Wer hämmert denn da? Soviel hatte ich doch gar nicht getrunken. Das Pochen in meinen Ohren will nicht mehr aufhören. Der Ofen ist mal wieder aus und die Kälte zieht mir um die Glieder. Die dünne Bettdecke wärmt auch nicht. Mühsam schiebe ich mich aus dem Bett heraus. Das Pochen wird lauter, ich klinke meine Zimmertür auf.
Im Flur ist Festbeleuchtung, einer meiner Mitbewohner sitzt auf dem Boden. Er hat einen Stapel Bretter vor sich liegen, etliche Nägel im Mund und einen Hammer in der Hand. Im Zimmer hinter ihm rauscht eine Party.
Wir schreiben einen grauen Januartag des Jahres 1992. Mit ein paar Freunden hatte ich vor einer kleinen Weile meine erste Neustadt-Wohnung bezogen. Auf solche Kleinigkeiten wie einen Mietvertrag oder einen angemeldeten Stromzähler hatten wir keinen gesteigerten Wert gelegt. Schließlich waren wir jung und hatten kein Geld. Oder besser gesagt, das Geld wurde für diverse Partys und deren hochprozentiges Zubehör gebraucht.
In der Wohnung befand sich auch eine prima Küche mit einem funktionierenden Gasherd. Selbst das Geschirr hatten die Vormieter, die in den Wirren der untergehenden DDR gen Westen geflüchtet waren, noch da gelassen. In den ersten Wochen hatten wir dementsprechend ständig Besuch. Gekocht wurde täglich. Auch fließend Wasser war vorhanden, doch irgendwie verließ uns spätestens nach dem dritten Reinigungsgang die Lust.
Nun, die Küche war ziemlich groß. Irgendwer brachte immer auch neues Geschirr mit. Vielleicht hätten wir das alte irgendwann mal wegräumen sollen, doch es sollte anders kommen.
Mein Mitbewohner grinst mich an. Seine Pupillen sind riesig. Die Kippe hängt im Mundwinkel.
„Komm, fass mal mit an, du bist doch immer so für Ordnung“, ruft er mir zu.
Ich muss zugeben, dass ich mich in den vergangenen Wochen immer mal wieder dafür ausgesprochen hatte, aufzuräumen. Doch seine pragmatische Lösung verschlägt mir nun den Atem. Widerspruchslos schnappe ich mir ein Brett.
Er setzt den nächsten Nagel an, schlägt zu und eine halbe Stunde später ist die Küchentür komplett zugenagelt.
„Warum?“ – erst jetzt wird mir der Wahnsinn bewusst.
„Dahinter hat es angefangen zu leben – und du willst die kleinen Tierchen doch nicht im Bett haben, oder.“ Breit grinst er mich an. Ich bin sprachlos und habe dann aber doch noch ein paar Wochen gebraucht, bis ich mich endgültig aus dieser Wohngemeinschaft verabschieden konnte.
War früher alles besser?
- Als kleine Erinnerungsstütze an die frühen 1990er Jahre werde ich in loser Folge ein paar Geschichten über die wilde Zeit von damals veröffentlichen.
- Alle Geschichten unter #Früher-war-alles-besser? oder in den Büchern „Anton auf der Louise“ und „Anton und der Pistolenmann“
Schöne Tischdecke! ;)
Schön zu lesen. Das ruft Kindheitserinnerungen wach.
ruft WG- Leben wach. ;-)
schon die ersten Worte zauberten ein Grinsen in mein Gesicht——->ich freue mich immer auf deine Geschichten von früher……selber habe ich das nicht erlebt und so etwas nur vom Hörensagen erfahren !!der Jensi war Prolet und Gutbürgerlich,was heißt WAR–bin ich heute immer noch—-> deshalb Danke für die Erinnerung über Damals…
grussi….. :lol: