschichte, sagt Milan Binder, „Geschichte persönlich erzählt zu bekommen, ist aber etwas völlig Anderes“.

Milan Binder hat es aus der Schwarzwald-Region in die Neustadt verschlagen. Von älteren Menschen würde er gern mehr über die ostdeutsche Geschichte lernen. Foto: Victor Franke
Milan Binder hat es aus der Schwarzwald-Region in die Neustadt verschlagen. Von älteren Menschen würde er gern mehr über die ostdeutsche Geschichte lernen. Foto: Victor Franke

Wenn Dresden, dann Neustadt

Es fällt nicht leicht, Milan Binder eindeutig zu verorten: Er stammt aus der Nähe von Freiburg, wohnt in Dresden und studiert digitales Marketing an der Hochschule Worms als Online-Studiengang. Seine Freundin war ein Grund, nach Dresden zu ziehen. Ein weiterer das Interesse am exotischen Osten. Denn in seiner Heimat sei dieser Teil der Republik weitgehend unbekannt, die Sicht auf Sachsen oft klischeebeladen.

Die Wahl eines Stadtteils fiel Milan Binder leicht, als er im Oktober 2024 nach Dresden zog: „Die Neustadt war für mich die einzige Option“, erinnert er sich. Ihm sei klar gewesen, „wenn ich hierherziehe, dann in die Neustadt“.

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Schulungen mit viel Fachwissen und noch mehr Praxis

Formal handelt es sich bei dem Programm, das Animando vermittelt, um ein ‚Angebot zur Unterstützung im Alltag‘. Dieses wird vom kommunalen Sozialverband Sachsen anerkannt und über die Pflegekassen finanziert. Damit Ehrenamtliche diese Tätigkeit ausüben dürfen, müssen sie eine Basisschulung nachweisen. Milan Binder nahm bei Animando an der ersten Schulung teil, die die junge Firma überhaupt anbot. Zukünftig sollen Studierende einmal pro Semester die Möglichkeit dazu bekommen.

Den Ball werfen, den man kaum sieht. Milan Binder konnte während der Schulung am eigenen Leib erfahren, wie sich Alterseinschränkungen anfühlen. Foto: Theresa Ellinger
Den Ball werfen, den man kaum sieht. Milan Binder konnte während der Schulung am eigenen Leib erfahren, wie sich Alterseinschränkungen anfühlen. Foto: Theresa Ellinger

Für die fachlichen Inhalte der Schulung suchte sich Theresa Ellinger professionelle Unterstützung und fand diese in Person von Stefani Nemuth. Seit vielen Jahren arbeitet diese als Krankenschwester und Pflegeexpertin für Menschen mit Demenz.

Die inhaltlichen Vorgaben vom kommunalen Sozialverband sind nach Stefani Nemuths Einschätzung weitreichend: „Neben Symptomen und Erste-Hilfe-Maßnahmen geht es sogar um Medikamente und Therapieansätze.“ Umso wichtiger ist beiden, dass die Studierenden neben der Theorie am eigenen Leib erfahren können, was es bedeutet, alt zu sein.

Konfrontiert mit der eigenen Zukunft

Ein wesentlicher Bestandteil der Schulung ist deshalb der Altersanzug. „Mit ihm können die Studierenden empathisch nachvollziehen, wie sich Einschränkungen im Alltag anfühlen“, erklärt Theresa Ellinger. Gewichte von 20 Kilogramm simulieren den Verlust an Muskelkraft, die Brille eine Linsentrübung. In der Montur hören und fühlen die Studierenden schlechter, die Gelenke werden steifer.

Das Handy bedienen, Kleingeld abzählen oder gar die steile Wendeltreppe im Schulungsgebäude hinabsteigen – all das wird mit dem Anzug zur Tortur. Der größte Aha-Effekt für die Studierenden, da ist sich Theresa Ellinger sicher, sei jedoch ihre Verhaltensänderung: „Wer durch den Anzug weniger von seiner Umwelt mitbekommt, fühlt sich isoliert, wird unsicher und zieht sich zurück.“

Es dauert eine Weile, bis Stefani Nemuth den Altersanzug angelegt hat. Für das Verständnis alter Menschen lohnt sich der Aufwand aber. Foto: Victor Franke
Es dauert eine Weile, bis Stefani Nemuth den Altersanzug angelegt hat. Um ältere Menschen besser zu verstehen, lohnt sich der Aufwand aber. Foto: Victor Franke

Das Angebot von Animando trifft auf großes Interesse bei Studierenden unterschiedlichster Fachrichtungen. Das ist ganz im Sinne von Theresa Ellinger. Denn oft kommen Alltagsbegleiter*innen aus Pflegeberufen. „Ich finde es aber toll, wenn das Menschen machen, die eigentlich nichts mit Pflege zu tun haben“, betont Theresa Ellinger und lacht: „Wie ich zum Beispiel!“

Austausch statt Betreuung

Ausgestattet mit intrinsischer Motivation und professioneller Schulung starten die Studierenden in das Programm GENAU. Das steht für GENerationen-AUstausch. Das Wort „Betreuung“ hingegen, spricht Theresa Ellinger nur widerstrebend aus, „denn Betreuung hat nichts mit gleicher Augenhöhe zu tun“.

Das gesellschaftliche Blick auf alte Menschen ist oft von Defiziten geprägt. Die Alltagsbegleitung beschränkt sich zu oft auf Smalltalk über das Wetter und Memory spielen. Dabei hätten die Senior*innen einen reichen Erfahrungsschatz und spannende beruflichen Karrieren. „Natürlich gibt es Menschen, die Bingo lieben“, sagt Theresa Ellinger, „aber manche möchten sich vielleicht lieber geistig austauschen“.

Ein Schlüsselerlebnis hatte sie direkt nach ihrer Ausbildung zur Alltagsbegleiterin. Ausgestattet mit einem Sprichwörterspiel – das war nach Lehrmeinung gut bei Demenz – besuchte sie einen älteren Mann. Dort beobachtete sie, wie eine Kollegin diesen Herrn duzte, streichelte und fütterte. Theresa Ellinger empfand den Umgang als demütigend.

Der ältere Herr war früher Dozent am Uniklinikum Dresden. „Ich sprach ihn mit ‚Herr Professor‘ an und fragte ihn nach seiner Forschung und“, Theresa Ellinger klingt heute noch begeistert: „Es war alles da!“ Der Mann veränderte seine ganze Körperhaltung, erzählte von seiner Forschung und die beiden unterhielten sich über Bertolt Brecht. Das Sprichwörterspiel benötigte sie an diesem Tag nicht.

Ausflüge zum Handball

Der geschichtsinteressierte Milan Binder freut sich auf das erste Treffen mit ’seinem‘ älteren Herrn. „Er ist in Kaliningrad aufgewachsen, kam zum Ende des zweiten Weltkriegs nach Dresden und erlebte hier die Zerstörung der Stadt“, erzählt er. Der Gesprächsstoff wird den beiden so schnell vermutlich nicht ausgehen.

„Zudem sind wir beide sportbegeistert!“ Der ältere Herr hat von seiner Familie eine Dauerkarte für Handballspiele bekommen. Milan Binder wird ihn dabei regelmäßig begleiten. Und vielleicht gehen die beiden auch mal gemeinsam durch den Alaunpark, diesmal nicht in Musik, sondern in Gespräche versunken.

Ein Kommentar

  1. Was für eine schöne Idee! Als alte Knacker interessieren uns solche Beiträge natürlich. Da Theresa sich ja selbst als Geschäftsführerin bezeichnet, wäre es natürlich nützlich zu wissen, was für Kosten für ihren Service entstehen. Ihre Seite gibt da nix her. Umsonst ist der Tod. Und selbst der kostet das Leben….

Ergänzungen gern, aber bitte recht freundlich.

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