Dem Hut ging es schon mal besser. Nicht nur dem Exemplar, das Jaqueline Peevski über eine hölzerne Halbkugel gestülpt hat und für seinen Besitzer sorgfältig in Form bügelt. Nein, auch der Hut im Allgemeinen hat rosigere Zeiten gesehen. Als es noch Hutablagen in jedem Restaurant gab, er respektvoll vor trippelnden Damen gelüftet wurde und sich auf der Straße in Gesellschaft zahlreicher anderer Hüte befand. Der Hut wurde außerhalb der Musiker- und Poetenszene zum raren Accessoire. Abgelöst von der Strickmütze, dem Basecap, dem Stirnband. Dabei ist er doch am Outfit so etwas wie die Petersilie am Hauptgericht und verströmt ein Flair mondäner Klassik und stilechter Seriosität. Ein Charakter-Kleidungsstück mit langer Geschichte, dessen Herstellung sich Jaqueline Peevski seit 17 Jahren widmet.
Es war Liebe auf den ersten Blick, wie sie vielleicht nur in Paris treffen kann. Jaqueline Peevski studierte an der Hochschule für Bildende Künste Bühnen- und Kostümbild und arbeitete am Societaetstheater. 1993 führte sie ein Theaterstipendium nach Frankreich. Erst Straßburg, dann Paris. Ihre Wohnungswahl legte den Grundstein für ihren jetzigen Beruf, denn die Madame, bei der Peevski wohnte, war Hutmacherin.
Fortan vernachlässigte Peevski die Arbeit am Theater, um stattdessen mit Kopfbedeckungen zu experimentieren. Wieder in Deutschland flaute die Leidenschaft nicht ab. Im Gegenteil. Bald stapelten sich in der Wohnung Hüte, Mützen und allerlei exotische Ansteck-Pralinés. Zweckrational beschloss Peevski: der Hut muss auf den Kopf und suchte einen Laden. Im Jahr 1997 folgte die Eröffnung eines Ladengeschäftes in Striesen, vier Jahre später der Umzug in die Neustadt.
Hüte verkaufen, sagt sie, sei zu achtzig Prozent Psychologie. Sie nennt sich selbst Hutkünstlerin und tatsächlich wirken die Gebilde, die sie aus Federn, Tüll, Filz und Pelzchen entwirft, wie stoffgewordene Poesie. Inspirationen liefern ihr organische Formen aus der Natur. Ein solcher Deckel erfordert einen selbstbewussten Topf. Strahlend nimmt Peevski die eintretenden Kunden in Empfang, denen teilweise sichtlich der Mut sinkt. Doch Peevski bleibt zuversichtlich. Für eine Kapitulation liebt sie ihre Werke zu sehr. Schwungvoll drapiert sie die nächste Mützenkreation auf ein unsicheres Köpfchen, legt kritisch den Kopf schief, zupft die Blende zurecht und empfiehlt typgerechte Alternativen. Jeder hat ein Hutgesicht! Davon hat sie die Erfahrung überzeugt – und Auswahl gibt es in ihrem Geschäft reichlich.
Peevskis Arbeitsweise und ihre Mentalität materialisieren sich in den kunstvollen, als auch den praktischen Modellen ihres Kunst-Handwerks. Präzise Verarbeitung, kreativer Mut und persönlicher Gestaltungsdrang gehen ineinander über. „Ich ermutige meine Kunden und Kundinnen, ihren eigenen Stil zu finden und zu ihrem Geschmack zu stehen.“ Die dazu nötige Zeit nimmt sich die Behüterin mit größter Selbstverständlichkeit. Die Fragestunde, die ich Beine baumelnd auf Frau Peevskis Arbeitstisch verbringe, fühlt sich an wie praktischer Philosophie-Unterricht. Arbeit mit „Leib und Seele“ jenseits eines Werbe-Slogans. Diese Aura haben wohl auch die beiden Journalisten von MDR gespürt, als sie Hutgesicht Peevski gleich noch zum Gesicht des Radiosenders Figaro auserkoren. Seitdem fährt das Portrait des Dresdner „Pony Hütchens“ als Werbeplakat auf Bussen spazieren.
Obwohl im Geschäft und auf Messen viel zu tun ist, bleibt Peevski ihren Wurzeln treu. An der HfbK gibt sie momentan Kurse für Masken- und Kostümbildstudenten, in denen sie über die Geschichte ihrer Lieblingskopfbedeckung doziert und praktische Tipps gibt. Die letzte Brücke zu den Brettern, die die Welt bedeuten, ist also noch nicht abgebrochen. Mir bleibt zum Schluss nun nur noch übrig zu gestehen: dieser Artikel ist stark subjektiv verzerrt, denn ich bin nicht klar im Kopf – ich bin verliebt. In Hüte.
Informationen und Öffnungszeiten
- Hut-Kunst Japée, Bautzner Straße 6
- Dienstag bis Freitag 12 bis 19 Uhr, Sonnabend 10 bis 14 Uhr
- im Internet zu finden unter www.hutkunst-japee.de
auf zur Pferderennbahn.