Anzeige

Kieferorthopädie

Und ganz nebenbei: Demokratie

In den Schaufenstern des Wehnerwerks sind zur Zeit Bilder des Künstlers Jürgen Ullrich zu betrachten
In den Schaufenstern des Wehnerwerks sind zur Zeit Bilder des Künstlers Jürgen Ullrich zu betrachten

Karin Pritzels Lieblingswerkzeuge sind Flipcharts und Pinnwände. Beamer und Powerpoints – naja. Hat auch seine Berechtigung, aber wenn in Gruppen gearbeitet werden soll, hält sie es mit handschriftlichen Mindmaps. Interaktion und Transparenz sind die erklärten Ziele. Wie es sich für die ideale Sozialdemokratie gehört. Deswegen befindet sich das Herbert-Wehner-Werk mit den großen Schaufenstern mittlerweile auch auf der Kamenzer und nicht mehr in den langen dunklen Gängen des ehemaligen Robotron-Kastens auf der St. Petersburger Straße. Die Nähe zum Bürger,  sagt Geschäftsführerin Karin Pritzel, sei oberste Priorität. Seit 1992 existiert die sozialdemokratische Basisstation in Sachsen. Ursprünglich in Chemnitz nach westdeutschem Muster eingerichtet, zog das Wehnerwerk zwei Jahre später in die Landeshauptstadt und vermittelt demokratische Grundwerte. Ganz nebenbei. Mit Seminaren und politischen „Kaffeefahrten“.

Der Einzug der Demokratie in Ostdeutschland war ein sensibles Thema. Nach dem starren System der Einheitspartei eröffnete sich jetzt ein Spektrum wählbarer Parteien, auf das die Bürger mit politischer Aufklärung und Bildung vorbereitet werden sollten. Noch heute, sagt Pritzel, ist in ehemaligen DDR-Bürgern die Vorsicht tief verankert. Beim Thema politische Aufklärung ploppten schnell die Erinnerungen an den Staatsbürgerkundeunterricht im Kopf auf und verursachten den faden Beigeschmack dogmatischer Erziehung.

Karin Pritzel in bester Gesellschaft: Schmidt, Wehner, Brandt
Karin Pritzel in bester Gesellschaft: Schmidt, Wehner, Brandt

Dem Herbert-Wehner-Werk, wie z.B. auch der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung, ist an der Unterstützung einer individuellen, selbstständigen Meinungsbildung gelegen. Benannt ist die Institution nach dem ehemaligen Anarchisten und später besänftigtem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und SPD-Bundesfraktionsvorsitzenden mit Pfeife und Hornbrille. Ein recht kontroverser Zeitgenosse, der die Tabelle der Verwarnungen und Ordnungswidrigkeiten im Bundestag mit 58 anführt und von Helmut Kohl zur Erfindung des Schimpfwortes „Düffeldoffel“ inspiriert wurde. Geboren wurde der Sturkopf in Dresden, weswegen der Umzug des Wehnerwerks im Nachhinein nur logisch erscheint.

Seinen endgültigen Standort fand das Bildungswerk 1999 in der Neustadt in einem ehemaligen Fischgeschäft. Damals war die Kamenzer Straße noch ein reifenstrapazierender Kopfsteinpflasterparcours, die Häuser grau und unsaniert. Allein in den letzten fünf Jahren, berichtet Pritzel, ist das Begängnis in der Inneren Neustadt deutlich wahrnehmbar gestiegen. Mehr Geschäfte haben sich angesiedelt und, genau gegenüber, die Piraten. Das sei nicht schlimm, sagt Pritzel, sie seien bei den Rhetorik- und Moderationskursen gern gesehen und nähmen das auch in Anspruch. Hin und wieder lässt sich ein CDU-Mitglied blicken – im Sinne der Demokratie geht das in Ordnung.

Anzeige

Archiv der Avantgarden - Welten Bauen. Visionäre. Architektur im 20. Jahrhundert

Anzeige

Blitzumzug

Anzeige

Lange Nacht der Angst im Hygiene-Museum

Anzeige

Yoga Retreat

Anzeige

tranquillo

Anzeige

Agentour

Anzeige

Kreuzretter für die Rückengesundheit

Anzeige

Societaetstheater

Anzeige

Blaue Fabrik

Anzeige

Archiv der Avantgarden - Der Wandel wird kommen

Karin Pritzel, studierte Politik- und Kommunikationswissenschaftlerin aus Thüringen, stolperte als unschuldiges Juso-Mitglied durch die Landtagswahl 1999 in die erste Sommerwerkstatt des Herbert-Wehner-Werkes und löste 2011 Christoph Meyer als Vorsitzenden ab. Die energiegeladene Flipchart-Anhängerin koordiniert mit ihren MitarbeiterInnen etwa 100 Veranstaltungen im Jahr. Zu diesen zählt vor allem die Ausbildung von Betriebsräten, Vereinsleitern und weiteren Verantwortungsträgern. Wie schreibe ich Pressemitteilungen? Wie bringe ich meine Themen verständlich dem Publikum vor? Das Herbert-Wehner-Werk gehört außerdem zu den wenigen Einrichtungen, die Bildungsfahrten nach Auschwitz anbieten und damit historisch-politische Stätten – im wahrsten Sinne des Wortes – erfahrbar machen.

damals war's: vom Fischladen zur politischen Frischetheke
damals war’s: vom Fischladen zur politischen Frischetheke

Informationen und Öffnungszeiten

  • Herbert-Wehner-Bildungswerk, Kamenzer Straße 12
  • geöffnet Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr
  • im Internet zu erreichen unter www.wehnerwerk.de

15 Kommentare

  1. Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
    Von Kriegskrediten 1914 und Ebert/Noske/Scheidemanns Verrat an der Revolution 1918 bis zu Schröders Agenda 2010 und SPD Großkoalitionären ist die SPD im 151 Jahr ihrer Existenz weiter den je vom „sozialdemokratischen Ideal“ entfernt…was auch immer das sein soll…
    Ihr fast genauso altes Politikrezept ist: Was Krupp nutzt, nutzt auch Krause
    Interessen der Arbeit(nehm)er jedenfalls verrtitt sie schon lange nicht (mehr)!

  2. hallo,
    „Bundeszentrale für politische Aufklärung“ ?
    da ist wohl die „Bundeszentrale für politische Bildung“ gemeint.
    und das denen „an der Unterstützung einer individuellen, selbstständigen Meinungsbildung gelegen.“ sein soll seh ich auch nicht.

  3. Nach dem „ehemaligen Anarchisten und später besänftigtem Bundesminister“ benannt?
    1. War er Zeit seines Lebens nicht unbedingt „sanft, was seine über 50 Ordnungsrufe im Bundestag belegen und
    2. wüßt ich nicht, wie der Zusammenhang zu seiner Jugend als Anarchist damit zusammenhängt. Sind Anarxchisten also per se unsanft oder wie.
    3. War er auch KPD-Mitglied. Wahrscheinlich bis zu seiner erfolgreichen Therapie…
    Auschwitzfahrten als Alleinstellungsmerkmal? Google findet in 0,37 sec. 2300 Einträge zu „Bildungsfahrt Auschwitz“, von kommerziellen Anbietern über die BPB bis hin zum Dresdner „Roten Baum“…aber „eine der wenigen“ ist natürlich relativ“
    Schön auch die Vorstellungen, wie so ganz nebenbei uns Hinterwäldlern ein bisschen Demokratie beigebogen wird: „Mit Seminaren und politischen “Kaffeefahrten”.“ Naja, besser „Demokratie“ angedreht bekommen als Lama-Fell-Decken…
    „Der Einzug der Demokratie in Ostdeutschland war ein sensibles Thema. Nach dem starren System der Einheitspartei eröffnete sich jetzt ein Spektrum wählbarer Parteien, auf das die Bürger mit politischer Aufklärung und Bildung vorbereitet werden sollten.“
    Nur gut, dass die Vorbereitung auf dieses sensible Thema so gut funktioniert hat, sonst wäre das Volk, welches sich des einen Systems erfolgreich entledigt hat, möglicherweise noch so mündig geworden, sein Geschick n die eigenen Hände zu nehmen, statt sie seinen „Repräsentanten“ der CDUSPDGRÜNLINKEN-Pseudo-Diversität zu überlassen. Aber immerhin können wir jetzt nicht nur zwischen verschiedenen Parteien wählen, die uns durch den Kakao ziehen, sondern auch zwischen 20 verschiedenen Waschmitteln, um uns wieder zu reinigen.
    Noch was schönes von Georg Kreiler: Politiker

  4. Ja: „wie der Zusammenhang zusammenhängt“, das wüßt ich gern…und wer die Anführungsstriche sortiert und das x aus Anarchist entfernt…(was vergessen?)
    zur Entschuldigung…noch’n Tucholsky:
    Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas –: vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.
    Und weil grad Wahl war und die SPD erwähnt wird und ’n Ostdeutscher spricht: http://www.youtube.com/watch?v=Ke-hn1ES2cw

  5. Seldon: „SPD im 151 Jahr ihrer Existenz“

    Die SPD beruft sich auf das Eisenacher Programm der SAP von 1869. SDAP und ADAV haben sich 1875 zusammengetan und in SPD umbenannt. Das sind maximal 145 Jahre – genau genommen aber nur 139.

    Nur weil die von der SPD letztes Jahr ihr angeblich 150. zelebriert haben, heißt das noch lange nicht, dass das auch der Wahrheit entspricht. Man sollte vielleicht nicht immer nur alles nachplappern bzw alles von irgendwo zusammenkopieren, sondern sich erstmal genau informieren! Wer eine halbwegs anständige Schulbildung genossen hat, sollte das dort schon etwas über die Gründung gelernt haben!

    Wenn im ersten Satz nur Falsches steht, braucht man den Rest gar nicht erst zu lesen, da wird es bestimmt nicht anders aussehen. Aber das ist man ja von dir gewöhnt!

  6. naja, goldwage…, politische bildung.

    „Der Einzug der Demokratie in Ostdeutschland war ein sensibles Thema.“
    wieso, weil die menschen hier so diktatorisch unterdrückt worden, das sie mit dem begriff nichts anfangen konnten ?

    und nur die parteistiftungen u.s.w. uns da endlich die freiheit des kapitalismus überhelfen konnten ?
    “ Nach dem starren System der Einheitspartei eröffnete sich jetzt ein Spektrum wählbarer Parteien, auf das die Bürger mit politischer Aufklärung und Bildung vorbereitet werden sollten.“
    es gab auch in der ddr mehrere parteien, eine christliche, liberale, bauern und nationale,(neben der sed) auch wenns egal war was mensch wählte, da die wahlen manipuliert worden.

    und so weiter. seldon hat ja auch schon einiges geschrieben. ist auch nicht immer richtig ersichtlich ob es deine oder die meinung des „bildungswerkes“ ist.

    mit manchem würde wohl selbst wehner nicht namentlich in verbindung gebracht werden wollen, aber so ist es, siehe das hannah arendt institut.

  7. @Leni: SED – Sozialistische Einheitspartei Deutschlands … außerdem könnte man keine Parteien wählen. Nur den Block mit vorher festgelegtem Proporz.

    Es steht nirgends, dass nur die Parteienstiftungen aufklären, aber sie spielen def. eine wichtige Rolle. Ebenso wie die Zentrale für pol. Bildung.

    Im Unterschied zur „demokratischen“ deutschen Republik (DDR) ist jetzt freie Bildung möglich.

  8. Hallo Rechenkünster: Vielen Dank für die gutgemeinte Nachhilfe. IUst aber unnötig. Wie Du schon selber schreibt, ist es nicht so ganz einfach, ein konkretes Datum anzugeben. Ich hab‘ jetzt mal das gewählt, auf welches sich die SPD selbst bezieht. Das hat nichts mit Nachplappern zu tun! Ich hätte auch sowas schreiben können wie: „…in ihrer nach eigenem Bekunden 151 jährigen, eher 145 jähr. oder eigentlich erst 139 jähr. Geschichte…“ wär ’n sperriger Satz und in der Sache nicht weiter hilfreich. Ich diskutiert ja nicht das richtige Alter sondern die Politik der SPD! Hast Du dazu auch was zu sagen?

  9. Hallo Anton, bei einiger Zustimmung kann man doch nicht unhinterfragt lassen, was „freie Bildung“ heutzutage bedeutet. Von interessengeleiteten Schulbuchverlagen, immer dreisteren Versuchen der Einflußnahme von Wirtschaft und Militär (ja ich weiß: auch in DDR-Schulen war die NVA präsent…), Totalitarismusdoktrin, einem „Ethik“-Unterricht, der doch starke Schlagseite Richtung Christentum hat, Bildungsabhängigkeit vom Geldbeutel, Unterfinanzierung von Kindergärten und Schulen usw., usf muß schon auch geredet werden! Aber ja, wer sich bemüht, findet auch andere Angebote und muß nicht fürchten, wg. Umweltblättern o.ä. von der Schule zu fliegen…

  10. Noch zum Wahlsystem inner DDR: (Schon putzig!)
    Einheitsliste mit Kandidaten der verschiedenen gesell. Organisationen. Man konnte aber Kandidaten wegstreichen. Die Zusammensetzung der Volkskammer und deren Politik stand schon fest. Ist die Frage, inwieweit da heute ein großer qualitativer Unterschied besteht im Hinblick auf tatsächliche Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess. Demokratie i.s.v. Volksherrschaft? Wer bestimmt das öffentliche Leben? Am Ende doch nicht mal die Abgeordneten! Die sehen sich doch maximal „Sachzwängen“ ausgesetzt, die ihnen von verschiedenen Seiten vermittelt werden…So gesehen haben wir die Partei-Diktatur mit einer Kapital-Diktatur getauscht…

  11. @Seldon: Das mit dem Wegstreichen war aber nicht so einfach, wenn du zum Beispiel nicht mit dem Linieal durchgestrichen hattest, galt das nicht als ungültig, sondern das Durchstreichen wurde einfach nicht gewertet.

    Zur politischen Teilhabe heutzutage. Die Bürger wollen ja gar nicht mehr, denn sie gehen einfach nicht zur Wahl. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das daran liegt, dass sie mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden sind. Denn dafür gibt es ja genügend Parteien, die versprechen, die bestehenden Verhältnisse umzukrempeln.

  12. @Anton, Wahlbeteiligung: Möglicherweise haben sie auch einfach die Hoffnung nicht, mit ihrem Kreuz etwas zu ändern. Aber natürlich hast Du recht, dass es eine gewisse Trägheit der Masse gibt und gab. Daraus zu schlussfolgern, „die Menschen“ wären mit den Zuständen zufrieden, halte ich für gewagt. Eher resigniert („die“ machen doch eh‘, was sie wollen…), ohne Vorstellung von Alternativen (TINA wird ja nun seit Jahrzehnten gepredigt–>Apropos Schule), in ein anstrengendes Arbeitsleben eingebunden oder sozial abgehängt, auch desinteressiert, ja, und sicher sind auch viele solange zufrieden, wie was Gutes im TV läuft, das Benzin nicht zu teuer, der Teller wohl gefüllt ist und der Tellerrand hoch genug…
    Die Frage ist ja auch, ob diese Form repräsentativer „Demokratie“ tatsächlich den Interessen der Menschen entspricht, ihre Interessen auf- und wahrnimmt. Ist „was Krupp nutzt“ auch im Interesse von Krause?

  13. @anton
    SED ist doch erstmal nur der zusammenschluß von KPD und SPD gewesen, oder ? ich kann mich erinnern, bei einer wahl die namen der SED kandidatinnen, die ich mir aus dem wulst von in zeitungen veröffentlichten listen herausgesucht hatte durchstreichen zu wollen. war aber faktisch nicht möglich.

    deswegen das u.s.w. hinter parteienstiftungen ;-)

    ok. freiere bildung im vergleich mit der DDR.

    und ja es gibt auch viel mehr freie unabhängige information, wenn mensch denn daran interesse hat. neben wenigen zeitungen und zeitschriften dank des internets.

Kommentare sind geschlossen.