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„Ich will, dass du lebst!“

Kaleb-Zentrum auf der Bautzner Straße
Kaleb-Zentrum auf der Bautzner Straße
Vor genau sieben Jahren, am 7. Dezember, ereilte mich eine Nachricht, die ich bis heute noch nicht verdaut habe. Mit Tränen in den Augen verließ ich das Schulgebäude, die Frage nach dem „Warum“ quälte mich. Warum war sie so verzweifelt? Warum hat sie mir nichts gesagt? Warum hat niemand etwas bemerkt? Nach kurzem Luftholen folgte das fragende „Was“: Was hätte man tun können, um ihr in ihrer Notsituation zu helfen?

Meine Freundin, ein lebensfrohes freundliches Mädchen, war gerade siebzehn, als Vertreter von der lokalen Presse mich vor der Schule abpassten und mit Fragen löcherten, auf die ich selbst keine Antworten wusste. Neun Monate lang verheimlichte meine Freundin ihre Schwangerschaft in ihrem sozialen Umfeld. Auf direkte Nachfragen gab sie Antworten, die uns zwar nicht zufriedenstellten, wir aber auch nicht weiter nachhakten. Ein Fehler? Sie schwänzte die Sportstunden und fehlte am Ende beinahe täglich auch im übrigen Unterricht. Kein Lehrer fragte nach oder kontaktierte die Eltern, einige Wenige machten sich ernsthaft Sorgen. Und auf einmal waren sie da, die Fragen, die niemand beantworten konnte…

Kurz nach der Geburt erdrosselte die junge Mutter ihr Kind mit einem Strumpf und versteckte es anschließend in einer Plastikbox. Schließlich begab sich das Mädchen zu einem Arzt, welcher feststellte, dass sie kurz zuvor entbunden haben musste. Zwei Jahre später erfuhr ich aus der Zeitung, dass meine Freundin zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde. Zu den Hintergründen kann ich nur mutmaßen. Ich wünschte, man hätte ihr einen Weg zeigen können, der nicht in einer dramatischen Verzweiflungstat geendet hätte. Ich weiß bis heute nicht, was aus ihr geworden ist und wie es ihr geht.

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Lange Nacht der Angst im Hygiene-Museum

Damals wusste ich noch nicht, dass es anonyme Anlaufstellen gibt, die derartige Schicksale verhindern wollen. Der in der Neustadt ansässige Verein „Kaleb Dresden e.V.“ ist eine solche Anlaufstelle. Mit dem Gesetz zur möglichen „Unterbrechung der Schwangerschaft“ von 1972 ging auch der Ruf nach Alternativen zur Abtreibung, vor allem in christlichen Kreisen, einher. Es gründete sich eine Initiative, die sich regelmäßig in Gemeinderäumen traf, Informationen rund um das Thema Schwangerschaft sammelte, und Babykleidung an bedürftige Familien weitergab. Schließlich ließen sich die ersten Frauen zu Stillberaterinnen ausbilden. 1989 gründete sich aus dieser Initiative heraus der Kaleb e.V. in Leipzig, welcher ab 1993 auch als eigenständiger Verein in Dresden aktiv wurde. Seit 2001 befindet sich das Kaleb-Zentrum mit einer eigenen Babyklappe auf der Bautzner Straße 52.

Babyklappe im Haus
Babyklappe im Haus
Noch im selben Jahr wurde das Projekt „Findelbaby“ mit der Botschaft „Ich will, dass du lebst!“ ins Leben gerufen, 2004 dann eine „Notwohnung“ eingerichtet. Hier besteht die Möglichkeit einer anonymen Betreuung (werdender) Mütter durch Hebammen, Ärzte und Sozialpädagogen. Bis zu einem Viertel-Jahr können Frauen in der Krisenwohnung mietfrei wohnen und entsprechend betreut werden: „Mit diesem Angebot wollen wir den Frauen die Möglichkeit geben, Wege zu finden, ihr Leben mit dem neuen Kind zu gestalten, anstatt es anonym in der unserem Haus angegliederten Babyklappe abzugeben“, so Carola Bockhacker, eine der Leiterinnen des Projekts. „Wir sind jedes Mal froh, wenn sich Frauen rechtzeitig vor der Geburt melden und wir gemeinsam schauen können, wie ein Leben mit Kind aussehen könnte. Ebenso gibt es Frauen, die sich dann doch für eine Freigabe des Kindes zur Adoption entscheiden und dann in ihr altes Umfeld zurückkehren. Das ist für manche Frauen der wirklich allerletzte Ausweg“, so Uta Jarsumbeck, ebenfalls Projektbetreuerin. An dieser Stelle wird dann das Dresdner Jugendamt aktiv, welches sich um die Adoptionsformalitäten kümmert. Auch für die Mütter, die sich für den anonymen Weg über die Babyklappe entschieden haben, hat man jederzeit ein offenes Ohr: „Wir freuen uns, wenn Mütter auch Jahre später noch den Weg aus dieser Anonymität finden“, so Frau Jarsumbeck weiter. 
Die Notwohnung befindet sich an einem geheimen Ort, um den Frauen den bestmöglichsten Schutz und Sicherheit zu gewährleisten.

Das Projekt finanziert sich ausschließlich über Spendengelder. Noch bis zum 24. Dezember, besteht die Möglichkeit über Facebook „Findelbaby“ zu unterstützen. Saxowert Immobilien spendet für jeden Like einen Euro, so sollen insgesamt 1000 Euro zusammenkommen. Weitere Informationen zu der Spendenaktion gibt es direkt auf der Facebookseite des Unternehmens.

In Notfällen kann man sich an den 24-Stunden Notruf (01804/232323) des Kaleb e.V. wenden. Speziell ausgebildete ehrenamtliche Mitarbeiterinnen bieten zu jeder Tages- und Nachtzeit eine kompetente Unterstützung an, um (werdende) Müttern vor Verzweiflungstaten zu schützen. Ein weiteres soziales Angebot ist die Kleiderkammer des Vereins, hier kann kostenlos Babyausstattung sowie Bekleidung vom Säuglings- bis ins Teenageralter und Schwangerschaftsbekleidung erworben werden. Sachspenden, das heißt, gut erhaltene Kleidung, welche sauber, frisch gewaschen und unbeschädigt sind, werden während der Öffnungszeiten gerne entgegen genommen.

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—-
Nachtrag vom 8. Dezember
Der Verein versteht sich zwar als eine überkonfessionelle christliche Initiative, spricht sich jedoch deutlich gegen Abtreibungen und gegen die rezeptfreie Verschreibung der „Pille danach“ aus.

    Weitere Informationen

  • Kaleb Dresden e.V., Bautzner Straße 52, Kontakt unter: 0351/ 8014432 oder per E-Mail an info@kaleb-dresden.de
  • Weitere Informationen zum Verein auf www.kaleb-dresden.de
  • Die Öffnungszeiten der Kleiderkammer und die Abnahme- bzw. Abgabebedingungen kann man hier nachlesen.

27 Kommentare

  1. Das unterstuetzenswerte Anliegen der Hilfe fuer beduerftige Muetter und Findelkinder in allen Ehren, sollte in einem serioesen Artikel der reaktionaere kulturelle Hintergrund des kaleb.ev nicht ausgeblendet werden. Googeln bildet und muss auch diesmal leider an die Stelle von ernstgemeintem Journalismus treten. Die ruehrende Geschichte, die uns hier aufs Brot geschmiert wird mit dem Ziel der Akzeptanzsteigerung, sagt alles zur Stossrichtung des Beitrages. Normalerweise steht ueber derartigen Elaboraten „Werbung“.
    Frank (mehrfacher Vater)

  2. Hallo Frank, der Werbevorwurf geht fehl. Die Bemerkung zur „rührenden“ Geschichte ist schlicht unverschämt. Jedoch gebe ich Dir recht, dass die Rolle des Kaleb e.V. in Zusammenhang mit Abtreibungsgegnern durchaus erwähnt werden könnte. Wir haben den Artikel diesbezüglich ergänzt.

  3. Tjoa, irgendwas läuft schief in der Welt. Während solche Projekte nur alleine durch Spenden überleben, werden jährlich Milliarden in Waffen und Rüstung gesteckt…

  4. Der Artikel bietet mir die Gelegenheit, mich bei den engagierten, stets freundlichen Frauen jeden Alters, die ehrenamtlich die Kleiderkammer betreiben, zu bedanken. Diese Einrichtung ist einfach nur genial. Nicht nur, weil man gegen einen wirklich familienfreundlichen Obulus gut erhaltene Kinderklamotten und -ausstattung bekommt, sondern auch, weil die Möglichkeit, die eigenen, zu klein gewordenen dort zu spenden, eine tatsächlich nachhaltige Alternative zu den gängigen Kleidercontainern (auf deren Problematik ich hier nicht eingehen möchte) darstellt. Überdies ist der „Laden“ tipptopp organisiert – die Reihen roter, fein säuberlich beschrifteter Kisten beglücken meine Pedantenseele jedes Mal aufs Neue.

    Was die in Franks Kommentar kritisierten erzkonservativen Ansichten anbelangt: ich kenne sie und teile sie nicht. Aber dennoch erachte ich es als gutes Recht des KALeB, sie zu vertreten. Wir leben in einer Demokratie, und meines Wissens hat noch kein KALeB-Mitglied Abtreibungskliniken bombardiert. Dieser Tage ist viel von Toleranz die Rede – ich kann da nur an den Spruch von der Freiheit Andersdenkender erinnern.

    Im übrigen sind diese ach so engstirnigen Fundamentalisten meiner Beobachtung nach erstaunlich tolerant. Nicht nur im Umgang mit dem bunten Neustadt-Elternvolk, sondern auch im Umgang mit jenen Müttern anderer Kulturkreise, die statt der drei T-Shirts oder fünf Strumpfhosen 15 oder 20 Stück mitnehmen wollen, obwohl dies den Gepflogenheiten der Kleiderkammer widerspricht. MIR wäre da schon längst mal der Kragen geplatzt (meine diesbezügliche Beobachtung war beileibe keine Einzelfall), aber ich habe noch kein böses Wort von hinter der Theke vernommen.

    So oder so halte ich die Babyklappen für eine gute Einrichtung, auch wenn sie immer wieder kritisiert und in ihrer Arbeit behindert werden. Wann immer ich in der Kleiderkammer der Klappe gewahr werde, muss ich an das Schicksal des Säuglings denken, der vor 15 Jahren (Achtung, Triggerwarnung – leider eine schlimme Geschichte) in Meißen die Toilette hinunter gespült wurde. Als Mutter (und als Vater sicher auch) ist einem allein die Vorstellung unerträglich. Die Dresdner Babyklappe ist über all die Jahre genutzt worden, wenn ich mich recht erinnere. Das ist für mich die Hauptsache.

  5. Hi Anton,
    was ich anzweifle, ist der konkrete Zusammenhang des Falles mit dem kaleb-Laden. So gut wie jede/r kennt aus eigenem oder nächstem Umfeld schlimme(!) Geschichten mit kleinen Kindern, die aufgrund ihrer Krassheit jeden fühlenden Menschen dazu bewegen, erst mal innezuhalten und zuzuhören. Damit Werbung (ich nenn es jetzt mal so) für einen Laden / eine Spendenaktion / eine Religionsgemeinschaft zu machen ist „rührend“ und zudem das typische Merkmal sogenannter Fallgeschichten aus dem Umfeld der im Netz organisierten Abtreibungsgegner. Das zu sagen ist nicht von mir unverschämt, sondern es beutet das schlimme Schicksal dieses kleinen Menschen aus. Genau betrachtet hat die Geschichte vom erdrosselten Kind mit dem gesamten Beitrag überhaupt nichts zu tun, außer man braucht unbedingt einen Aufhänger für sein Thema.

  6. @Frank: Da muss ich Ihnen widersprechen. Es kann gerade durch Vereine und Initiativen wie der Kaleb e.V. solche schlimmen Geschichten verhindert werden. Gäbe es diese Menschen nicht, die sich für verzweifelte Frauen stark machen, sähe es deutlich düsterer aus in unserer Welt. Und ja, Kaleb e.V. ist Abtreibungsgegner, aber sie binden das keiner Frau auf, die zu ihnen kommt. Für sie zählt zuerst die Hilfe, die die Frauen benötigen und diese versuchen sie denen zu geben.

  7. An dieser Stelle will ich auch ein paar kurze Worte verlieren: Ich bin weder Abtreibungsgegner noch mache ich Werbung für ein Unternehmen oder einen Verein, einer Religion gehöre ich auch nicht an, auch wenn das eigentlich niemanden etwas angeht…

    Ich hätte mir damals sehr gewünscht, dass es in unserer Kleinstadt eine ähnliche Initiative gegeben hätte, an die sich meine Freundin anonym hätte wenden können…Vielleicht wäre es dann anders gekommen, vielleicht auch nicht. Darum geht es aber auch gar nicht. Wenn nur ein(e) betroffene(s) Mädchen/Frau diese Zeilen ließt und dadurch den Mut fasst sich Hilfe zu holen, ist schon mehr erreicht, als wenn sie gar nicht wüsste, dass es solche Anlaufstellen gibt….

    Ich finde es ziemlich unfair, dass immer sofort mit der Keule draufgehauen wird. Es mag sein, dass die angesprochenen Kritikpunkte durchaus ihre Berechtigung haben. Aber mal ehrlich, wenn man nur lange genug sucht, findet man überall etwas…

    Mädchen, die sich in Sachen Schwangerschaftsabbruch beraten lassen wollen, werden ganz sicher nicht allein gelassen. Bevor ein Arzt in Deutschland einen solchen Abbruch vornehmen darf, muss die betroffene Frau einen Beratungstermin (z.B. bei Pro Familia) nachweisen…

    Was aber machen die Frauen, bei denen eine Abtreibung nicht mehr infrage kommt? Was machen Mädchen, die sich nicht trauen mit ihren Angehörigen zu sprechen? Was machen Mädchen, die vergewaltigt wurden und mit noch ganz anderen Problemen deshalb zu kämpfen haben? Genau dafür gibt es solche Vereine! Ich denke, diese Arbeit der zum Großteil ehrenamtlich arbeitenden Frauen sollte Anerkennung finden.

    Auch die Kleiderkammer ist eine wunderbare Sache, denn nicht jede Familie kann sich alle paar Monate teure neue Babysachen leisten.

    Viele wissen auch gar nicht wohin mit den Sachen, die sie nicht mehr benötigen. Solche Dinge können bei Kaleb abgegeben werden und wandern so weiter an Familien, die sich sehr darüber freuen.

    Achja…Meine Geschichte würde ich nicht als „rührend“ bezeichnen, sondern ist eher als Alarmglocke zu verstehen: Wie oft schauen wir weg? Warum leben solche Initiativen ausschließlich von Spenden? Warum regen wir uns über alles und jeden auf und werden viel zu selten selbst aktiv?

    Einen schönen Abend noch.

  8. Meine Geschichte würde eher als Alarmglocke ferstehenn: Wie oft schauen wir weg? Warum leben solche Initiativen ausschließlich von Spenden? Warum regen wir uns über alles und jeden auf und werden viel zu selten selbst aktiv?
    Zu diesen Thema Spenden. Die Kirchen jammern weil Ihnen die Schäfchen weg laufen warum? Kirchensteuer abhängig vom Verdienst das gibt es nur in Deutschland.Kirchensteuer in Ungarn Polen und Italien werden pro Haushalt freiwillig abgegeben.Die Kirchen in Deutschland haben eigentlich gar keine Not an Geld sondern an Schäfchen.

  9. Kaleb ist wohl einer der wenigen Vereine, die es lohnt zu unterstützen. Im Gegensatz zu Geldgeiern, die unbedarfte (gehirngewaschene) Leute an den Albertplatz stellt und die Passanten nerven.

    Ist man jetzt als Abtreibungsgegner jetzt schon reaktionär? Abtreibung ist nunmal Mord. Und mit Initiativen wie Kaleb gibt es für jeden eine Alternative. Insofern ist es für mich unverständlich, wie Menschen (vor allem welche, die selber Eltern sind) pro Abtreibung sein können. Und damit es für Leute wie Frank noch etwas mehr zum Aufregen gibt: Neuem Leben gehört die Zukunft. Das Leben eines Kindes ist immer mehr wert, als das der Eltern.

  10. Alauner: Die Frage der Abtreibung hat die betroffene Frau selber zu entscheiden. Da hilft es nicht, den Stab zu brechen und „Abtreibung ist Mord“ zu skandieren. Ist es besser, wenn das Neugeborene im Müll landet? Die Entscheidung für eine Abtreibung ist sicher keine leichte, und die Prozedur sicher auch keine angenehme. Moralisierende Kommentare und mehr oder weniger deutliche Vorwürfe sind da nicht hilfreich. Eine Betrachtung des Einzelfalles ohne pauschale Wertung vorab ist meines Erachtens die einzig richtige Herangehensweise.

  11. @ein anderer Stefan:Wie sieht denn die Prozedur momentan aus? Meines Erachtens ist den Frauen auch nicht geholfen, wenn die „Beratung“ sich darauf beschränkt, dass man die Frauen mit ihrer Entscheidung alleine lässt und ihnen den Beratungsschein aushändigt. Wird denn ernsthaft geprüft, was man unternehmen könnte, dass die Frau sich für ihr Kind entscheiden kann? Die wenigsten Frauen im Schwangerschaftkonflikt wollen tatsächlich eine Abtreibung. Sie würden sich für ihr Kind entscheiden, wenn die Umstände anders wären. Und warum versucht man nicht, diese Umstände zu ändern?? Und unabhängig davon, wie man den Frauen hilft, bleibt Abtreibung Mord. Man muss dies den Frauen, die in Not sind, nicht unter die Nase reiben – das hilft niemandem. Aber verharmlosen sollte man es auch nicht. Und wie viele Frauen haben Probleme nach einer Abtreibung – das sollte auch nicht vergessen werden.

  12. …und noch etwas: In dem man sagt, dass die betroffene Frau das selber entscheiden muss, zieht man sich aus der Verantwortung und lässt die Frau alleine. Das ist nun wirklich keine Hilfe.

  13. @Alauner: „Abtreibung ist nun mal Mord“.

    So kategorisch formuliert, eine aus definitorischer, juristischer und biologischer Hinsicht unsinnige Pauschalisierung.

    Frauen werden zu so unterschiedlichen Lebensstadien, auf so unterschiedliche Weise schwanger, dass ich sehr vorsichtig wäre, eine Vierzehnjährige, die vergewaltigt wurde, als Mörderin zu brandmarken.

    Zumal es bei diesem Thema kein Schwarz-Weiß gibt. Wer selbst keine Kinder hat, sieht das Thema vielleicht nüchterner. Kommen Kinder mit ins Spiel, wird sich die Sichtweise ändern. Und wer entscheidet nun, was die Richtige ist? Zumal noch nicht einmal die Wissenschaft sich einig ist?

    Ungeborenem Leben gebührt Respekt, keine Frage. Aber zu werten, welches Leben „mehr wert ist“, ist ebenfalls eine sehr komplexe Frage. Pauschalisierungen sind an dieser Stelle wiederum nicht hilfreich. Oder willst Du richten, dass eine Frau, sagen wir, Mutter von drei Kindern, ihre Kinder als Waisen hinterlässt, weil Du findest, eine weitere, lebensbedrohliche Schwangerschaft sei auf jeden Fall auszutragen, selbst wenn die Frau dabei stirbt?

    Bitte ein so sensibles Thema sachlich und differenziert diskutieren. Attacken mit der Moralkeule sind in der Debatte fehl am Platz.

  14. Der Kaleb-Verein macht eine ganz großartige und wichtige Arbeit und ich finde den positiven Ansatz, den sie verfolgen klasse.

    Ja, Kaleb sind Abtreibungsgegner, das ist eine Meinung, die jedem frei steht (nicht zwingend meine eigene).

    Sie versuchen Abtreibungen zu verhindern, in dem sie Müttern ein positives Angebot machen, das ihnen erleichtert, sich für das Leben des Kindes zu entscheiden. Das ist ein sehr konstruktiver, sinnvoller Ansatz, gegen den auch ein Abtreibungsbefürworter nichts haben kann. Es wird niemand angeklagt, keine Vorwürfe gemacht.

  15. @ Radler: Mit Aussagen wie „Abtreibung ist Mord“ nimmt man vorweg, dass eine Abtreibung niemals, unter keinen Umständen richtig sein kann. Damit nimmt man der betroffenen Frau jegliche Entscheidungsmöglichkeit, kriminalisiert sie und brät ihr mit der heftigst möglichen Moralkeule einen über. DAS ist nicht konstruktiv, damit verursacht man in einem ohnehin existenziellen Konflikt noch zusätzliche Schuldgefühle. Rechtlich (ab einer gewissen Schwangerschaftsdauer) und ethisch-moralisch ist eine Abtreibung wohl als Mord zu bewerten. Hier würde ich aber den Einzelfall betrachten wollen und nicht anhand von abstrakten Normen urteilen wollen.

    Natürlich braucht eine Frau in so einem Konflikt (den ich mir nicht mal im Ansatz vorstellen kann) Hilfe, jede Hilfe, die sie kriegen kann. Aber bitte keine Moralpredigt! Die Hilfe sollte so aussehen, dass man der Frau (die vermutlich in der Regel nicht mehr sehr rational denken kann, da sie in diesem Konflikt steckt) alle denkbaren Möglichkeiten aufzeigt – welchen Weg sie wählt, muss sie am Ende aber doch alleine entscheiden. Diese Entscheidung, die ich mir wie gesagt nicht mal ansatzweise vorstellen kann, wird ihr niemand abnehmen (können). Es ist aber die verdammte Pflicht und Schuldigkeit aller selbsternannten Helfer, ihr alle Hilfestellungen und Möglichkeiten neutral aufzuzeigen, damit die Entscheidung die bestmögliche für Mutter und Kind ist.

    Ja, ein ungeborenes Kind abzutreiben ist wohl die schwerstmögliche Entscheidung, die eine Frau treffen kann, und ich gehe davon aus, dass Menschen mit einem normal ausgeprägtem moralischen Wertesystem die Implikationen durchaus kennen und sie ihnen bewusst sind. Da brauchts niemanden von außen, der da nochmal nachtritt.

  16. @ein anderer Stefan: Hat denn eine Frau in einer Konfliktsituation wirklich eine freie Entscheidung? Wann wird denn aus welchen Gründen abgetrieben? Haben Sie sich schon einmal im Detail mit dem Thema auseinandergesetzt? Die meisten Abtreibungen werden durchgeführt, weil es momentan nicht in die Lebenssituation passt. Krankheit, Behinderung, Vergewaltigung … sind bei den Abtreibungsgründen verschwindend gering. Und bei dem Hauptgrund, dass ein Kind gerade unpassend ist, haben die meisten Frauen von außen direkt wie auch indirekt Druck mit dem Ausgang, dass viele sich für eine Abtreibung entscheiden – das ist aber keine wirklich freie Entscheidung. Und man hat auch eine Verantwortung bevor es überhaupt zu einer Schwangerschaft kommt. Eine Abtreibung ist nie richtig, dass haben Sie richtig erkannt – es kann maximal eine Abwägung sein (nämlich dann, wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel steht). Eine neutrale Beratung ist keine Beratung – zumindest keine Hilfe. Es geht nicht darum, der Frau Vorwürfe zu machen oder sie vorab als Mörderin abzustempeln – das ist völlig falsch und nicht zielführend. Aber es geht darum, alle Möglichkeiten und Hilfen der Frau aufzuzeigen, dass sie sich für das Kind entscheiden kann und ihr Mut zuzusprechen und für sie da zu sein. Und genau das fehlt bei den meisten Beratungen (und ist quasi bei den „neutralen“ Beratungen verpönt, denn man will ja „neutral“ sein). Wissen Sie überhaupt, wie glücklich Frauen sind, wenn sie sich trotz aller Widrigkeiten für ein Kind entschieden haben, weil man sie mit ihrer Entscheidung nicht allein gelassen hat und es nicht nur bei einer „neutralen“ Beratung belassen hat? Ich kenne viele Beispiele.

  17. “Abtreibung ist Mord”

    , geht’s noch.
    Koch mal wieder runter, hier gehts ja wohl eher um deine Befindlichkeiten. Bäh. Bäh

  18. Liebe Lisa,
    Mein angesprochener Kritikpunkt betrifft folgenden Kontext: Google mal nach Walter Schrader, Mitgründer der Lebensrechtsinitiative Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren (Kaleb).

    Natürlich hat jeder das Recht, sich in solchen Umfeldern zu bewegen. Aber man möge mir verzeihen, dass ich ihn dann nicht mehr für den toleranten Vertreter des „bunten neustadtvolkes“ halte.

    Guten Abend.

  19. @Julia: Erkundigen Sie sich mal bitte, wie weit der Embryo in der 12. SSW entwickelt ist. Es ist alles da, was ein Mensch zum Leben braucht – es ist ein vollwertiges Leben.
    Und dann erkundigen Sie sich mal bitte, was bei einer Abtreibung passiert. Zum Beispiel „Der letzte Schrei“ zeigt dies dokumentiert. Aber es gibt auch weniger grasse Dokumentationen (auch nicht unbedingt Filme), die keinen anderen Schluss zulassen, dass da ein Menschenleben ausgelöscht wird. Das hat nichts mit meinen Empfindlichkeiten zu tun.
    Die Medaille hat 2 Seiten. Denen, die noch nicht im Schwangerschaftskonflikt standen, muss man dies klar so sagen, damit sie verantwortlich damit umgehen und nicht Abtreibung als was normales sehen. Frauen im Konflikt muss man helfen und sie nicht zusätzlich noch damit belasten (das ist nämlich überhaupt keine Hilfe). Und wie Hilfe aussieht, habe ich oben schon geschrieben.

  20. @Radler: Wie viel Erfahrung mit Beratungspraktiken haben Sie denn? Mir scheint, die Anführungsstriche um die „‚neutrale‘“ Beratung transportieren eher Ihre Vorurteile als einen tatsächlichen Kenntnisstand.

    „Wie glücklich Frauen sind“ … Welche jetzt? Die Frauen? Also alle? Alle, ALLE?

    Selbst Mütter mit dringlichstem Kinderwunsch und materieller Absicherung empfinden angesichts des tiefen Einschnitts, den die Mutterschaft darstellt, dieses sprichwörtliche Mutterglück eben nicht immer. Vom Rest der Frauen mit weniger günstiger Ausgangslage ganz zu schweigen.

    Frauen haben durchaus die Fähigkeit, sie selbst betreffende komplexe Entscheidungen zu fällen, ohne dass sie zu ihrem Glück gezwungen werden.

    Dass sich die Kirchen in der Frage heutzutage als einzig wahre Beratungsinstanz für Schwangere in Konfliktsituationen gerieren, sehe ich vor dem persönlichen Hintergrund, dass meine Mutter in den Sechzigern für eine Schwangerschaft in „wilder Ehe“ (also mit gefestigter Beziehung) öffentlich von der Kanzel herab als Hure gebrandmarkt wurde. Sicher kein Einzelfall.

    Was die Verantwortung VOR der Schwangerschaft anbelangt: es ist nun mal leider so, dass unser Sexualtrieb nicht immer mit der geistigen Reife korreliert. Wollen Sie sich deswegen hinstellen und sagen: „Liebe Sechzehnjährige mit ungefestigter Persönlichkeit, Justin Bieber mag in allen Lebensfragen Dein Guru sein, aber was Dein komplettes weiteres Leben betrifft, wirst Du schon selbst die nötige Weisheit besitzen, das Ding zu schaukeln!“?

  21. @Muyserin: Ich habe mich sehr lange mit dem Thema beschäftigt. Es sind nicht meine Vorurteile, sondern vielfältige Berichte von genau diesen Beratungen, die mich dazu veranlasst haben, das neutral in Anführungszeichen zu setzen. Direkte Erfahrung mit den Beratungspraktiken habe ich nicht. Und welche Frauen ich mit „glücklich“ meine, steht doch eindeutig da: Diejenigen, die sich für ein Kind trotz widriger Umstände entschieden haben. Und ich schrieb, dass ich da viele Beispiele kenne. Das es im Einzelfall auch anderes sein kann (da kenne ich jetzt keine Beispiele), ist ein anderes Thema – man muss sich ja nicht immmer am Einzelfall festbeißen.
    Und von Kirchen habe ich nichts geschrieben – es ist auch (leider) falsch, dass die Kirchen (so in der Verallgemeinerung) sich so positiv da hervor tun. Im Gegenteil sind viele kirchliche Beratungsstellen, die die Beratungsscheine ausstellen, genau so „neutral“ wie weltliche Beratungsstellen. Es sind einzelne Vereine, die sich da positiv hervor tun. Deren Mitarbeiter sind zwar Christen und sehen das als ihren christlichen Auftrag, aber es wird nicht das christliche Schild rausgehangen – es geht um Hilfe und nicht um Mission o.ä. Diese Vereine, die ich kenne, würden eine Frau niemals verurteilen.
    Und was die Teenies betrifft: Sie brauchen nur mal kurz nach Abtreibungsstatistik zu googlen, um festzustellen, dass es sehr wenige Abtreibungen in dieser Alterskategorie gibt. Die meisten, die abtreiben lassen, sind älter als 18 Jahre. Es ist interessant, dass man das Thema Abtreibung immer mit den Ausnahmen rechtfertigen möchte und dabei die Masse übersieht.

  22. @Radler: Auch noch so hochauflösente endoskopischen Filmaufnahmen können nicht vermitteln, wie es um das Innerste einer Frau bestellt ist, die schwanger ist.

    „und nicht Abtreibung als was normales sehen“ – Das immer wieder bemühte Klischee, eine liberale Abtreibungspolitik mache den Frauen die Abtreibung „zu leicht“, ist oft genug widerlegt worden. Die Mehrzahl der Frauen tut sich mit der Entscheidung im Vorfeld und manchmal auch ein Leben lang schwer. Was nicht heißt, dass sie sie bereuen. Sie haben die Entschiedung nur nicht leichtfertig getroffen.

  23. …Nachtrag: Und weil Sie von dem nicht immer empfundenen Mutterglück sprechen: Das „Problem“ beginnt ja schon beim Beginn einer Schwangerschaft. Das ist schon eine riesige Umstellung für die betroffenen Frauen. Insoweit halte ich es für problematisch, diesen Frauen im Schwangerschaftskonflikt diese Entscheidung allein aufzubürden. Wenn die Unterstützung fehlt und das Thema Abtreibung im Raum steht (und von allen möglichen Seiten als Option genannt wird – quasi als Hilfe für die Frau) – wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau sich für das Kind entscheidet? Nein, dass ist keine freie Entscheidung. Eine freie Entscheidung ist es erst dann, wenn alle Voraussetzungen geschaffen wurden, dass die Frau sich für das Kind entscheiden könnte. Wenn sie es dann nicht macht, dann ist es ihre freie Entscheidung – sonst nicht.

  24. Lieber Frank,

    die Kreise, in denen ich mich bewege, sind weder schwarz noch weiß. Was dieser besagte Walter Schrader von sich gibt, teile ich nicht – stößt mir tatsächlich sogar übel auf.

    Dennoch ist es nicht angebracht, diese Haltung allen Beteiligten des Dresdner Vereins zu unterstellen. Bundespolitik hat auch nur begrenzt etwas mit der lokalen Politik im Ortsverein zu tun…

    Was für mich zählt, ist die Arbeit vor Ort!

    Ich kann durchaus die Argumente jener verstehen, für die Abtreibung aufgrund ihrer moralischen Haltung keine Alternative zu anderen Wegen darstellt…
    Ich sehe das nicht so…Es geht hier aber auch nicht um meine oder deine Meinung zu dem Thema, vielmehr geht es um die Frauen, die eine Entscheidung in einer schwierigen persönlichen Lage treffen müssen….und da zählt jede Unterstützung, die sie bekommen können….

    Ich würde mich freuen, wenn von staatlicher Seite aus mehr Unterstützung da wäre…die Praxis sieht aber im Moment so aus, dass viele Vereine durch Spenden am Leben gehalten werden…

  25. @Frank: Nach Deinem Hinweis habe ich ebenfalls Walter Schrader gegoogelt, kann aber, abgesehen von seiner Einstellung, die mit 99 % strenggläubiger Chrísten konform geht, nichts Skandalöses entdecken. Könntest Du nicht vielleicht doch etwas konkreter werden, bzw. verlinken?

    Ich fand das folgende Kurzporträt „Ein Besuch bei Profamilia, bei der Caritas und bei kaleb e.V.“ recht aufschlussreich: http://www.fluter.de/de/religion/aktuell/2234/

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