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100 Jahre Sender Dresden (Teil 1)

Ein lautes ‚Hallo‘ ertönte im nicht unbedingt stillen Restaurant des Hotels ‚Neustädter Hof‘ schräg gegenüber dem Dresdner Bahnhof Neustadt. Die am Tisch sitzenden drei jungen Studenten hoben ihre Bierhumpen und begrüßten Walter Schuster, der den weitesten Weg hierher zu ihrem Treffen hatte. Er studierte an der Forstlichen Hochschule Tharandt. An diesem letzten Tag im Januar 1925 trafen sich die vier Freunde, die allesamt im Umkreis der Privaten Frauenklinik in der Neustädter Carolinenstraße ihr Zuhause hatten, zu einem traditionellen Wochenendumtrunk.

Hotel Neustädter Hof an der Antonstraße 25 - zeitgenössische Postkarte
Hotel Neustädter Hof an der Antonstraße 25 – zeitgenössische Postkarte

Nachdem Walter die anderen begrüßt hatte, also Karl Voigt, der im Institut für zahnärztlichen Nachwuchs am Stadtkrankenhaus Johannstadt studierte, Alwin Doenges, Student am Institut für Kraftfahrtwesen der TH Dresden, der bei Professor Adolph Nagel eingeschrieben war und Edgar Rodschinka, Student beim Professor für Romanistik Victor Klemperer, ebenfalls an der TH, erhielt er seinen Humpen und trank ihn vor Durst halb leer.

Das bevorstehende Ereignis

Nicht die Tagespolitik der Unmöglichkeiten, eine halbwegs funktionierende Regierung der Mitte in Berlin zustande zu bringen oder die vermeintlichen Unmöglichkeiten der Professoren, sich auf die Anforderungen der Neuzeit einzustellen und dass sie, die Studenten, es ohnehin besser wüssten, spielten an diesem Stammtisch eine Rolle, sondern DAS bevorstehende technische Ereignis in der Stadt, die Eröffnung des Radiosenders Dresden.1

Dresdner Nachrichten vom 2. Nobvember 1924
Dresdner Nachrichten vom 2. Nobvember 1924

Selbst bei den etwas älteren Kindern gab es in diesen Tagen kein anderes Thema als den bevorstehenden Sendebeginn. Schnell hatten sie die technischen Begriffe, wie Detektor-Apparate oder Anodenbatterien drauf. Ohne Probleme konnten sie diese auch selbst zusammenbauen. Denn solche Geräte zum Selberbauen gab es. Funkbasteln nannte man das. Auch über Elektromotoren und Dynamos an Fahrrädern wussten diese 12-jährigen Bescheid, ebenso wie über die Wirkungsweise der Motorräder und Straßenbahnen.2 Was interessierten da noch Schulaufgaben, Latein, Gedichte auswendig lernen, Mädchen und dergleichen.

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Radioabende

Gasthäuser und Hotels veranstalteten gut besuchte Radioabende, denen die bereits zu empfangenden Sender aus Leipzig und Berlin eine weitere Einnahmequelle bescherten.3

Alwin berichtete, dass er kürzlich mit seinen Eltern im Hotel de Sax an einem Radioabend teilnahm. „Kaum kam man rein, kriegte man einen Kopfhörer übergestülpt. Die anderen Gäste grüßten sich nur mit Augenaufschlag und den Worten ‚Leipzig … Pistonsolo … Theo Schulze.‘ Dann saßen wir schweigend unter unseren Bekannten, stundenlang starr und stumm in deren verzückte Augen blickend. Jeder in die Musik vertieft. Gespräche gab es nicht. Man wollte niemanden stören.“4

In anderen Gasthäusern seit Monaten ein ähnliches Bild. Die Gäste saßen an kleinen Tischen mit Getränken, Kopfhörer auf und lauschten den Fernkonzerten. Alles war direkt. Eine Aufzeichnungsmöglichkeit gab es noch nicht. Diese Kopfhörer waren zwar etwas leiser als die in den Radios vorhandenen Lautsprecher, dafür aber akustisch reiner und in der Verständlichkeit deutlicher. Manchmal passierte es auch, dass sich Funkwellen kreuzten.

Dann platzte mitten in die „Vierjahreszeiten“ von Antonio Vivaldi das Zeitzeichen des Pariser Eiffelturmes mit dessen höherer Lautstärke hinein, was die lauschenden Gäste verstört die Hörer vom Kopf reißen ließ. Nach dem Konzertende ertönte die deutsche Nationalhymne. Alle Gäste erhoben sich, stimmte in ihr ein oder summten mit und verließen nach dem Bezahlen zufrieden das Gasthaus.

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Verein für Funkfreunde

Seit dem Probeversuch, Radiosender in Dresden überhaupt zu empfangen (Neustadt-Geflüster vom 10. Dezember 2023), war Karl Voigt Mitglied im Verein der Funkfreunde, dem Radioklub Dresden5.

Sein Vater, der Chefarzt der Privaten Frauenklinik in der Carolinenstraße 4 schaffte beizeiten für seinen Sohn einen Detektorapparat an. Seinen Freunden am Stammtisch erklärte er, dass er als Nutzer des Radiohörens monatlich 2 Mark6 entrichten muss.7 (Das ist die Geburt der heutigen Rundfunk- und Fernsehgebühr)

Man konnte auch für einen längeren Zeitraum im Voraus diese Gebühr errichten. Dieser Beitrag wurde durch das Reichspostministerium in Berlin erhoben und durch die Postämter eingesammelt. Vom Ministerium wurden die Mittel dann an die privat geführten Sendestationen für die Gestaltung der Programme, die Entlohnung der Mitarbeiter sowie die Aufnahme- und Sendetechnik verteilt. Für das Betreiben eines Senders brauchte man eine Genehmigungsurkunde mit Sendefrequenz des Reichspostministeriums. Die Rundfunkgeräte, auch die selbst gebauten, durften nur Röhren mit dem ‚RTV‘-Kennzeichen (Reichstelegrafenverwaltung) verwenden.

Die Neugier wuchs

Das Interesse am Radio wuchs mit jedem Satz, den Karl Voigt seinen Freunden zu Gehör gab. Die Information, dass er zur Eröffnung des Senders Dresden am Sonntag, den 22. Februar 1925 seine Freunde zu sich nach Hause einlud, erzeugte laute Hurrarufe und die kreisende Geste von Edgar an den Wirt als Signal für eine neue Runde. Als Überraschung werde Karl ihnen das neuste Radiogerät der Firma Mende aus Dresden vorstellen, das er, so hoffte er, pünktlich zur Eröffnung bekommen würde. Zu sehen sei vom neuen Sender schon einiges in der Stadt, wie die riesige Antenne zwischen Rathausturm und dem Turm der Kreuzkirche sowie der Aufbau des Studios im Hotel zur Reichspost in der Zwingerstraße 17/18.

Doch davon im Teil 2.

Anmerkungen des Autors

1 Dresdner Nachrichten vom 2. November 1924
2 Dresdner Nachrichten vom 11.Februar 1925
3 Dresdner Nachrichten vom 26. Februar 1924
4 Dresdner Nachrichten vom 8. Dezember 1914
5 Dresdner Nachrichten vom 19. Oktober 1923
6 entspricht heute ungefähr 9 Euro; nach Deutsche Bundesbank, „Kaufkraftäquivalente historische Beträge in deutschen Währungen“, Stand Januar 2024
7 Neuregelung des Rundfunkwesen, Dresdner Neueste Nachrichten vom 22. Mai 1924


Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür durchstöbert der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Der vorliegende Text ist literarischer Natur. Grundlage bilden die recherchierten Fakten, die er mit fiktionalen Einflüssen verwebt.

Ergänzungen gern, aber bitte recht freundlich.

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