Ik weit einen Eikbom, de steiht an de See,
De Nurdstorm, de brus’t in sin Knäst;
Stolt reckt hei de mächtige Kron in de Höh,
So is dat all dusend Johr west;
Kein Minschenhand,
De hett em plant’t;
Hei reckt sik von Pommern bet Nedderland.
Da spürt man doch die steife Brise am Kragen zerren und auf der Lippe liegt ein salziger Geschmack! Ausgerechnet in der Neustadt! Es ist doch recht verwunderlich, dass ein plattdeutscher Dichter im sächsischen Dresden eine Straße gewidmet bekommt – zumal der Herr Reuter nie einen Fuß in die Stadt setzte. Es wurde hart dafür gekämpft. Für den Hecht ein echter Treffer. Denn selten war ein Mundart-Lyriker so rebellisch und unkonform.
Bevor Heinrich Ludwig Christian Friedrich Reuter zu einem der wichtigsten Vertreter niederdeutscher Dichtung wurde und im gesamten deutschsprachigen Raum Anerkennung fand, war er ein „schlechter Schüler“ und wanderte aufgrund „majestätsbeleidigenden Verhaltens“ und „burschenschaftlicher Umtriebe“ in den Knast.
Der Stavenhagener brachte in der Schule ausschließlich den Schulfächern Turnen und Zeichnen Interesse entgegen, wurde für seine mangelnde Disziplin gerügt und schaffte erst mit 21 Jahren sein Reifezeugnis in Parchim.
Seine Mitgliedschaft in der radikalen Verbindung „Germania“ verursacht heute einen faden Beigeschmack, war seinerzeit allerdings durch das Streben nach einem demokratischen Umbruch motiviert – ein Wunsch, der Reuter 8 Jahre Haft in der Festung Silberberg bescherte. Die westliche Verlängerung des Bischofsweges heißt heute ihm und seinen feinsinnigen obrigkeitskritischen Spitzen zu Ehren Fritz-Reuter-Straße – der Dresdner Verein „Schurr Murr“ erwirkte diese Ehrung Ende des 19. Jahrhunderts.
Nun rattert die Tram 13 ab dem Bischofsplatz über die Fritz-Reuter-Straße. Sie passiert dabei gleich zu Beginn das Lichthaus Dresden, anschließend ein kleines Antiquariat (das Schild über der Tür ist große Klasse, es bewirbt schlicht „Gute Möbel“), den Friseurladen Knievel (der immer an den US-amerikanischen Motorradstuntman denken lässt) und das Bestattungshaus Aarau mit dem legendären Angebot eines Beerdigungskomplettpakets für sagenhafte 999 Euro.
Auf Tauchgang in die Nacht und die benachbarte Chemiefabrik geht es regelmäßig im „Bullaugenspäti“ (Hecht-Spätshop) – eine der letzten Bastionen nach dem offiziellen Kneipenschluss. Außerhalb der Neustädter Späti-Bannmeile gelegen ist er ein verlässlicher Freund – wenn auch ein stark verrauchter. Den Blick ins Innere gewährt ein kreisrundes Guckloch in der gelben Verkleidung.
Schräg gegenüber, von einem Regenbogen gekrönt, liegt das seit einigen Wochen geschlossene Café Bingöl. Neben dem Canlar die zweite Teestube auf der Reuter. Passend zum Autobahnanschluss sind noch zwei Hotels angesiedelt, das zur Tryp-Gruppe gehörende Grand City und gegenüber des McDoof das NH Dresden. Fassaden, für die Einheimische aus schlichtem Mangel an Bedarf und Interesse zumeist blind werden – und die es optisch auch nicht so in sich haben.
Generell prunkt die Reuter-Straße nicht mit Highlights. Billard in der Newtown-Bar, den Hund im Tierpflegesalon einseifen lassen, dem Versicherungsmakler in seinem Büro zuwinken … Auf diesem Pflaster sind keine Attraktionen gesäht. Dieser Eindruck mag sich auch aus der fehlenden Bordstein-Kultur ergeben. Aber die Reuter ist wie ein guter Kumpel. Manchmal etwas anstrengend und langatmig, aber hilfsbereit und auch den schwierigen Themen des Lebens (siehe Aarau) nicht abgeneigt. Man muss sich nicht oft sehen, aber man kennt sich gut. Man ist geblieben, wie man sich kennenlernte und wer mehr fordert, dem seien die Worte Fritz Reuters zum Abschluss empfohlen:
Wenn einer kümt un tau mi seggt:
Ich mak dat allen Minschen recht,
Denn segg ick: Leiwe Fründ, mit Gunst,
O, lihrn S‘ mi doch des‘ swere Kunst.
Die Fritz-Reuter-Straße
- Die Straße auf dem Stadtplan von dresden.de
Das ist wieder mal ein schöner Straßen-und-Plätze-Artikel.
Einen ergänzenden Tipp zur Fritz-Reuter-Straße habe ich noch: In den Abendstunden des Frühlings der sinkenden Sonne entgegen zu radeln, ist wie ein Trip zur Ostsee. (Sonnenbrille nicht vergessen!)
Wenn du dabei die Helgolandstraße passierst, riecht es immer ein wenig nach Nordsee.
man kann auch in die Friedenstrasse rechts abbiegen.
Kleine Korrekturen: Bingöl ist schon seit paar Wochen nicht mehr, gegenüber vom McDoof liegt das NH…
@ E-Haller Da hat man versehentlich den ersten Entwurf des Beitrages von 2012 erwischt.
Fazit, wie immer schlampig recherchiert.
Ergänzend zu Torstens Radelerlebnis: Man fährt vom Bischofsweg aus (also) gen Westen, nicht etwa gen Norden.
Und: Straßenbahnen „rattern“ heute nicht mehr erwähnenswert, auch wenn es sich schön romantisch verklärt liest.
Ach das sollen Bullaugen sein! :-D Ich kenn den Hecht-Späti in Mundart nur als „Käse-Späti“…
“ Linie 13 setzt zum Sprung an “
gehts noch ?
@alm:
hehe, käsespäti! echt? das hab ich ja noch nie gehört :D
allerdings komm ich selten bis dahin…
Nochmal: Das nördliche Stück des Bischofsweges heißt höchstens auch noch Bischofsweg.
Man kann – ungefähr – nach Osten, oder in diesem Fall WESTEN. Ungeliebter Reichtum, Radebeul, Frankfurt / Main, Bad Homburg, Asbach Uralt, Vulkaneifel, Paris,,, Sonnenuntergang!
Mir scheint, hier ist Urlaub im Funk- und (W)LAN-Loch. Haha. Westurlaub??? Wohl kaum.
und wie die kiste in fachkreisen „käsespäti“ heisst :3
danke für die richtigstellung, alm; und dank auch für die erwähnung :)
Vielen Dank für die Hinweise, ich habe das mit den Hotels mal korrigiert und die Bingöl-Schließung mit erwähnt.
@S.Ebnitzer: Mir ist nicht ganz klar, worauf Du hinaus willst?
@Anton: S.Ebnitzer wollte dir nur mitteilen, dass der Kompass von Philine ne Macke hat. Im nördlichen Teil des Bischofsweges liegt der Alaunplatz und die ungeraden Hausnummern eben jenes Weges. Wohingegen im Südlichen Teil die geraden Hausnummern sind. Im Osten sind die hohen und im Westen die niedrigen Nummern.
Und nun noch mal zum mitmeißeln: „Die Fritz-Reuter-Strasse liegt WESTLICH vom Bischofsplatz und NICHT im nördlichen Teil des Bischofswegs.“
@Anton
Das nördliche Stück des Bischofsweges kann nicht Fritz-Reuter-Str. heißen, sonst wäre es nicht das nördliche Stück DES Bischofsweges.
Also: entweder das, was heute Fritz-Reuter-Straße heißt, war VOR der Umbenennung Teil des Bischofsweges oder es nicht mehr das nördliche Stück DES Bischofsweges.
„Das nördliche Stück des Bischofsweges heißt […]“
Der Rest war Gefasel.
Danke. Jetzt hab ich’s und auch korrigiert. Wobei man wahrscheinlich das west-nord-westliche Stück sagen müsste. Denn ganz so straff gen Westen zeigt die Fritz-Reuter dann auch doch nicht. Offenbar ist gestern nicht nur die Datenbank, sondern auch mein Denkvermögen ausgefallen. Aber langsam wird alles wieder hochgefahren.
:-P
Kennt jemand Steinis Gartenbaude?
Das muss direkt auf der Kreuzung zur Hansastraße sein…
direkt auf der Kreuzung ???
@Alraune
http://lmgtfy.com/?q=Steinis+Gartenbaude
…
@ Lucy: toller Tipp, danke, bei Google Earth kann man es deutlich sehen.
Da macht wohl jemand Späßchen mit der Google-Karte, unmittelbar neben Steinis Gartenbaude ist ja auch noch ein Alcohol Shop im Grünen. ;-) Aber hübsch zu sehen, wie dann zig automatisierte Websiten den Quatsch weiterverbreiten.
@ Anton, da könnte man ja gleich zwei Restaurant-Testberichte auf einen Streich machen.
Anton, reserviere doch mal telefonisch einen Middagstisch. Du traust dich doch, zu telefonieren?!
Da war eine ganz freundliche Dame dran.
so kann man trefflich von einem wirklich mißlungenen Beitrag ablenken.
Haha.
Ich bin vorher mit dem Rad dort lang. Es könnte tatsächlich eine der Gartenspartenlokale gewesen sein. Jetzt heißt es vielleicht „Rosis Gartenlaube“ oder so.