Sie schreit, sie flüstert, sie wimmert, ruft und weint fast. Der Saal ist still. Eben noch wurde getuschelt, Stühle gerückt, Papier geraschelt – doch nun ist Stille. Das hat sie geschafft. Gebannt hängen die reichlich über 100 Besucher an ihren Lippen. Freuen sich über den einzigen Schmunzler im Vortrag und sind am Ende doch: betroffen.
Ich sitze in der Scheune, im großen Saal beim Poetry Slam. Vorn auf der Bühne steht Jessi, gerade mal 13 Jahre alt, sie hat ein Feuerwerk an Wörtern hinterlassen und einigen Nachbarn um mich rum Tränen in die Augen getrieben. Doch nun ist das schon wieder vorbei und die Leipzigerin Nhi Le schildert ihre Eindrücke aus einem China-Restaurant.
Am Ende der Vorrunde habe ich zehn Wettbewerber gesehen, einige ablesend vom Papier, einige ganz frei, meist witzig, ironisch und hintergründig. Mal mit Melodie, mal mit merkwürdigem Sprachrhythmus, immer aber hörenswert.
Die Regeln sind einfach: Jeder Autor bekommt eine gewisse Zeit, seine Texte vorzutragen. Ob er dabei abliest oder frei vorträgt, bleibt ihm überlassen. Nun wird abgestimmt. Im Foyer kann man seinen Favoriten wählen, drei sollen ins Finale einziehen. Dann wird es spannend. Moderator Michael Bittner verkündet die Finalisten. Da es so knapp sei, habe sich die Jury für vier Kandidaten entschieden. Mein Favorit, die 13-jährige Jessica, ist nicht dabei. Vielleicht war ihr Thema zu ernst für diesen Abend. Ihre Schilderung vom Verlust des besten Freundes erschien mir so lebensecht, dass ich direkt bei den Eltern nachfragen musste. „Alles nur ausgedacht“, winkte der Vater lachend ab. Der Stolz auf seine Tochter war ihm anzusehen. Die vier Finalisten legten sich noch einmal ordentlich ins Zeug. Hier begeisterte mich Jesko Habert am stärksten, der einen Rap in den Saal schleuderte, der Eminem wie einen stammelnden Nachwuchs-Reimer aussehen lässt. Seine Chroniken von Lyrien ließen mein Schreiberlingsherz höher schlagen. Für den Saal war das dann wohl doch zu abgehoben. Den meisten Applaus und damit auch den Hauptpreis des Abends gewann Michael Christopher aus Senftenberg mit seiner Schilderung, wie man das Schreiben einer Masterarbeit möglichst lange hinauszögert. Damit war er vermutlich ganz nah dran an der Zielgruppe. Tröstlich für Jessica, mit dem Hauptpreis, einer Pulle Büffelgras-Wodka, hätte sie nicht so viel anfangen können.
- Die nächste Livelyrix-Veranstaltung ist am Mittwoch wieder in der Scheune: „Sax Royal – die Dresdner Lesebühne„.
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