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Die hintergründigste Eisenbahnplatte der Neustadt

In keiner Stadt, so scheint mir, wird deutlicher, dass die Eisenbahnplatte eine Art Kulturgut ist. Ich sehe Eisenbahn-Miniaturen aller Art nicht nur bei den Neustädter Familien mit Kindern, deren Gastfreundschaft ich in diesen Tagen genießen darf, das Spielzeug ist auch in vielen Schaufenstern selbstverständliche Weihnachtsdekoration.

Die allerdings witzigste Idee findet sich aus meiner Sicht in Galerie M2A auf der Königsbrücker Straße. Auch, wenn man, um sie zu sehen, einige Treppen erklimmen muss, schon sie wäre Grund genug, diese schöne kleine Galerie in den Räumen der ehemaligen Pantomime-Bühne unbedingt einmal zu besuchen.

Die Eisenbahnplatte wurde, wie könnte es anders sein, von einem jungen Dresdner Künstler, von André Schulze, erschaffen.

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Blitzumzug

Dieser zeigt in der Galerie allerdings nicht nur mit seiner hintergründigen Tüftelei, sondern auch mit seinen Malarbeiten, wie sächsische Tradition Fortsetzung und künstlerische Transformation erfahren kann. Und bei ihm entwickelt Verwurzelung einen Charme, der mich bei jedem seiner Gemälde zum Schmunzeln brachte.

André Schulze - Werkstatt 2013, Öl auf Leinwand, 130 × 150 cm
André Schulze – Werkstatt 2013, Öl auf Leinwand, 130 × 150 cm
Hier zum Beispiel konfrontiert er seine Betrachter mit der materiellen Armut eines Menschen, von dem man angesichts der herumliegenden Blechteile, der Kohlen hinterm Haus und der aufgesprungenen Tore, nicht so recht weiß, ob er hingestreckt in seiner merkwürdig beleuchteten Garage mit der Aufschrift „Danger“ nun gerade Selbstmord begangen hat oder friedlich vor sich hin werkelt – einer eigenen Sinngebung folgend und so vital wie das Storchenpaar über der Laterne. Erst allmählich stellt sich ein schmunzelndes Verständnis für eine „alles machbar“ erscheinenden Tüftlermentalität ein, die nicht von Hartz-IV umzubringen ist, sondern sich zu einer urwüchsigen Erst-recht-Kreativität gesteigert hat. Die aus dem Nachbartor herausragende Auffahrrampe mutiert nach dieser Erkenntnis zur Startrampe aus einem zu Unrecht benachteiligten Landstrich.

Schulze nimmt einheimische Mentalität auf eine Weise aufs Korn, wie ihm gleichgesinnte Spaßvögel aus der betont sächsischen Komikerszene längst zum Kultstatus erhoben haben. Doch als jemand, der diesen Humor zu malen versteht, scheint er mir ein noch viel zu wenig bekanntes Unikat zu sein.

M2A allerdings wäre nicht eine meiner Lieblingsgalerien, wenn sie nicht bei aller Ortsverbundenheit doch immer wieder den Fokus auch auf globalere Entwicklungen legen würde. Mit einem immer wieder beeindruckenden Gespür für Ausstellungskreation kombinierte man in der aktuellen Ausstellung den sächsischen Humor von André Schulze mit dem Blick eines bemerkenswerten und weit in der Welt herumgekommenen Münchener Fotografen. Seine berührende Fotoserie „Vending Machines“ zeigt die unermüdliche, dienstbare Präsenz von Selbstbedienungsautomaten, die er an tristen Seitenstraßen Tokyos aufgespürt hat.

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Benedikt Partenheimer - Vending Machines 4 2012, Fotografie
Benedikt Partenheimer – Vending Machines 4 2012, Fotografie
Dies ist nur eines der stumm-dramatischen Fotos, mit denen Benedikt Partenheimer eindrucksvoll einen Ist-Zustand von dieser Welt zeigt. Seine Bilder ergriffen mich sofort und die Fragen, die sie aufwerfen, bedürfen, wie ich glaube, keines Kommentars. Sie sind bekannt, nur gern ausgeblendet. Bilddichte und Blickführung erzeugen in seinen Arbeiten eine emotionale Sogwirkung, die den Betrachter ergreift und ihn mit Wucht dorthin holt, wo die uns aus dem Ruder laufende Zukunft längst begonnen hat – in eine anonyme von der Industrie längst zersetzten Stadt-Tristesse.

Betrachtend begreift man, dass es nicht Zuwanderer sind, die kulturelle Wurzeln kappen und lokale Strukturen bedrohen. Vielmehr ist es ein gieriger Turbokapitalismus, der allerorts ausgelaugte Menschen an einen inhaltslosen Markt kettet, auf dass sie statt Schönheit Abfall produzieren.

Was kann man vor Weihnachten noch sagen…

  • „Shining“ – Doppelausstellung in der Galerie M2A, Königsbrücker Straße 70, 01099 Dresden, Hinterhaus: Bis 10. Januar 2015, Montag, Mittwoch bis Sonnabend, 14 bis 18 Uhr

Ein Gastbeitrag von Ramona Ackermann vom Kunstjournal CYNAL

3 Kommentare

  1. Bitte prüf´einmal die Überschrift. Fröhliche Weihnachten und herzlichen Dank für die immer interessanten Beiträge!

  2. Guter Artikel!

    Bin schon auf den Artikel über die hintergründigste Zweienbahnplatte der Neustadt gespannt.

Kommentare sind geschlossen.