Es gibt Läden in der Neustadt, die mit ihren Besitzern so unweigerlich verbunden sind wie die Schnecke mit dem Häuschen. Frau Radke, Besitzerin der Leder-Truhe, revolverschnäuzige Neustadt-Liebhaberin und treusorgende Kundenpflegerin, gehört dazu. Als ich am Telefon mein Anliegen kund tue, werde ich rigoros und etwas belustigt auf einen bereits bestehenden Artikel der SZ verwiesen. „Besser kann man das nicht machen. Den können Sie sich ja abholen. Und dann fragen Sie mich, was Sie sonst noch so wissen wollen.“
Als ich nach geschaffter Lektüre am nächsten Tag meine Fragen vorbringen darf, erscheint Uta-Maria Radke mit flammend rotem Haar lächelnd in einer ihrer zwei Ladentüren. Zwei sind es nämlich, die den Kunden vor die Qual der Wahl stellen, seit sie die gegenüberliegende Wohnung zu einem Geschäftsraum ausbaute. Im vergangenen Herbst feierte die Leder-Truhe 80-jähriges, 20 davon gehören Uta-Maria Radke. Sie lernte als junges Mädchen den Beruf der Lederwarenverkäuferin, übernahm das Geschäft und bildete selbst Lehrlinge aus. Dass die Geschichte der Leder-Truhe in der Altstadt, auf der dunklen Seite, begann, das möchte Frau Radke wenn auch nicht verschweigen, dann wenigstens nicht über Gebühr betonen. Der Sattlermeister Kurt Hausmann gründete das Geschäft 1928 und zog vier Jahre später in die Neustadt. Diese Zeit ließ Frau Radke bei ihrer Jubiläumsfeier getrost unter den Tisch fallen. Sie ist Neustädterin durch und durch. Kleine Lädchen, vom Chef geführt, bunt und anders, mit Schaufenstern so abwechslungsreich wie ein Adventskalender. Mit Stolz und Genugtuung sieht sie das Staunen der Touristen, die sich nach dem Gleichtrott der großen Warenhäuser ungläubig die Augen reiben. „Dieses Jahr feiern wir die dreiundzwanzigste BRN“ sinniert sie und lässt bei meinem Abwesenheitsgeständnis etwas vorwurfsvoll verlauten: „Aber das Datum wird doch schon im Januar rot angestrichen!“
Ihr Laden macht seinem Namen alle Ehre. Uta-Maria Radke verkauft nur Schätze unter den Tragehüllen. Und, stellt sie klar, nicht an jeden. Der Käufer muss sich der Tasche erst würdig erweisen, da gibt’s kein „Nehm ich eben die“. Qualität hat ihren Preis und verdient ihren Respekt, so ist das nun mal. Und so gewinnt man das Gefühl, man adoptiere eine Tasche, anstatt sie nur zu kaufen. Fast schon hatten wir uns zum Abschied die Hand geschüttelt, da fällt der kennende Blick von Frau Radke auf meine Umhängetasche. Mit Leichtigkeit überführt sie mein vermeintliches Flohmarkt-Kunstleder anhand des Innenfutters der Herkunft aus hohem Designerhause, attestiert zwar etwas blasse Haut, aber mit dem richtigen Lederfett … Dann widmet sich ihre ganze Aufmerksamtkeit einem hilflos umher blickenden Kunden. Ach, eine Tasche für die Frau? Kunststoff, Leinen, Leder? Groß, klein, zum Wandern, Tragen, Flanieren? Na, wir finden schon was. Eifrig flattert sie davon, so schnell, dass sie auf einem Foto kaum einzufangen ist.
Frau Radke muss man einfach erlebt haben.
Informationen und Öffnungszeiten
- Leder-Truhe Radke, Bautzner Straße 10
- Montag bis Freitag 10 bis 19 Uhr, Sonnabend 10 bis 13:30 Uhr
- im Internet zu erreichen unter http://www.ledertruhe-radke.de/
Ein super Artikel! :)
Ps.: die Adressinformation lautet richtig:
ROTHENBURGER STR. 10
01099 Dresden
Ein Laden der fachlich alles bietet… Top. :-))