Sonne im Hof. Warum nicht gleich Sonnenhof? Die am Eingang hängende geschnitzte Sonne lässt es wohl vermuten. Flaniert man durch den Eingang die Treppen hinab, entdeckt man eine kleine, versteckte, wunderbar gemütliche Oase der Ruhe. Es ist Montagmorgen und ich statte Thomas „Schmuddl“ Templin einen Besuch in seiner kleinen Bar ab. Die war früher ein Tagescafé.
Hauptberuflich ist der Ur-Neustädter „Schmuddl“ Kunsthandwerker. „Ich hatte eine eigene Holzwerkstatt und habe eine Menge Lederzeug übernommen“, berichtet er. Sylvia Schweikl, die Vorbesitzerin und gute Freundin habe ihn angesprochen, er solle doch den Laden übernehmen. Lässig lehnt sich „Schmuddl an seine Bar aus Büchern. „Ein Kaffee gefällig?“ Er wird uns in das kleine sonnige Vorgärtchen in feinsten Silberschälchen serviert. „Ich arbeite mit Holz, Leder und Silber und bin hier nebenbei so etwas wie der Hofhausmeister.“ Den Spielplatz hinter der Bar hat er selbst gebaut und die Sonne vorn am Hofeingang vor Jahren geschnitzt und geschmiedet. Der Hof ist so etwas wie ein Gemeinschaftsprojekt. Jeder macht sich hier nützlich und packt mit an. Dem Hof und seiner Gemeinschaft müsste man selbst fast einen eigenen Artikel widmen.
Bleiben wir bei Schmuddl. Der rothaarige, aufgeschlossene Mann liebt die Gemütlichkeit. Natürlich auch Whiskey, besonders irischen. Die Bücher von der Vorbesitzerin „geerbt“ und mitverwendet, gestaltete er sich ganz in diesem Sinne seine kleine Welt. Nussbaumfarbenes rustikales Ambiente zwischen verschnörkelten Silbergeschirr, Hirschgeweihen, Kronleuchtern, Leselampen, zahlreichen Lesestoff und nicht zu vermissen – die Bar aus Büchern. Ich fühle mich in eine Bibliothek der alten Zeit zurückversetzt, mit dem Touch eines irisch- urigen Pubs mit der Eleganz der 1920er Jahre. Ich sehne mich nach dem süßlichen Geruch von Pfeifentabak. Und den Dunst, der angealterte Skatspieler in einem düsteren Lichtkegel einhüllt. In jeder Ecke gibt es etwas Neues zu entdecken. In eine davon führt mich „Schmuddl“ ganz stolz. Eine Werkbank auf der fast fertige mittelalterlich-romantische Lederschilder auf ihren Einsatz warten, ein runder Kneipentisch mit hübsch-kitschiger Tischdecke. „Das ist meine Werkstatt, hier kann jeder zuschauen, mit dabei sein oder sogar selbst Kurse machen.“ Eine ziemliche Stilmischung bis hierhin möchte ich meinen. Aber es wird noch schräger.
Neben mir steht ein großes altes Buffet in dem selbstgebaute Tastaturen aus Holz liegen – gegenüber ein umgebautes, altes Radio welches aussieht als wäre es einem postapokalyptischen Film entsprungen. Er „schimpft“ sich selbst nicht als Künstler. Aber ich denke, er hat sich die Bezeichnung redlich verdient.
Neben Regalen aus Büchern und Leselampen schmücken Kunstwerke wechselnder Maler und Grafiker die Wände – (fast) alles darf man sich hier auch kaufen. Mal abgesehen von all der Kunst, Gemütlichkeit und Zeitlosigkeit. Was erwartet uns noch in der Buchbar? Natürlich ein netter philosophierender Plausch bei Erfrischungsgetränken, Kaffee, Wein oder Whiskey, Beisammensein, die Ruhe genießen bei entspannter Musik in wundervoller Atmosphäre. Das ein oder andere Buch möchte gelesen werden – auch auf Englisch und anderen Sprachen versteht sich. Der ideale Ort für jemanden, der eine Nachmittagsauszeit braucht oder seinen Abend ausklingen lassen möchte.
Zurück zu einem der wichtigsten Punkte der Bar und des Kunsthandwerkers und Gastronomen – dem Whiskey und seinen Lebensgeist. „Ich liebe Insider-Whiskey und verkoste mit dem ein oder anderen Gast oder Freund auch mal verschiedene Sorten.“ Er schwenkt das Glas mit der goldenen Spirituose. „Schmuddl“ plant langfristig mehrere Lesungen und Musikabende zu Whiskey und anderen Themen. Außerdem hat sich mittlerweile der Spiele-Abend fest in seinem Programm etabliert. Dieser findet jeden Donnerstag ab halb 8 statt. Von Catan bis Carcassonne – hier kann man sich ausgiebig ausspielen. Neben dem Donnerstag sollen noch ein bis zwei weitere Tage für dauerhafte Aktionen gefestigt werden. „Für konstruktive Ideen bin ich stets offen“, so Schmuddl. Apropos offen – Schmuddl pflegt zur Zeit keine offiziellen Café-Öffnungszeiten. Aber seine Werkstatt ist tagsüber immer offen und er ist jederzeit bereit zu bewirten und sich über die Schulter schauen zu lassen.
Der nächste Leseabend „Weimarischer Abend“ findet am 11. Oktober statt. Gelesen werden Goethe und Schiller, eine Szene aus „Faust“ wird nachgespielt.
Buchbar im Sonnenhof
Alaunstraße 66/68 HH; 01099 Dresden
Kurse und Workshop´s für und zu Lederverarbeitung, Schmiedekunst, Theater u.m. vermietbar für eigene Themenveranstaltungen/ Geburtstage
im Internet zu erreichen unter www.schmuzwork.de oder Facebook
Nachtrag
Aus der Buchbar ist inzwischen ein Friseur geworden.
Hört sich gut an, danke für den Tipp :)
Bin ich bisher immer dran vorbei gelaufen.
Ich hatte mir den Schmuddl immer ganz anders vorgestellt.
@Peter, wie stellt man sich jemand vor, den man gar nicht kennt ?
Also ich hatte auf jeden fall rote Haare erwartet.
@Peter: Vielleicht weil der auch ein „e“ mehr hatte. ;-)
Juhuu, ab September wohne ich im Sonnenhof :-)
Das spricht dor Sachse dor eh ni mit, Anton.
Ali Mente, Fantasie und Vorstellungskraft sind leider ganz geheime Geheimtechniken (ggG), die ich Dir nicht verraten darf. :-D
Er ist auch ein sehr guter Tattoowierer!
ur-neustädter? eher ur-reicker-plattenbau-punk… oder was bedeutet ur neustädter? ab mitte neunziger?
Bedeutet, dasser schon länger da ist, als die Autorin zurückdenken kann.
ach na da…;)
Als die Autorin zurückdenken kann, ist gut gesagt Anton…;) Es soll heißen, dass er schon da war, bevor die Neustadt von Menschen und Hip-Feeling überströmt wurde.
Den „Weimarischen Abend“ werd ich mir jedenfalls nicht entgehen lassen :-) … habe kurz bei einer der Proben reinschauen dürfen. Das weckte definitiv Appetit auf mehr…